Das Wörtchen „authentisch“ fällt an diesem Abend sehr oft: aus dem Munde des Kabarettisten und Laudators Helmut Schleich und aus dem Munde kundiger Menschen bei der Verleihung des Thüringer Kleinkunstpreises 2012 in Meiningen. Die Träger des mit 5555,55 Euro wohl dotierten Kabarettpreises, Theresa Loibl und Sebastian Daller, verwenden den Begriff nicht. Der Deutschreferendar Daller, nebenbei Gstanzlsänger, Kabarettist und Musiker, sagt höchstenfalls „Jo mei, dös, wo mir macha, is fei wohr.“
Nun ist das gemeinsame Programm „Wenn der Bierfahrer ins Schlammbad geht“, womit die beiden im vergangenen Jahr Publikum und Jury begeisterten, bereits Geschichte: Das Duo hat sich inzwischen getrennt. Und so haben die beiden jungen Niederbayern zum Festakt in den Kammerspielen ihre neuen Spielgefährten mitgebracht, samt Tuba, Akkordeon und Geige.
Laudator Helmut Schleich, in dessen „Schleich-Fernsehen“ im BR Daller regelmäßig zu Gast ist, hält eine launige Rede auf die beiden und gleichzeitig eine kleine Hymne auf die Gstanzl, den vierzeiligen alpenländischen Spottgesang, mit dem kurz und schmerzhaft mit dem Maul des Volkes dem Volk aufs Maul geschaut wird. Wenn die Gstanzl gut sind, sind sie rotzfrech und treffen punktgenau im Umfeld der Gürtellinie. „Das Leben ist viel zu böse, als dass man auf der Bühne lügen müsste“, sagt Schleich und gibt die Bühne frei für gleich zwei Vorstellungen.
Sebastian Daller (Gesang, Akkordeon), Sophie Meier-Rastl (Geige) und Sebastian Meier (Tuba) spielen das Preisprogramm voller Inbrunst, Witz, Biss und Reminiszenzen an Dallers Großvater: „Je bleeder dass'd bist, umso gscheiter musst daherredn.“ Die Klarinettistin Theresa Loibl bringt, zusammen mit Maxi Pongratz (Akkordeon), Gurdan Thomas (Tuba) und der Kunst der Improvisation die Töne und Rhythmen so zum Schwingen, dass man glaubt, altbayerische Zwiefache, Balkanfolk und Klezmer mit einem Unterton Bach und Wagner zu hören.
Diese Musik schreit nach Tanzboden, zumindest nach Wirtshaussaal, inklusive Bierdunst und Tabakrauchschwaden. Wenn dazu noch die hinterfotzigen Gstanzl mit Dallers angekratzter, aber lautstarker Stimme die Kammerspiele bis in den letzten Winkel füllen, dann wünscht man sich, dass zumindest der frischgebackene Meininger Bürgermeister Fabian Giesder, das Organisationskomitee und die Sponsoren von der Sparkassen-Kulturstiftung in Dirndl und Lederhosen die wohlgeordnete Stimmung aufmischten. Schließlich hat sich der Weißwurstäquator dank Biermösl Blosn und Polt in den vergangenen Jahrzehnten unglaublich weit nach Norden verschoben. Der junge Nachzügler Daller erreichte immerhin schon Halle. Meiningen ist sein zweiter nordischer Vorposten.
Der Preis gibt Hoffnung auf weitere Bajuwarisierung des thüringischen Humors. Vielleicht wird ja bald die Idee des Meininger Theaterintendanten Ansgar Haag verwirklicht und die festgeschraubte Sitzordnung in den Kammerspielen aufgelöst. Dann wäre der Wirtshaussaal ein Stück näher gerückt und wir könnten nach Schnadahüpflpräludien die Meininger Verhältnisse durch die Bierkrüge ziehen. Wenn Daller sagt, es passiere in seinem Dorf täglich so viel, dass er bis zum Lebensende genug Stoff für seine Gstanzl habe, reicht's in Meiningen mindestens für drei Leben.