Au ja! Eine gute Idee: Kleine Kinder für die zu Oper zu begeistern, damit sie als Erwachsene mit Tränen der Rührung in den Augen Mimìs Schwanengesang aus "La Bohème" lauschen und sich, ganz nebenbei, mit Wehmut an ihren ersten Opernbesuch erinnern.
Das ist nicht die leichteste Aufgabe in einem Zeitalter, in dem Künstliche Intelligenz täuschend echt die ergreifendsten Arien intoniert. Gerade deshalb ist das leibhaftige musikalische Angebot eines Theaters für die Kleinen so wichtig.
So wie man es zurzeit am Staatstheater Meiningen erleben kann, wenn man eines Morgens kurz vor zehn die Treppen zum dritten Rang erklimmt und sich dort oben im kleinen Zwischenraum niederlässt, auf Stühlen oder Kissen, um sich "Hexe Hillary geht in die Oper" anzuschauen, eine Mini-Kinderoper des Regisseurs und Autors Peter Lund.
Im Dritten Rang geht es richtig kunterbunt zu
Dort oben im dritten Rang geht es richtig kunterbunt zu, abseits von den honorigen Gemächern ein paar Stockwerke tiefer. Die Bühne ist in dieser Inszenierung von Freya Gölitz – die zusammen mit Julia Terwald die Geschichte bearbeitete -, die Bühne ist so etwas wie eine gemütliche Patchworkwohnung der neugierigen Hexe, in der sie mit ihrer Hausmaus Willy lebt.
Helge Ullmann hat die Szenerie liebevoll chaotisch eingerichtet und ihr sogar eine winzige Theaterbühne mit Vorhang beigesellt. Zoé Wagner hat die Kostüme entworfen, in die die beiden Darstellerinnen schlüpfen: die Regisseurin (für die erkrankte Sopranistin Monika Reinhard) als farbenfrohe Hexe Hillary und die Mezzosopranistin Marianne Schechtel als Opernsängerin, die gerade Puccinis Oper "Madama Butterfly" entsprungen scheint. Am Klavier werden die beiden von Virginia Breitenstein begleitet.

Maria Bellacanta singt mit Herz und Seele
Welch Freude! Die Hexe hat bei einem Radiosender zwei Freikarten für die Oper gewonnen. Sie zaubert sich die Opernsängerin Maria Bellacanta herbei, die der Ahnungslosen – und damit auch den Kindern – in einfachen Worten, aber mit Witz und großem Gestus erzählt, was das ist: Oper, Singen, Geschichten erzählen, Gefühle ausdrücken etc.
Und weil Hillary so neugierig ist, singt sich Maria Bellacanta mit Herz und Seele und Stimme die Arien aus dem Leibe, bis der Hexe die Tränen kommen. Trauer, Wut, Freude, ja sogar Müdigkeit beim Schlaflied aus Humperdincks Oper "Hänsel und Gretel" lassen sich so hervorkitzeln. Ob der Taktstock des Dirigenten Zauberkräfte besitzt, ist natürlich auch eine geheimnisvolle Geschichte, genauso wie die Magie des Augenblicks, bevor sich der Vorhang öffnet und die Vorstellung beginnt.
Das alles kommt witzig und flott daher, zeitweise auch etwas betulich und zu absichtlich erzieherisch. Um den Zauber einer Oper in einer Geschichte für Kinder von Kopf bis Fuß lebendig werden zu lassen, braucht es weniger Erklärungen als vielmehr eine Atmosphäre, in die die Kleinen (und auch die Großen) eintauchen und zum Luft holen nach Belieben wieder auftauchen können.
Allen, die von Hexe Hillary und Maria Bellacanta angezaubert wurden, ist als weiterführendes Abenteuer eine der ungewöhnlichsten Operninszenierungen für Kinder zu empfehlen, die auf YouTube zu sehen ist: Mozarts "Zauberflöte", geprobt und in Szene gesetzt vom Puppenensemble der beliebten NDR-Kindersendung aus den 1980er Jahren, "Hallo Spencer". Spätestens der Auftritt von Jungdrache Poldi als Papageno wird Hexe Hillary endgültig zum Opernfan machen.
Nächste Vorstellungen im Dritten Rang: 4., 9., 10., 17., 28. Januar, 27. Februar. Kartentelefon: 03693-451 222. www.staatstheater-meiningen.de