Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Bad Neustadt
Icon Pfeil nach unten

WILDFLECKEN: Entrümpelung der Rhön-Kaserne

WILDFLECKEN

Entrümpelung der Rhön-Kaserne

    • |
    • |
    Zwei der fünf Gebäude, die heuer eingeebnet werden: die ehemalige Militärpolizei (hinten) sowie die Reste der Post.
    Zwei der fünf Gebäude, die heuer eingeebnet werden: die ehemalige Militärpolizei (hinten) sowie die Reste der Post. Foto: Fotos: Roland Pleier

    Gebäude 8 ist nur noch ein Haufen aus Steinen, Ziegel und Beton: Die ehemalige Post, direkt an der Hauptstraße gegenüber der Kommandatur, ist eingerissen. Das Gebäude daneben, Nummer 9, beherbergte 45 Jahre lang die amerikanische Militärpolizei. Es ist bereits entkernt und wartet nur noch auf den Abrissbagger. Weitere vier Gebäude werden heuer noch folgen. Die Rhön-Kaserne in Wildflecken wird entrümpelt.

    Das Bundeswehrdienstleistungszentrum, das seit 1995 für sie zuständig ist, lässt peu au peu nicht mehr gebrauchte Gebäude dem Erdboden gleichmachen. Allein in diesem Jahr investiert der Bund dafür 1,5 Millionen Euro, teilte Christiana Strömel, Bereichsleiterin für die Liegenschaften, auf Anfrage der Main-Post mit. Eine Sanierung käme teurer.

    Gebäude mit Geschichte

    Auch das Haus Nummer 2 steht auf der Liste. Dort logierten ausschließlich Generale, erzählt Adolf Kreuzpaintner, der den Truppenübungsplatz wie seine eigene Westentasche kennt. Der heute 76-Jährige war 1971 als Hauptfeldwebel aus der Bundeswehr ausgeschieden und danach Angestellter des Verbindungskommandos zu den amerikanischen Truppen, die letzten fünf Jahre vor seiner Pensionierung 1999 der Kommandatur des Truppenübungsplatzes. Er war für die Funk- und Fernmeldeeinrichtungen zuständig, kennt jedes Gebäude – und auch so manche Geschichte dazu.

    Bis zu drei Generälen war das lang gestreckte Gebäude 2 ein Zuhause auf Zeit. Etatmäßig hatten die US-Streitkräfte nach Wildflecken keine Generäle abgestellt, sie waren nur zeitweise zu Gast, bei Übungen oder Lehrgängen, erzählt Kreuzpaintner. Das brachte dann jedes Mal die Standortverwaltung auf Trab: Es galt, die ansonsten leer stehenden Wohnungen picobello herzurichten.

    Doch das ist mehr als ein Jahrzehnt her. Mittlerweile wachsen Bäumchen in den Dachrinnen. Die Dachpappe ist zerfleddert, das Haus an der B-Street, also der B-Straße (die Amerikaner benannten die Querstraßen der Überschaubarkeit halber der Reihe nach nach dem Alphabet), zum Abriss freigegeben.

    Ebenso das schlichte Fachwerkhaus neben dem Steinhaufen der Post. Es steht da wie ein hohler Zahn, entkernt bis auf das Gerippe. An seine Vergangenheit erinnern allenfalls zwei vergitterte Fenster und die Tür-Inschrift an der Stirnseite: „CID“. Diese Abkürzung steht für „Criminal Investigation Division“, die dem „Criminal Investigation Command“ (CIC) unterstellt ist, der Strafverfolgungsbehörde der US-Streitkräfte.

    Auf dem Platz hinter dem Gebäude seien immer jene Autos abgestellt worden, die nach Unfällen abgeschleppt worden waren. „Da waren immer einige drin“, erinnert sich Kreuzpaintner. Schrottauto hingegen hätten die Amerikaner kurz vor dem Übungsplatz deponiert. „Dort durften sich die Soldaten ausbauen, was sie gebraucht haben.“

    Die Hauptstraße, zu Zeiten der Amerikaner Main-Street, den Berg hinauf, kreuzen die D- und die E-Straße. Für Kreuzpaintner sind diese beiden Straßen, den Hang entlang laufend, schlicht die beiden Stallgassen. Denn bis heute zieren Steine mit eingelassenen Metallringen in regelmäßigen Abständen viele der lang gezogenen Gebäude. Sie waren geplant als Ställe für jene 1500 Pferde, die Hitlers Artilleriegeschütze ziehen sollten. Klar, dass es auch ein eigenes Gebäude für die Hufschmiede gab – gleich neben dem deutlich kleineren Eselstall, am Ende der Stallgassen.

