Neue Hinweise im Mordfall Waltraud Ess. Diese Nachricht sorgte im Landkreis Rhön-Grabfeld und darüber hinaus in dieser Woche für große Aufregung. Noch viele Menschen erinnern sich an das Verbrechen in Bad Neustadt vor 29 Jahren. In der Nacht zum 8. September 1993 wurde die 51-jährige Waltraud Ess, Geschäftsführerin des Autohauses Kuhn, in ihrer Wohnung direkt neben dem Betrieb auf brutale Weise getötet.
Die ganzen Jahre schienen die Tat und die Hintergründe ungeklärt zu bleiben. Jetzt aber verfolgen die Schweinfurter Ermittler aktuell eine heiße Spur. "Innovative Möglichkeiten in der Spurenauswertung" hätten neue Hinweise ergeben, teilte das Polizeipräsidium Unterfranken mit.
Wie reagieren Weggefährtinnen und Weggefährten von Waltraud Ess auf diese überraschende Nachricht?
Jahrelange Hoffnungen auf Ermittlungserfolge
Werner Schulz war viele Jahre lang Werkstattleiter im Autohaus Kuhn. Er kannte Waltraud Ess bereits von Kindesbeinen an und war mit ihr und der Familie sehr verbunden. Als der Mord geschah, war Schulz gerade im Urlaub bei Danzig. Sein Sohn habe ihn damals mit dem Auto in Polen abgeholt und nach Hause gefahren. "Es war schlimm und ging so richtig unter die Haut", erinnert sich der heute 84-Jährige, immer noch erschüttert.
"Ich denke sehr oft an das Ereignis zurück. Es lässt mir keine Ruhe", sagt Werner Schulz. Er warte schon seit Jahren darauf, dass es bei den Ermittlungen weiter geht und sei erleichtert, dass sich endlich etwas tut. "Ich hoffe, dass sie den Täter finden."

Auch Christa Sator kannte Waltraud Ess bereits seit der Kindheit. Sie wohnte im gleichen Haus wie deren Familie am oberen Marktplatz in Bad Neustadt, als das Autohaus Kuhn noch seinen Sitz dort hatte, wo sich heute ein japanisches Restaurant befindet. "Wir waren beide junge Mädchen, eng befreundet und haben viel Zeit miteinander verbracht", blickt die 81-Jährige zurück. Später sei der Kontakt leider eingeschlafen.
Sie denke immer mal wieder an die furchtbare Tat 1993 zurück und habe im Lauf der Jahre nicht mehr daran geglaubt, dass die Wahrheit doch noch ans Licht kommen könnte, sagt Christa Sator. "Hoffentlich hat die Polizei etwas gefunden, womit das Verbrechen aufgedeckt werden kann."
Moderne Möglichkeiten der Verbrechensaufklärung
Lydia und Ewald Renk betrieben seinerzeit die Shell-Tankstelle gegenüber des Autohauses Kuhn in der Schweinfurter Straße. Sie erfuhren am Tag nach der Tat von einem Kunden, was sich in der Nacht in unmittelbarer Nähe ihrer Tankstelle zugetragen hatte.
Sie hätten es gar nicht glauben können und seien sehr erschrocken gewesen. "Frau Ess war noch jung, es war so grausam und dann geschah das alles in der Nähe", vergegenwärtigt sich Lydia Renk das damalige Geschehen. Mit Blick auf neue und moderne Möglichkeiten der Verbrechensaufklärung hätten sie auch all die Jahre später noch daran geglaubt, dass sich der Mord irgendwann aufklären könnte.

Einer, der Waltraud Ess noch am Abend ihres Todes sah, ist Jochen Pechthold. Der heutige Besitzer der Weinstube Dörr am Bad Neustädter Marktplatz war am 7. September 1993 zu Gast in dem Wirtshaus. An dem Tag traf sich dort ein Stammtisch, zu dem auch Waltraud Ess gehörte. "Es hat eine ungezwungene, fröhliche Stimmung geherrscht und es wurde viel gelacht", erinnert sich Pechthold.
Am nächsten Tag sei die Nachricht, dass die Geschäftsfrau umgebracht worden war, wie ein Lauffeuer durch die Stadt gegangen. "Die Grausamkeit des oder der Täter hat alle sehr erschrocken", sagt der Gastwirt. Die ersten Tage danach habe man geglaubt, dass die Tat schnell aufgeklärt werde. Mit der Zeit sei die Hoffnung dann immer weiter gesunken - und erst später, mit dem Einzug neuer Techniken, wieder größer geworden. Jochen Pechthold erinnert sich an Waltraud Ess als eine "feine Geschäftsfrau", die "stets nett und freundlich" war.
Regelmäßige Besuche des Grabes auf dem Friedhof
Eng verbunden mit Waltraud Ess und der Familie Kuhn war auch Ruth Straub, Seniorchefin von "Leos Obstkiste" in Bad Neustadt. Ihre Familie war 1949 von Würzburg nach Bad Neustadt gezogen und hatte Obdach in einer Wohnung im Haus der Familie Kuhn gefunden, am Marktplatz direkt über der Autowerkstatt.
"Wir sind zusammen aufgewachsen", sagt die 85-Jährige. In späteren Jahren seien sie miteinander in den Urlaub gefahren und hätten sich regelmäßig getroffen. "Der Tod von ihr hat mich sehr mitgenommen." Sie denke sehr oft daran und besuche immer wieder das Grab der Freundin. Hat sie jemals gedacht, dass der Mord aufgeklärt werden könnte? "Ich habe es nicht geglaubt", sagt Straub, "aber gehofft".