„Klar sind unsere Stammgäste sehr traurig. Es ist für sie ein bitterer Moment“, sagt Bademeister Martin Voigt. Nach rund 38 Jahren Schwimmbetrieb hat das Wildfleckener Hallenbad seine Türen endgültig geschlossen. „Wir waren alle überrascht. Ich habe lange gehofft, dass es doch noch eine Zukunft für dieses Schwimmbad geben könnte“, gibt Voigt zu, der seit über zwanzig Jahren im Hallenbad arbeitet. Bis September 2015 hatte in der Marktgemeinde Optimismus geherrscht. Man wollte Grundschule, Turnhalle und Schwimmbad quasi im Gesamtpaket sanieren. Doch die geschätzten Kosten für das Projekt explodierten. Von 5,2 über 5,6 auf 7,9 Millionen Euro. Aus der Traum.
„Klar ist ein Schwimmbad immer ein Drauflege-Geschäft. Aber die Kostensteigerung für die Sanierung war nicht mehr zu verkraften“, sagt Bürgermeister Gerd Kleinhenz (PWW). „Nur daran ist unser Vorhaben gescheitert.“
Das Wildfleckener Hallenbad war mehr als ein Geheimtipp. „Man darf gar nicht daran denken, wie viele Kinder hier das Schwimmen gelernt haben“, sagt Voigt wehmütig. Bis zum letzten Tag herrschte reger Betrieb im Becken, das rund 280 000 Liter Wasser fasst. „In der ersten Ferienwoche war wieder einiges los. Die Öffnungszeit wurde bis zur letzten Minute genutzt.“ Auch wenn das Hallenbad jetzt geschlossen ist, wird das Wasser nicht sofort abgelassen. „Wir wollen die Restwärme nutzen, weil das übrige Gebäude ja noch genutzt wird“, erklärt Voigt.
Erst wenn das Wasser im Becken vollständig ausgekühlt ist, werden die Schleusen in einigen Wochen geöffnet. „Sobald das Becken dauerhaft leer ist, wird der Verfall automatisch beschleunigt. Es werden sich Risse und Spannungen bilden, das geht dann ganz schnell“, ist Voigt sicher, der das Hallenbad wie kaum ein anderer kennt.
Für den gelernten Kfz-Mechaniker war die Anstellung im Schwimmbad von Anfang an ein Traumjob. „Als ich 25 Jahre alt war, habe ich das Hallenbad übernommen. Der damalige Bürgermeister Walter Gutmann hat mich gefragt, ob ich mir das zutraue. Und ich habe diese Verantwortung auch nur tragen können, weil ich zuvor schon oft Aushilfe im Schwimmbad gemacht hatte.
Sonst hätte ich es mir vielleicht wirklich nicht zugetraut“, blickt Martin Voigt zurück. „Langweilig jedenfalls wurde es mir nie. Es gab handwerklich immer viele Aufgaben. Auch die Schwimmkurse waren eine tolle Herausforderung.“
Dem Wandel der Zeit trug Voigt stets Rechnung und passte sich an die Bedürfnisse der Schwimmbadbesucher an. So entwickelten sich Aqua-Fitness und Aqua-Jogging. Gerade bei den Senioren erfreute sich das Bad großer Beliebtheit. Rheuma-Liga und Bechterew-Gruppen zählten zu den Stammgästen. Woche für Woche.
Als vor knapp sechs Jahren die ersten dicken Fragezeichen über die Zukunft des in die Jahre gekommenen Hallenbades auftauchten, gründeten die Wildfleckener einen Förderverein. „Der hat uns über die letzten Jahre gerettet. Das war ungeheuer wichtig für das Hallenbad“, sagt Voigt. „Der Verein hat allein durch seine Öffentlichkeitsarbeit so viel bewirkt und einen positiven Schub gebracht.
Es gab noch Pläne
Sämtliche Aktionen haben das Hallenbad über Wildflecken hinaus ins Gespräch gebracht. Wir hatten zusammen noch so viel vor. Wir haben sogar davon geträumt, das Hallenbad an allen sieben Wochentagen zu öffnen. Mit unseren tollen Aushilfen hätte das auch gut funktioniert.“ Auch über eine Ausweitung des sportlichen Angebots hatte Voigt nachgedacht. „Man kann so ein Schwimmbad mit genügend Unterstützung fast rund um die Uhr öffnen, es findet sich immer eine Nutzergruppe.“
Doch aus all den Zukunftsplänen und Träumen wird nun nichts mehr. „Am Besucheraufkommen hat es definitiv nicht gelegen“, macht Kleinhenz deutlich. „Alleine die Sanierung ist der Knackpunkt.“ Vielen Schwimmbadbesuchern ist der Sanierungsbedarf gar nicht so gegenwärtig: „Das ist eben das Problem, dass die Schäden eher unter der Oberfläche liegen. Man muss schon ganz genau hinschauen oder sich mit Schwimmbädern auskennen, um das alles im Detail zu erkennen“, erklärt Voigt.
Die Schließung des Hallenbades betrifft natürlich auch die Schulen der Region. „Wir werden uns nach Haselbach orientieren“, sagt Kleinhenz. „Aber durch die Konzentration auf die wenigen verbliebenen Schwimmbäder, wird die Kapazität langsam knapp.“ Nach der Schließung des Hallenbades ist die Arbeit natürlich längst noch nicht getan. Möglichst viele Einrichtungsgegenstände sollen einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden. „Vereine oder andere Schwimmbäder können an die Gemeinde herantreten. Das meiste hier ist ja noch zu gebrauchen. Es wäre wirklich schade, wenn man es wegschmeißen müsste“, sagt Voigt. Denn schon in einigen Monaten soll das Schwimmbad mit der darüberliegenden Turnhalle abgerissen werden.
Ob das markante Fliesenkunstwerk an der Stirnseite des Hallenbades für die Nachwelt gesichert werden kann, steht derweil in den Sternen.
Erinnerung an viele Gesichter
Viele Badegäste der ersten Stunde sind in der Vorweihnachtszeit auf Abschiedsbesuch gekommen. Voigt kennt alle Stammgäste beim Namen. „Man erinnert sich an so viele Gesichter und Geschichten. Man hört von Schicksalen und denkt auch an die, die nicht mehr kommen können.“ Voigt macht kein Geheimnis daraus, dass ihm der Abschied von „seinem“ Bad schwer fällt. „Wenn die letzte Gruppe ihre Übungseinheit fertig hat, dann drehe ich den Schlüssel um und gehe nach Hause. Es ist ein bitterer Moment.“