Im vergangenen Jahr handelte eine Serie von den lokalen Geschehnissen beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. In einer weiteren, siebenteiligen Serie beschäftigt sich Kreisheimatpfleger Reinhold Albert mit den Auswirkungen des Krieges im Jahr 1915.
Mit Schreiben vom 4. November 1914 war von den Bezirksämtern in Neustadt, Mellrichstadt und Königshofen angeregt worden, interessierte Personen zu beauftragen, die Kriegsereignisse in den Gemeinden zu sammeln und aufzuschreiben. Die meisten Aufzeichnungen gingen verloren. Einige Manuskripte blieben jedoch erhalten. Sie bilden neben den Heimatzeitungen und Aufzeichnungen in Ortschroniken die Grundlage der Beiträge über den Ersten Weltkrieg.
1915 richtete man sich in Deutschland auf eine längere Kriegsdauer ein. Zum Beispiel mit der Einführung der Zwangswirtschaft. Zunächst wurde vom 25. Januar bis 1. Februar im ganzen Reich eine Bestandsaufnahme des Getreides gemacht und das Verfüttern von Brotgetreide verboten. Jeder Bauer hatte die lagernde Menge Brotgetreide, Roggen, Weizen und Gemang, dazu Mehl anzumelden. Wer falsche Angaben machte, wurde mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. Viele Leute buken schnell noch vor dem 1. Februar, damit dieses Mehl nicht mit angemeldet werden musste.
Bis zur Aufstellung des ersten Verteilungsplans sollte jeder Verband dafür sorgen, dass in seinem Bezirk nicht mehr als 225 Gramm Mehl pro Kopf verbraucht werden. Die Verantwortlichen hatten berechnet, dass pro Kopf 225 Gramm Mehl oder ein halbes Pfund Brot pro Tag ausreichen. Das war sehr wenig, die Menschen konnten sich nicht mehr richtig satt essen. Also aß man mehr Kartoffeln, damit das Brot geschont wurde und man im Sommer, wenn die Kartoffeln nicht mehr zu genießen waren, ein Stückchen Brot zum Essen hatte.
Bereits im Februar 1915 begann die Reichsverteilungsstelle mit der Brotrationierung. Dem Mehl wurde nun eine vorgeschriebene Menge Kartoffelzusatz beigegeben. Bestimmte Backwaren, wie Faschingskrapfen durften überhaupt nicht mehr gebacken werden. Im Februar begann man auch in den Gemeinden vom Verein für wirtschaftliche Frauenschulen auf dem Lande Kriegskochkurse zu halten, „...wobei die Herstellung einer ganz einfachen Kost gelehrt werden soll.“ Mit Rücksicht auf die Kriegsverhältnisse setzte man den Ladenschluss ab April auch im Sommer von 21 Uhr auf 20 Uhr herab.
Allmählich musste man auch im Bauerndorf an Lebensmitteln sparen. Das traf allerdings die Familien der Kleinbauern und Landarbeiter nicht gar so sehr, weil man da an üppiges Leben sowieso nicht gewöhnt war. Bitterer war es schon, den Verwandten in der Stadt nicht so beistehen zu können, wie man gewollt hätte.
Im Bereich des jeweiligen Bezirksamts hatte jeder Kommunalverband eigene Brot- und Fleischmarken, die nur dort für einen Monat gültig waren. Den Reiseverkehr erleichterten Reise- oder Landbrotmarken, weil diese im ganzen Reichsgebiet verwendet werden durften. Ab dem 8. März wurden im Bezirk Neustadt erste Brot- und Mehlkarten für Selbstversorger ausgegeben. Für Schwerarbeiter gab es Zulagen. Bezirksamtmann von Crailsheim verteidigte die Einführung mit dem Hinweis auf Abwehr einer Hungerperiode.
Am 26. März wurden im Bezirk Königshofen Brotkarten für Nichtselbstversorger verteilt. Pro Kopf und Tag durfte nicht mehr als 250 Gramm Brot oder 200 Gramm Mehl verbraucht werden. Unter Brotmehl mussten 30 Prozent Kartoffeln, unter Weizenmehl 30 Prozent Roggenmehl gemengt werden. Das Kuchenbacken wurde verboten. Die Bäcker durften ohne Brotkarte kein Brot verkaufen. Brauchten Bauern oder Handwerker Hilfskräfte, mussten diese ihr Brot selbst mitbringen. Der Burgläurer Chronist vermerkte jedoch: „Wurde alles nicht so genau befolgt.“
Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe drohte ein Gesetz demjenigen der Brot- oder Fleischmarken an einen Unberechtigten abgab oder die Marken auf unrechtmäßige Weise erworben hatte, Ebenso wurde bestraft, wer Brot, Fleisch oder Fleischwaren, Wild, Geflügel oder Kaninchen ohne Marken abgab oder der als Verbraucher die genannten Gegenstände so erwarb.