Wenn es in der Heimat einen „Kraftort“ gibt, dann ist es der Kreuzberg. Zugegeben: Der „Heilige Berg der Franken“ ist kein Achttausender. Die Dammersfeldkuppe überragt ihn um 10 Zentimeter. Deshalb stellt er auch nur die zweithöchste Erhebung der bayerischen Rhön dar. Knapp daneben ist auch vorbei. Immerhin kann er mit der höchstgelegenen Rufbus-Haltestelle Frankens aufwarten.
Der Kreuzberg ist der Brennpunkt all jener Widersprüche, die so typisch für unsere Heimat sind. Hier trifft Technik auf Natur, Frömmigkeit auf Suff; Tradition auf Kommerz und Kunst auf Kitsch. Das Franziskanerkloster unterhalb des Gipfels war früher das spirituelle Zentrum der Region. Wenn nicht gerade eine Pandemie grassiert, zieht es noch heute Wallfahrer (m/w/d) an.
Der Heilige Franziskus, der Gründer des Bettelordens, predigte bekanntlich Armut und einen bewussten Umgang mit der Schöpfung. Trotzdem wurde im Jahr 1951 ein über 200 Meter hoher Sendemast am Gipfel aufgestellt, den man bei klarer Sicht von unserm schönen Industriestädtchen aus erkennen kann. Weder Vogelschützer noch Homöopathen erhoben damals Einwände.
In der Klosterbrauerei wird seit 1731 Bier gebraut, das unter versierten Trinkern Kultstatus genießt. Die Maß kostet aktuell sieben Euro. Das ermöglicht - ganz im franziskanischen Sinn - auch Menschen aus dem Niedriglohnsektor ein spirituelles Erlebnis beziehungsweise einen soliden Rausch. Nach Ansicht unseres Alt-Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU), einem Franken, stellen zwei Maß Bier im Hinblick auf Verkehrstauglichkeit ja „kein Problem“ dar, was viele Mountainbiker sehr freut. Vor allem „Downhill“.
Probleme bereiten dagegen einige dubiose Bauvorhaben, wie aus Leserbriefen der Heimatzeitung zu erfahren war. Da soll zum Beispiel mitten im sensiblen Biosphärenreservat eine dringend benötigte Straße gebaut werden, welche die Zufahrt für fünf Anwohner hinter dem Kloster erleichtern soll. Sicher, die enormen Kosten müssten wir Steuerzahler tragen. Und natürlich würde jede Menge Fläche versiegelt. Aber genau das stellen sich konservative Granden ja unter „ländlicher Entwicklung“ vor.
Freie Fahrt für freie Bürger. Immer noch mehr von der alten Medizin. Einer der Betroffenen, einer echten Ureinwohnerin, wurde der Bau eines kleinen Carports 40 Jahre lang nicht genehmigt. Aus Naturschutzgründen. Aber nur weil man die stattlichen Reitställe eines anderen Anwohners zügig durchgewunken hat, heißt das noch lange nicht, dass hier „Vitamin B“ im Spiel war.
Sicher, viele CSU-Granden verhalten sich Leistungsträgern gegenüber wohlwollend. Na und? Leistung soll sich schließlich lohnen. Wer hat, dem wird gegeben. Das hat nichts mit „Spezlwirtschaft“ oder „Amigos“ zu tun. Jedenfalls nicht immer. Und wer etwas anderes behauptet, lügt. Der pure Sozialneid. Das Motto der CSU lautet bekanntlich: „Leben und leben lassen“. Zum Wohl der Gemeinschaft.
Das gilt auch für die zweite „Problemzone“ am Kreuzberg, die beschauliche Osterburgsiedlung. Deren Erscheinungsbild war bisher von kleinen Häuschen geprägt. Jetzt sollen dort protzige Wohngebäude entstehen, was sich aufgrund der extremen Steillage problematisch gestaltet. Natürlich wittern ein paar Ökos schon wieder Waldzerstörung und Erdrutsche.
Aber mal Klartext: Laut Statistischem Landesamt wird Bischofsheim in den nächsten Jahren um 4,1 Prozent schrumpfen und dabei fast 200 Einwohner verlieren. Schon heute stehen in dem Rhönstädtchen viele Häuser leer. Nur eine konsequente Zersiedlung und ungebremster Flächenfraß können diesen Trend umkehren. Genau das verstehen unsere Granden unter „bewusstem Umgang mit der Schöpfung“. Bruder Franz würde staunen. Man muss sich das vorstellen.