    Zwei Dutzend Pferdeställe

    30 Pferdeställe sollen es einst gewesen sein, als die Anlage 1938 eingeweiht wurde, so ist nachzulesen. Zwei Dutzend hat Kreuzpaintner zusammenbekommen, als er sie zuletzt durchgezählt hat – ohne Gewähr. Einer von denen, die bestens in Schuss sind, ist heute Speisesaal. Zu Zeiten der US-Armee war es ein Fastfood-Restaurant von Burger King, erzählt der Ehrenvorsitzende der Wildfleckener Reservisten.

    Das Gebäude 371 gleich anschließend aber wird eingeebnet. Den Ringen zum Anbinden der Zügel zufolge – jeweils 46 auf beiden Seiten – war es einst für 92 Pferde gedacht. Die US-Streitkräfte richteten dort ihren „PX“ (Post Exchange) ein, ein Kaufhaus der Versorgungskette von „Army & Air Force Exchange Service“ (AAFES). Dort erhielten die Soldaten Konsumgüter wie Bekleidung, Haushaltswaren, Kosmetika und Elektronik – steuerfrei. Zuletzt wurde das Gebäude 371 als Ersatzteillager genutzt.

    Jetzt blüht ihm das gleiche Schicksal wie dem Gebäude 271 schräg gegenüber. Warum es ein kleines Türmchen auf dem First trägt, kann Kreuzpaitner nicht erklären. Wohl aber, dass es seine Funktion erhalten hatte: Dort ließen sich erst Wehrmachtsangehörige, dann US-Soldaten die Haare schneiden. Zu Hitlers Zeiten waren dort neben den Friseuren auch noch die Schneider und Schuhmacher untergebracht, weiß der Hobby-Historiker.

    Bleibt als letzter Abbruch-Kandidat dieses Jahres das Gebäude 375 in derselben Straße, der E-Straße, das einzige nicht-historische auf Strömels Liste. Der schlichte Plattenbau war bei vielen US-Soldaten beliebt: Dort gab es nämlich Spirituosen. So mancher deutsche Zivilbeschäftiger hat da einem von ihnen ein paar Dollar in die Hand gedrückt, um so zu preisgünstigem Wodka oder Gin zu kommen, lächelt Kreuzpaintner.

    Überhaupt, der Alkohol. Bei den Casino-Abenden ist davon „ganz schön viel“ geflossen, weiß er. „Die haben sich gegenseitig schön unter den Tisch gesoffen.“ Neben Spirituosen vor allem mit Budweiser-Bier. „Je höher der Dienstgrad“, so schränkt er für die Offiziere ein, desto „humaner“ hätten diese sich benommen.

    Eine große Ausnahme habe ihm großen Respekt abverlangt. Es war ein Stabsunteroffizier, den er um Gutscheine für Zigaretten und Schnaps gebeten hatte. Der US-Soldat aber war Mormone und lehnte ab – aus moralischen Gründen: „Du bist ein Freund von mir“, sagte er Kreuzpaintner. „Deshalb darf ich deine Gesundheit nicht schädigen.“ Sprach's, und zerriss die Gutscheine vor Kreuzpaintners Augen.

    ONLINE-TIPP

    Bilder unter badkissingen.mainpost.de

    Truppenübungsplatz

    Für 9000 Soldaten und 1500 Pferde war der Truppenübungsplatz einst geplant. Das war zu Zeiten Adolf Hitlers. Gut ein Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er eingeweiht. In nur zwei Jahren waren rund 300 Gebäude aus dem Boden gestampft worden. 45 Jahre lang, bis 1994, wurde er von den US-Streitkräften genutzt. Als diese abzogen, ging er wieder ins Eigentum der Bundesrepublik Deutschland über. Heute arbeiten dort noch rund 180 Soldaten und Zivilisten: Jeweils rund 30 für die Verwaltung des Truppenübungsplatzes selbst und die Kommandatur sowie 120 für das Gefechtssimulationszentrum. Dazu gibt es Unterkünfte für maximal 2200 Soldaten bei Übungen und Lehrgängen. rp

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden