Bei aller Liebe für klassische Klavierkonzerte in abgedunkelten Sälen und in respektvoll andächtiger Atmosphäre: Manchmal fragt man sich als Zuhörer schon, ob der Virtuose zu Hause heimlich seinen Flügel bearbeitet, um ihm ganz andere Töne zu entlocken als die erhabenen. Ob er/sie da nicht plötzlich von einem Klavierkonzert Beethovens zu einem Jazzstück von Nat King Cole wechselt oder frei improvisiert und zur Unterstützung einen Milchaufschäumer benützt oder sogar kopfunter rückwärts liegend die Tasten bearbeitet.
Blödsinn? Nein. Konzertalltag bei zwei außergewöhnlichen Pianistinnen, die dafür am Samstagabend im Rahmen der Meininger Kleinkunsttage in den Kammerspielen den begehrten Thüringer Kleinkunstpreis entgegennehmen durften.
Die gebürtige Würzburgerin Jennifer Rüth und die Weimarerin Anne Folger fanden sich vor einigen Jahren zum Duo „Queenz of Piano“ zusammen und touren augenblicklich mit ihrem dritten Programm „Tastenspiele“ durchs Land. Im vergangenen Jahr überzeugten sie mit ihrer schrägen Performance Jury und Publikum der Meininger Kleinkunsttage. Jetzt durften sie den von der regionalen Sparkasse und der thüringisch-hessischen Sparkassenkulturstiftung gesponserten Preis in Höhe von 5555,55 Euro und einen augenzwinkernden Georg-II.
-Charakterkopf entgegennehmen, bevor sie das Publikum auf ihre Entdeckungsreise in erstaunliche Sphären der Tastenkunst mitnahmen. In Sphären, die sich sowohl über Kontinente erstreckten als auch über die unterschiedlichsten Welten der Musik – von Vivaldi über Schubert und Liszt, bis zum Tango Argentino und den Sehnsuchtsorten, die einst die „Glorreichen Sieben“ zur Musik von Elmer Bernstein durchritten.
Es ist ein Parforce-Ritt durch sämtliche Genres der Musik, den die beiden Künstlerinnen an zwei Flügeln mit- und manchmal auch mit Freude gegeneinander hinlegen. Zwischen ihren teils akrobatisch dargebotenen musikalischen Kunststückchen moderieren sich die Queenz mit kleinen kabarettistischen Einlagen durchs Programm, die meist zur Rhythmik der Reise passen, sich manchmal aber auch anhören, als seien sie der Animationsmottenkiste entsprungen. Eine stringendere Regie und Dramaturgie würden das Problem locker lösen. Aber was bedeutet schon dieser Mangel, wenn man sieht und hört, mit welcher Virtuosität, Leidenschaft und Fantasie, mit welchem Witz die beiden nicht nur Kontinente überspringen, sondern auch Konventionen.
Kann man aus einem Klavier eine spanische Gitarre, eine alpenländische Zither oder eine karibische Bongotrommel machen? Selbstverständlich. Kann der Plastikdeckel einer Erdnussdose die „Glorreichen Sieben“ atmosphärisch unterstützen? Mit links. Lässt sich Mozarts Türkischer Marsch energiesparend reduzieren und gleich danach verschwenderisch verswingen? Aber sicher. Lässt sich Mendelssohn-Bartholdys Hochzeitsmarsch zum Trauermarsch umgestalten? Mit Vergnügen. Und kann frau eine „Piano Battle“ gewinnen, in der Billy Joels „In every heart there is a room“ mit Gershwins „I got rhythm“ die Tasten kreuzt und es bei Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2 drunter und drüber geht, bis eine Holzleiste am Flügel vor Erregung abbricht und die beiden „Klimperinnen“ (Selbstzuschreibung) schnell zum Bauernhochzeitsgstanzl wechseln und von dort aus zum griechischen Sirtaki flüchten? Frau kann.
Da möchte man doch wirklich Klavier spielen können, sein Instrument im Handgepäck verstauen und die Menschheit querfeldein, sitzend, stehend und liegend beglücken. Viva la musica!
Das Programm der 24. Meininger Kleinkunsttage geht bis zum 24. September. Neben einer Reihe junger Talente treten unter anderem Pigor & Eichhorn auf, Max Uthoff, Christoph Maria Herbst, Günter Grünwald, das Düsseldorfer Kom(m)ödchen und Lisa Fitz. www.meininger-kleinkunsttage.de