Nach 14 Jahren Bürgerkrieg in Syrien ging es in den vergangenen Tagen ganz schnell: Das Assad-Regime wurde gestürzt. Nicht nur in dem vom Regime gebeutelten Land, sondern weltweit atmen Syrerinnen und Syrer nun auf. Auch in Unterfranken freuen sich die Menschen.
Dr. Hassan Soda lebt zusammen mit seiner Frau Nagham seit 24 Jahren in Deutschland. Beide arbeiten seit 2001 am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). Er ist Chefarzt der Klinik für Akutneurologie/Stroke Unit und neurologische Intensivmedizin, sie Ärztliche Leiterin der Ernährungspraxis. Im Interview spricht er über die Lage in ihrem Heimatland Syrien.
Frage: Wie geht es Ihnen nach dem Sturz des Assad-Regimes?
Dr. Hassan Soda: Wir sind alle zufrieden, alle Syrer und die ganze Welt! Die Assad-Familie hat 54 Jahre geherrscht und diese waren für das syrische Volk keine schöne Zeit.
Sie haben im Jahr 2000 Syrien verlassen. Waren die politischen Umstände der Grund dafür?
Soda: Nein. Ich habe in Damaskus Medizin studiert und wollte in Deutschland meine Weiterbildung zum Facharzt machen.
Das syrische Volk feiert den Untergang des Regimes gerade weltweit. Versteht Ihr Umfeld in der Rhön, wie Sie sich gerade fühlen?
Soda: Ich bekomme aktuell viele Nachfragen, wie es den Syrern geht und was nun passieren wird. Alle haben Angst vor der Nachfolge. Aktuell freuen wir uns einfach. Das syrische Volk atmet nach Jahrzehnten Regimeherrschaft wieder auf! Was hinterher kommt, müssen wir abwarten. Aber es ist auf jeden Fall besser als das Assad-Regime.

Haben Sie Kontakt nach Syrien?
Soda: Ja, meine Familie wohnt weiterhin in Syrien. Wir stehen in Dauerkontakt mit ihnen, weil es in den letzten Tagen unklar war, wie es weitergeht. Gibt es Krieg? Sind sie in Lebensgefahr? Gott sei Dank ist alles friedlich gelaufen. Wir sind froh, dass kein einziges Familienmitglied verletzt ist. Allen geht es sehr gut.
Der Bürgerkrieg hat lange gedauert, jetzt ging es ganz schnell. Hat Sie das auch überrascht?
Soda: Wir waren alle überrascht, weil das syrische Volk 14 Jahre um die Freiheit gekämpft hat und in der vergangenen Woche ging alles ganz schnell. Es war nicht nur eine Region in Syrien beteiligt, sondern alle.
Wie schätzen Sie die Situation ein? Wie geht es nun weiter – und wie schnell?
Soda: Das syrische Volk ist sehr modern. Ich bin in Damaskus geboren, wo wir alle gemeinsam gelebt haben. Ob das Christen oder Muslime waren. Wir waren alle wie Bruder und Schwester. Diese Toleranz in Syrien ist sehr wichtig und das wird so bleiben. Wir waren über 50 Jahre unter der Assad-Familie. Der Wechsel wird schwer und es braucht Zeit. Aber ich glaube, dass es ein modernes Syrien geben wird. Ohne Diktator.
In Deutschland wurde schnell von Abschiebungen von Menschen aus Syrien gesprochen, laufende Asylverfahren sind gestoppt. Was sagen Sie zu dieser politischen Debatte, die momentan geführt wird?
Soda: Ich war überrascht. Das syrische Volk hat sich noch nicht einmal 24 Stunden gefreut, als diese Entscheidung getroffen wurde. Ich glaube, dass wir zuerst dem syrischen Volk gratulieren müssen und danach entscheiden müssen, wie es für Syrer hier weitergeht. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den vergangenen Tagen hunderttausende Syrer aus der Türkei und dem Libanon von alleine dorthin zurückgekehrt sind.
Man muss das also differenziert sehen?
Soda: Das Thema sollte nicht so diskutiert werden, dass nun einfach alle dorthin zurückgeschickt werden. Man muss abwarten, wie sich die Lage entwickelt und dann entscheiden. Man muss auch sagen, dass die eine Million Syrer, die in den vergangenen fünf bis zehn Jahren nach Deutschland kamen, in der Regel gut in unserer Gesellschaft integriert sind und hier arbeiten. Ich kenne viele Beispiele von Ärzten. Daneben arbeiten Syrerinnen und Syrer als Pflegekräfte, Reinigungspersonal, Techniker und in vielen anderen Berufen. Das darf man nicht plötzlich vergessen. Wir müssen an die Zukunft denken, denn viele von ihnen überlegen zurückzugehen.
Überlegen Sie und Ihre Frau auch zurück nach Syrien zu gehen?
Soda: Ich habe die Hälfte meines Lebens in Deutschland verbracht, 2009 wurden wir eingebürgert. Wir wohnen in Bad Neustadt, unsere beiden Töchter waren in Münnerstadt auf dem Gymnasium und studieren jetzt in Berlin und München Medizin. Momentan zurück nach Syrien zu gehen, kommt nicht infrage. Sie sind hier geboren. Ihre Heimat ist Deutschland.
Was ist für Sie Heimat?
Soda: Ich habe zwei. Meine alte Heimat ist Syrien, meine neue ist Deutschland. Natürlich vermisse ich Syrien, aber hier sind meine Familie, meine Freunde und meine Arbeit. Wir sind 2000 nach Hamburg gekommen und leben seit 2001 in Bad Neustadt. Die Rhön ist unser Zuhause.