In politischen Ämtern sind deutlich mehr Männer als Frauen vertreten. Alleine im Landkreis Rhön-Grabfeld mit 37 Gemeinden gibt es mehr Michaels (7) als Frauen (4) im Bürgermeisteramt. Im Interview sprechen die beiden Bürgermeisterinnen von Schönau, Sonja Rahm (FW), und Sandberg, Sonja Reubelt (CSU), über die Stellung von Frauen in der Kommunalpolitik und was sich ändern muss.
Frage: Im Landkreis Rhön-Grabfeld gibt es 37 Gemeinden, aber nur vier Bürgermeisterinnen. Haben Sie die Hoffnung, dass es nach der Kommunalwahl am 8. März 2026 mehr werden – oder die Befürchtung, dass es noch weniger sind?
Sonja Reubelt: Ich würde mich freuen, wenn wir mehr werden.
Sonja Rahm: Wir wollen auf jeden Fall mehr werden. Die Zeit ist reif. Ich wünsche mir Kolleginnen, wobei das auch zweite und dritte Bürgermeisterinnen sein können.
Woran liegt es, dass so wenige Frauen kommunalpolitisch aktiv sind?
Reubelt: Das ist vielschichtig und auch kein Bürgermeisterthema. Wir haben generell zu wenige Gemeinde- und Stadträtinnen. Man muss es sich zutrauen können und das Umfeld muss stimmen.
Rahm: Es gibt immer noch ein gewisses Rollenverständnis, auch bei der Wählerschaft. Damit muss man umgehen und seine Stärken in den Vordergrund stellen.
Reubelt: Frauen sind sehr selbstkritisch und machen sich zu viele Gedanken im Vorfeld, ob sie es schaffen können.
Rahm: Dabei wächst man auch in ein Amt hinein. Das geht Männern ja auch so.
Frauen stehen sich selbst im Weg?
Rahm: Nein, es ist eine sehr gute Eigenschaft, besonnen zu sein und Dinge zu reflektieren. Ich glaube, dass Frauen Unterstützung und Zuspruch brauchen. Weil Frauen in den Ämtern eben noch nicht etabliert sind und kaum Vorbilder haben. Man muss noch mehr Mut haben.

Was braucht es noch?
Reubelt: Ein stabiles privates Umfeld. Ohne Freunde und Familie geht das nicht.
Rahm: Meine Kinder haben immer gesagt: 'Mama, mach das!'
Reubelt: Und Vorbilder sind ein auch wichtiges Thema. Deshalb sprechen wir auch darüber. Damit andere sehen, dass das kein Hexenwerk ist.
Gab es einen Moment, der Sie dazu bewogen hat, für das Amt zu kandidieren?
Reubelt: Ich war bereits drei Jahre im Gemeinderat und als sich die Chance geboten hat, dachte ich: jetzt oder nie! Ich wollte einfach zeigen, was ich kann. Verantwortung übernehmen und meine Gemeinde weiterentwickeln.
Rahm: Ich habe eine besondere Motivation. Ich habe erlebt, wie Kandidatenfindung gemacht wurde. Es gab ein paar Aktive, die einen Kandidaten ausdeuten, der dann automatisch wählbar war. Dieses System fand ich merkwürdig und wollte Alternativen aufzeigen.
Frauen tun einer lebendigen Demokratie gut?
Reubelt: Auf jeden Fall!
Rahm: Sie fordern auch einmal etwas heraus. Schließlich entscheidet der Wähler für das Wohl der Gemeinde.
Was bedeutet es für Sie, als Bürgermeisterinnen in einer männerdominierten Umgebung aktiv zu sein?
Rahm: Ich fühle mich immer noch als Exotin.
Reubelt: Wir hatten 2020 bei der Kreistagswahl für die CSU eine fast paritätisch besetzte Liste und damit auch Erfolg. Es macht sehr viel Spaß, dass viele Kolleginnen mitdiskutieren und so in einem gemischten Team ein sehr guter Austausch stattfinden kann.
Arbeiten gemischte Teams besser?
