Mit Holzschuhen, Nachtwächter-Anzug, Lampe und einem so genannten Helmbeil erscheint der Nachtwächter punkt 20 Uhr am Treffpunkt am Rathaus. „Hört ihr Leut und lasst euch sagen, unsere Uhr hat acht geschlagen. Bewahrt das Feuer und das Licht, dass niemand was geschieht. Lobet den Herrn!“, lautete zu früheren Zeiten ein Spruch des Nachtwächters – zu jeder vollen Stunde hatte er eine kleine Rede parat. Der heutige Nachtwächter Maik Prozeller macht dies natürlich ebenso.
Im Lampenschein führt er die Besucherschar an die Örtlichkeiten, die schon früher für den Nachtwächter interessant waren. Dies waren hauptsächlich die Orte, von denen man früher nicht auf offener Straße zu sprechen wagte, die in der Nacht verrucht waren. Erste Station ist demzufolge das „Narrenhäuschen“, wo früher alle hingebracht wurden, die über den Durst getrunken hatten.
Ominös auch die Geschichte vom „Osttor“, dem damaligen Prangerplatz, wo einst Leute angekettet wurden, die Felddiebstahl, sogenannte Feldmauserei, begangen hatten. Um die Ecke des Rathauses herum ist ein „Hungerbrot“ an die Wand gemeißelt, dessen Größe in schlechten Zeiten für zehn Tage ausreichen musste. Gleich auf der anderen Seite soll das „Hungergesicht“ am Gemäuer bildlich auf eine Hungersnot hinweisen.
Mit der Lampe bei Nacht
Der Nachtwächter führt die Gruppe an den beiden Ostheimer Brunnen, der „Münz“, dem Hanstein'schen Schloss vorbei weiter in die Ostheimer Altstadt hinein. Durch kleine, gepflasterte Gassen und dicht gebaute Häuser geht der Weg weiter – voran der Nachtwächter mit seiner Lampe. Ist die Dämmerung der Nacht gewichen, kommt der Glanz der beleuchteten Kirchenburg voll zur Geltung, an der nun die Route vorbeiführt.
Ein Denkmal von nationaler Bedeutung ist das Bauwerk, und Maik Prozeller lässt verlauten, dass Teile des alten Gemäuers derzeit restauriert und dafür Gelder locker gemacht werden. Was den Nachtwächter und seine Gefolgschaft aber natürlich am meisten interessiert, ist der „Nachtwächterturm“. Hier war einst des Nachtwächters kleine Wach- und auch Wohnstube. Allgemein, erzählt Prozeller, waren die Nachtwächter früher arme Leute, so dass sie sich tagsüber mit anderen Arbeiten wie zum beispiel Schafe hüten ein Zubrot verdienen mussten.
Auf zur „Schleichwache“
Die Nachtwache in Ostheim war in drei verschiedenen Trupps organisiert. Zum einen die „Schleichwache“, die alle Männer der Stadt im Alter von 18 bis 65 Jahren zwei- bis dreimal im Jahr übernehmen mussten. Die „Scharwache“ dagegen bestand aus Leuten mit „ehrbarem Ruf“, die unter anderem die Aufgabe hatten, die Schleichwachen zu kontrollieren. So galt zum Beispiel das Gebot, sich nicht länger als eine Viertelstunde in Wirtshäusern oder Braustuben aufzuhalten. Und schließlich die „Nachtwächter“, die um Mitternacht Schichtwechsel betrieben und zahlreiche Aufgaben hatten.
Zum Beispiel musste der Nachtwächter so manchen, der um 3 Uhr früh aus den Federn musste, wecken, durfte Kranken und Schwachen „erbauliche Verse“ singen oder das Glockengeläut bei einem Feuer in die Wege leiten. Apropos Feuer: Das Helmbeil, das der Nachtwächter stets bei sich trug, stellte nicht nur ein Mittel der Verteidigung, sondern auch einen Haken dar, der Wertgegenstände aus dem Feuer ziehen kann.
Maik Prozeller als Nachtwächter wartet bei dieser Tour nicht nur mit einem Gedicht im Ostheimer Dialekt von Uli Gensler auf, sondern bläst zusammen mit einem Bub in das „Nachtwächter-Horn“ zur vollen Stunde. Ja, wenn die Glocke 21 Uhr schlägt, tut der Nachtwächter dies wieder kund, sagt seinen Spruch auf und verkündet zudem, dass sich der Rundgang dem Ende neigt.
Im Blickpunkt
Ostheimer Nachtwächter-Tour Allen Beteiligten hat die Veranstaltung sehr viel Spaß gemacht. Zumal die Informationen leicht verdaulich aufbereitet werden. Die Tourist-Info, Tel. (0 97 77) 18 50, bietet vier verschiedene Touren mit dem Nachtwächter durch Ostheim an.