Die Krisen der Welt stellen Herausforderungen in vielen Lebensbereichen dar. "Weiter so" geht nicht mehr. Genau deshalb stellte Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann eine Informationstour durch den Landkreis Rhön-Grabfeld unter das Motto "Zukunftsfähige Land- und Forstwirtschaft – heute schon an morgen denken" stellte.
An vier Beispielen erfuhr der Gast, wie tatkräftige Akteure in ihren Bereichen mit dem Thema umgehen. Dass aber zukunftsorientiertes Handeln auch mit Rückschlägen und Hindernissen verbunden sein kann, erlebte die begleitende Delegation ebenfalls.
Rückschläge nach kurzer Zeit
Ein besonders komplexes Projekt stellt die Biogasanlage auf dem Gelände der Müllumladestation des Landkreises in Herbstadt dar. Der Ausgangspunkt für die Planung war unter anderem die Verwertung der braunen Tonne und des Grüngutmaterials der Abfallentsorgung des Landkreises, erklärt Mathias Klöffel, Geschäftsführer der Agrokraft. Agrokraft betreibt die Anlage, an der unter anderem 20 Kommunen aus dem Landkreis und zahlreiche Landwirte beteiligt sind. Nach einer längeren Planungsphase wurde 2020 der Betrieb aufgenommen.
Schon gut ein Jahr nach dem Start mussten sich die Betreiber von der Verwertung des Biomülls und des Grünguts jedoch verabschieden, berichtet Klöffel. Gerade in den braunen Tonnen waren so viele Fremdstoffe, dass schon nach kurzen Betriebszeit erste Rohre nahezu verstopft gewesen seien und sich in den Gärbehältern ein nicht verwertbarer Bodensatz angelagert habe. Ebenso sei die Aufbereitungstechnik nicht in der Lage gewesen, das Grüngut bedarfsgerecht zu verarbeiten. Darüber hinaus fiel wegen Corona die Gastronomie als Lieferant von Speiseresten aus.
Ressourcen und Umwelt schonen
In dieser Situation wandten sich die Betreiber an die Lebensmittelindustrie und -handel. So werden jetzt als Substrat abgelaufene Lebensmittel, Fehlchargen, Abfälle aus Molkereien und Speisereste aus einem Umkreis von etwa 100 Kilometer verarbeitet. Die Inhalte der braunen Tonne werden indes in einer Kompostieranlage in Thüringen verwertet.
Das Biogas betreibt zwei Blockheizkraftwerke, die bis zu 5,4 Millionen kWh Strom erzeugen. Das reicht für die Versorgung von 1200 Haushalten aus. Außerdem fallen pro Jahr 10.000 Tonnen hochwertiger Dünger für die Landwirtschaft an. Die Anlage nimmt damit einen zentralen Platz in einem Kreislaufprozess ein, der Ressourcen und die Umwelt schont. Eine Einspeisung ins Erdgasnetz ist noch nicht vorgesehen, kann aber bei weiteren Investitionen bewerkstelligt werden. Der Strom kann flexibel produziert werden, so dass Biogasanlagen in das Versorgungssystem von Wind- und Sonnenstrom passen.
Weiter machen oder kapitulieren?
Bei der nächsten Station mündete die Herausforderung der Zukunft in der Frage: Weiter machen oder kapitulieren? Die Familie Fischer aus Bad Königshofen entschied sich für eine Lösung dazwischen. Seit mehreren Generationen betreibt die Familie Landwirtschaft, zuerst in einem Hof in der Stadt, nach der Aussiedlung in den 1970er Jahren im Außenbereich. Bei dem Standortwechsel wurde ein größere Kuhstall errichtet, zwei weitere folgten später.

Inzwischen haben sich die Vorzeichen jedoch verändert. Die Milchproduktion war kaum noch rentabel, berichten Vater Anton und Sohn Markus Fischer. Zuletzt sei die Arbeit mit rund 70 Milchkühen kaum noch zu stemmen gewesen, erst recht wenn ein Familienmitglied etwa wegen Krankheit ausfiel.
Da der Sohn, der inzwischen die Betriebsführung übernommen hat, die Viehhaltung aber nicht aufgeben wollte, entschied sich die Familie für einen Wechsel zur Rindermast. Sie erfordert weit weniger Aufwand. Da außerdem der Sohn eine Haltung auf Stroh wollte, fiel die Entscheidung für den Bau eines neuen Stalles.
Tradition erhalten
"Es ist traurig, dass hier selbst große Betriebe aufgeben". Er kenne den Fall einer bayerischen Molkerei, die keinen Liter Milch mehr aus dem Freistaat verarbeitet, fährt Anton Fischer fort. Kreisbäuerin Margit Ziegler ist froh über die Entscheidung der Familie, denn dadurch bleibe ein Stück landwirtschaftliche Tradition erhalten. "Es wird immer schwieriger, Landwirtschaft den Menschen zu vermitteln, wenn die Betriebe verschwinden".
Während auf dem Hof der Fischers eine Familie ihre Existenz bestreitet, tat sich zur Umsetzung eines Projekts in der unmittelbaren Nachbarschaft eine ganze Gemeinschaft von Akteuren zusammen. Die Biogasanlage der Agrokraft sei ein Ergebnis einer engen Kooperation von Landwirten und der Stadt, erklärt Bad Königshofens Bürgermeister Thomas Helbling. Mit dem Aufbau eines Nahwärmenetzes sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entstanden, die jetzt schon 16 Jahre funktioniere. Darüber hinaus werde mit dem angeschlossenen Blühwiesen-Projekt eine ökologische Alternative zur Maisverwertung aufgezeigt, ergänzt Michael Diestel, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands.

Am vierten Halt bei Reyersbach ging es um Waldflurbereinigung, die in dem Bastheimer Ortsteil inzwischen abgeschlossen ist. 20 Jahre dauerte das Verfahren, in dem 1539 zu 294 Grundstücken zusammengefasst wurden. Die Nachfrage zur Durchführung solcher Verfahren sei so groß, dass die Wartezeit inzwischen bei acht Jahren liegen soll.
Größere Einheiten seien aber dringend nötig, um den Waldumbau als Reaktion auf den Klimawandel voranzubringen, betont Hubert Türich, Abteilungsleiter beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Mit Besitzern von Kleinstparzellen sei das Vorhaben kaum zu bewerkstelligen. Das Verfahren in Reyersbach sei dagegen vorbildlich gelaufen. So konnte beispielsweise zur Borkenkäferbekämpfung eine Sammeldurchforstung initiiert werden. Den Teilnehmern können sich zudem von einem Fachmann einen Pflegeplan erarbeiten lassen. Um solche Verfahren umzusetzen, werde jedoch Personal benötigt, gibt der Forstmann dem Regierungspräsidenten mit auf dem Weg.
Das Fazit von Oliver Kröner, Organisator der Tour und Behördenleiter des AELF: Man habe einen guten Eindruck von erfolgreicher Netzwerkarbeit vermittelt. Nur durch enge Zusammenarbeit von unterschiedlichsten Akteuren seien die präsentierten Projekte möglich.