Rahm: Die verschiedenen Sichtweisen sind vielfältiger und dieses Abwägen, das Frauen einfordern, tut der Sache gut. Es werden verschiedene Bedürfnisse gesehen.
Reubelt: Der Umgangston ist besser. Frauen wollen etwas bewirken, gestalten und erreichen. Mir ist aber wichtig, dass man Frauen nicht auf die klassischen Frauenthemen Soziales und Familie reduziert.
Sie sind hier ein gutes Beispiel.
Reubelt: Ich selbst bin Juristin und Steuerberaterin und habe viel Wirtschaftskompetenz, die ich einbringen möchte. So geht es vielen Frauen. Sie können sich mit ihren Erfahrungen in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen einbringen.
Rahm: Und ich würde sagen, dass sie ihre Grenzen kennen und dann auch fachkundige Meinungen einholen. Sie maßen sich nicht an, alles zu wissen, sondern informieren sich.
Das hört sich jetzt so an, als wären Männer zu emotional?
Rahm: Nein, das ist nicht der Punkt. Ich bin emotional, weil ich für die Sache brenne und mich motivieren lasse. Aber die Frage ist, wie die Entscheidungsfindung läuft. Ich informiere mich und schlafe im Zweifel noch einmal darüber. Männer treffen eine Entscheidung oft mit einem 'Basta' aus dem Bauch heraus. Das ist der Unterschied.

Müssen Frauen fleißiger sein?
Reubelt: Leider ist es noch so. Innerhalb der Partei fallen noch Sätze wie 'Wir müssen erst einmal gute Frauen haben'. Aber nach guten Männern wird nicht gefragt.
Welche Schritte müssen unternommen werden, um die Situation von Frauen in der Kommunalpolitik zu verbessern?
Reubelt: Ganz wichtig ist die gegenseitige Unterstützung. Frauennetzwerke gibt es noch zu wenige.
Rahm: Frauen sind sehr solidarisch untereinander, ich erlebe kein Konkurrenzdenken. Ich profitiere in der Zusammenarbeit mit den Damen von CSU oder Grünen. Man kann nicht isoliert arbeiten, gerade das Amt der Bürgermeisterin lebt vom Austausch.
Der Austausch untereinander ist bereits da. Aber müssen in die Förderung von Frauen nicht Männer miteinbezogen werden?
Reubelt: Auch Männer können Mentoren sein.
Rahm: Manche Männer verstehen gar nicht, warum es immer noch diesen Unterschied gibt. Genau die würde ich gerne einbeziehen.
Reubelt: Egal, ob Bürgermeister oder Bürgermeisterin, jeder sollte ein Interesse daran haben, dass die Gesellschaft auch im Gemeinderat widergespiegelt wird. Rund 50 Prozent der Menschen sind nun mal Frauen und ein ausgeglichenes Verhältnis tut jedem Gremium gut.

Sie pflegen eine ungewöhnliche Freundschaft. Steht das Geschlecht über der Partei?
Reubelt: Wir gehören zwar unterschiedlichen Parteien an, aber bei uns spielt das keine Rolle.
Rahm: Wir haben eine Freundschaft und wunderbare Arbeitsbeziehung, weil wir uns sehr wertschätzen. Wir haben eine Motivation, die uns eint und trägt.
Aber diese Freundschaft hat auch schon zu Problemen geführt, oder?
Rahm: Unser guter Austausch hat die CSU mal sehr geärgert. Das hat zu einem Antrag auf Parteiausschluss gegen Sonja Reubelt geführt, weil ihr vorgeworfen wurde, dass ihre Unterstützung für mich über das normale Maß hinaus geht. Aber das war an den Haaren herbeigezogen. Unsere gute Verständigungsebene wirkte offensichtlich bedrohlich.
Reubelt: Der Gegenwind damals war schon extrem. Das hat 2020 ein Jahr lang geschwelt und war keine schöne Zeit. Ich hätte mir ein schnelleres Handeln seitens der CSU gewünscht, weil es ja wirklich hanebüchen war. Das Groteske: wir hatten keine Zusammenarbeit, wir verstehen uns halt menschlich gut.
