Die Wahrscheinlichkeit, dass an dem Schreibtisch, der in der Aufgabe vom Dienstag abgebildet war, tatsächlich Friedrich Hölderlin gesessen hat, ist zugegebenermaßen eher gering. Und auch um seinen Aufenthalt in dem gesuchten Schloss ranken sich viele Gerüchte. Fest steht, dass hier tatsächlich einer der großen deutschen Dichter geweilt hat: im Schloss von Waltershausen.
Da gibt es beispielsweise die These, dass Hölderlin von der falschen Annahme ausgegangen ist, die Hauslehrerstelle, die er im Jahre 1793 antreten wollte, befindet sich im thüringischen Waltershausen. Dann gibt es die Theorie, dass er seinen Zögling, den Sohn der zu ihrer Zeit berühmten Charlotte von Kalb, nicht in den Griff bekommen konnte. Daher habe er bereits nach etwa einem Jahr Waltershausen den Rücken gekehrt, um nach Weimar überzusiedeln, wo er seinen großen Vorbildern Goethe und Schiller nahe sein konnte, mit denen er regen Austausch hielt. Der Grund seiner Flucht könnte aber auch in einem Techtelmechtel mit einer Hausangestellten stecken, die von dem jungen Hauslehrer geschwängert worden sein soll.
Solchen und vielen weiteren Rätseln um den Dichter, der in Vereinsamung 50 Jahre nach dieser Episode in Tübingen gestorben ist, geht die Hölderlingesellschaft nach, die sich regelmäßig in Waltershausen trifft und im Schloss ein kleines Hölderlinmuseum eingerichtet hat. Der Hausherr, Dr. Ulrich Moebius, hat seinen Teil dazu beigesteuert, und das Turmzimmer, in dem Hölderlin gewohnt hat, so hergerichtet, wie es zur Zeit des Dichters ausgesehen haben könnte.
Doch eigentlich hat nicht nur Hölderlins einstige Wohnstatt musealen Charakter, im Grunde gleicht das gesamte Schloss einem Museum. Als 1986 der Berliner Verleger das Anwesen erwarb, hatte es der Post als Erholungsheim gedient. „Und so war es auch eingerichtet“, erinnert sich Moebius, „vielfach mit den billigsten Möbeln“. Andere Räume waren leer oder nach den Erfordernissen einer Erholungsstätte funktional eingerichtet. Andererseits hat die Post wenige Jahre vor dem Besitzerwechsel das Gebäude aufwendig saniert, sodass er beim Erwerb auf eine weitgehend intakte Substanz gestoßen ist.
Nach und nach richtete er die Räume in den drei Stockwerken des dreiflügeligen Gebäudes mit Mobiliar ein, das seiner Ansicht nach dem barocken Stil angemessen ist. Dazu hatte er das Inventar aus zwei alten Berliner Villen, die im Besitz der Familien waren, nach Waltershausen schaffen lassen. „Manches habe ich aber auch hier aus dem Sperrmüll gezogen.“
Das ästhetische Glanzstück ist der Musiksalon mit Stuckarbeiten, die ein Juwel fränkischen Rokokos darstellen und angeblich auf Balthasar Neumann zurückgehen.
Zum Besitz gehört außerdem ein mehrere Hektar großes Grundstück, das teilweise parkähnlich in drei Terrassen angelegt ist. „Ich kann das Ganze gar nicht mehr in Schuss halten“, sagt Moebius, der inzwischen die 80 überschritten hat und mit seiner Frau Karin das Schloss allein bewohnt, „ohne die Unterstützung einiger Dorfbewohner wäre das gar nicht mehr zu bewältigen“.
Das neue Rätsel
Alle Hilfe zu spät kommt dagegen für eine Anlage, von der nur noch Reste vorhanden sind und die zudem von der Wildnis inzwischen fast gänzlich überwuchert sind. Der Fuß des Bergfrieds, von dem sich ein wunderbarer Blick über die Rhön und auf die im Foto erkennbare Hohe Geba bietet, sowie ein paar Mauerstücke, sind die letzten Relikte. Lediglich Namen wie Schlossberg und Schlossbergschenke erinnern daran, dass einst an dieser Stelle ein stolzes Gemäuer gestanden hat. Vielleicht wissen davon aber die Kinder des Landkreises, von denen schon viele in der unmittelbaren Nachbarschaft campiert haben.