Also, jetzt erst recht?
Rahm: Jetzt erst recht! Dass unsere Freundschaft bedrohlich wirkt, motiviert weiterzumachen und zusammenzuarbeiten. Das braucht auch der Landkreis.
Reubelt: Das ist auch ein Signal an andere Frauen. Natürlich wird es auch Widerstände geben. Trotzdem muss man sich treu bleiben und dranbleiben. Man hat ja Ziele. Wir machen das nicht des Ansehens wegen, sondern weil wir für unsere Bürger etwas erreichen wollen.
Was wäre Ihr Tipp für eine Frau, die sich engagieren möchte?
Reubelt: Nicht zweifeln, sondern sich trauen und einfach machen.
Rahm: Uns oder andere Kolleginnen einfach ansprechen. Man muss das nicht mit sich alleine ausmachen.
Sie haben dazu auch eine Veranstaltung angestoßen. Am 9. Mai findet in Wechterswinkel der Workshop "Mitgestalten mit Herz und Verstand – bin ich bereit für die Rolle?" statt.
Rahm: Die Idee kam von dem Projekt "Politik braucht Frauen". Ilona Sauer, Frauenbeauftragte des Landkreises, lädt jetzt dazu ein. Dabei geht es um die Motivation für das politische Engagement und die Fragen, die sich damit stellen. Wir wollen anderen Frauen den Boden bereiten.
Reubelt: Es geht nicht nur um das Netzwerken, sondern auch um inhaltlichen Input. Uns war es auch ein Anliegen, dass die Veranstaltung überparteilich ist. Man braucht keine Parteizugehörigkeit, um sich in der Kommunalpolitik zu engagieren.
Ihr Engagement hält an. Sie treten beide bei der nächsten Kommunalwahl wieder für das Bürgermeisterinnenamt an.
Rahm: Ja, das Amt ist eine ganz tolle Berufung. Der Gestaltungsraum und die Möglichkeiten etwas nach vorne zu bringen sind unendlich.
Reubelt: Auch ich trete wieder an. Ich habe noch so viele offene Projekte, die ich gerne zu Ende führen will.

Am 8. März 2026 werden nicht nur Bürgermeister neu gewählt. Ist es Zeit für eine Landrätin?
Reubelt: Zeit ist es auf jeden Fall!
Rahm: Vor allem für eine Änderung in der Gangart. Wir wurden auch beide schon von Bürgern gefragt, ob sie uns wählen können.
Reubelt: Ich habe mir schon Gedanken gemacht, mich um das Amt zu bewerben und traue mir das auch zu. Aber Sandberg hat für mich jetzt Priorität.
Rahm: Schade! Ich hätte dich auf jeden Fall unterstützt.
Die Bürgermeisterinnen im Landkreis Rhön-GrabfeldSonja Reubelt (46) ist seit 2017 ehrenamtliche Bürgermeisterin in Sandberg. Sie ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin mit eigener Kanzlei. Reubelt sitzt für die CSU auch im Kreistag. Sie ist verheiratet und hat verschiedene Ehrenämter inne.Sonja Rahm (47) ist seit 2020 hauptamtliche Bürgermeisterin in Schönau. Sie ist Rechtsanwaltsfachangestellte. Für die Freien Wähler sitzt sie im Kreistag. Daneben ist sie in verschiedenen Ehrenämtern engagiert. Rahm ist verheiratet und hat drei Kinder. Im Landkreis Rhön-Grabfeld gibt es noch zwei weitere ehrenamtliche Bürgermeisterinnen: Cornelia Dahinten (CSU) in Saal und Angelika Götz (CSU) in Sulzdorf.Quelle: jsc
In einer vorherigen Version des Textes stand, dass Sonja Rahm ehrenamtliche Bürgermeisterin ist. Sie ist jedoch hauptamtliche Bürgermeisterin in Schönau. Dieser Artikel wurde korrigiert.