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TRAPPSTADT: Marcus Goldmann und der amerikanische Traum

TRAPPSTADT

Marcus Goldmann und der amerikanische Traum

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    Sabina Lietzmann erwähnt in ihrem Artikel „Juden in New York“ einen „Marcus Goldmann aus Burgpreppach“, der wie andere junge jüdische Einwanderer aus Deutschland in Amerika zu Wohlstand und Ansehen gelangte und bis heute im Bankwesen ein Begriff ist.

    Katja Behling schreibt in ihrem Aufsatz „Goldman Sachs. Vom Familienunternehmen zum Konzern“: „Die Geschichte begann, als der 27-jährige deutsche Jude Marcus Goldman 1848 nach New York auswanderte. Er zog mit Pferd und Wagen als Hausierer über Land und eröffnete dann einen Laden in Philadelphia, bevor er, mittlerweile verheiratet und Vater von fünf Kindern, nach New York zurückkehrte. Dort eröffnete er 1869 in der Pine Street ein Ein-Zimmer-Kontor und machte lukrative Geschäfte mit den Diamantenhändlern: die Urzelle eines heute gigantischen Unternehmens.“

    Marcus Goldmann heiratete in Amerika Bertha Goldmann (sic), die ebenfalls im Jahr 1848 im Alter von 19 Jahren aus Bayern nach Amerika ausgewandert war. Er hatte sie im Hausiererviertel in Pennsylvania kennen gelernt, wo sie den Beruf einer Stickerin ausübte und sich damit ihren Lebensunterhalt verdiente. Mit Hilfe seiner Frau errichtete er dann in Philadelphia ein Bekleidungsgeschäft und gab später ihrem Drängen nach, den Wohnsitz nach New York zu verlegen.

    Eng befreundet mit Joseph Sachs

    Marcus und Bertha Goldmann waren eng befreundet mit Joseph Sachs und seiner Frau Sophia. Joseph Sachs, Sohn eines armen bayerischen Sattlers aus einem Dorf bei Würzburg, hatte sich eine gute Bildung erworben. Im Alter von nur 19 Jahren erteilte er als Hauslehrer der Tochter Sophia des reichen Würzburger Goldschmieds Bär Unterricht. Beide verliebten sich ineinander, sehr zum Missfallen ihrer Eltern. Das Paar floh nach Rotterdam, wo sie im Jahr 1848 heirateten und noch im gleichen Jahr das Schiff nach Amerika bestiegen.

    Zwei Töchter von Marcus und Bertha Goldmann heirateten zwei Söhne der Familie Sachs. Die jüngste Tochter Louisa wurde die Ehefrau von Samuel Sachs, den im Jahr 1882 Marcus Goldmann in die Firma aufnahm, die den Namen „M. Goldman Sachs“ erhielt. 1885 kamen der Sohn Henry und der Schwiegersohn Ludwig Dreyfuß als Juniorpartner in die Firma. Sie hieß nun „Goldman Sachs & Co“. 1894 trat Henry Sachs in die Firma ein. Als im Jahr 1896 Marcus Goldmann in den Ruhestand trat, übergab er die Firma seinem Sohn Henry und seinem Schwiegersohn Samuel Sachs.

    Marcus Goldmann, der Bankier, der allmorgendlich zu Fuß im Gehrock und Zylinder, in dem er sein Vermögen hinter dem Schweißband mit sich trug, seinen Rundgang antrat, starb im Sommer 1904 in New York.

    Marcus Goldmann kam nicht aus Burgpreppach und auch nicht aus Burgebrach. Woher kam er wirklich?

    Marcus Goldmann wurde als „Mark“ Goldmann am 9. Dezember 1821 in Trappstadt, im Landgericht Königshofen, dem heutigen Grabfeld, in Unterfranken geboren. Er war der älteste Sohn von fünf Kindern des Ehepaares Wolf und Ella Goldmann.

    Sein Vater, „Handelsjud“, Bauer, Viehhändler und Ökonom Wolf Goldmann, stammte nicht aus Trappstadt, sondern kam aus dem kleinen Fachwerkort Zeil am Main im Landgericht Haßfurt-Eltmann mit 31 jüdischen Einwohnern im Jahr 1813. Er wurde am 16. Februar 1794 im Haus Nummer 57 (heute Kaulberg 6) in Zeil geboren, als Sohn von Jandorf Goldmann (1759-1841) und seiner Ehefrau Bella/Babette (gestorben am 4. Dezember 1825 in Zeil am Main, 66 Jahre alt). Möglicherweise stammte Familie Goldmann ursprünglich aus dem Ort Knetzgau auf der gegenüberliegenden Mainseite.

    Jandorf Goldmann hieß „Jandorf Marx“, bis er nach dem bayerischen Judenedikt, das die Annahme von Familiennamen vorschrieb, 1817 den Namen „Goldmann“ annahm und in der Zeiler Judenmatrikel unter Nummer 1 als „Jandorf Goldmann“ eingetragen wurde, mit Viehhandel als Broterwerb.

    „Er zog mit Pferd und Wagen als Hausierer über Land“

    Sabina Lietznmann in „Juden in New York

    Wolf Goldmann, sein Sohn, heiratete am 23. Mai 1820 im Ort Sternberg im Grabfeld die verwitwete Ella Oberbronner, die als Ella Goldschmied am 6. Mai 1792 in Walldorf, Herzogtum Meiningen (Thüringen) auf die Welt kam. Durch die Heirat mit der bereits in Trappstadt ansässigen Ella Oberbronner erwarb Wolf Goldmann eine Ansässigmachung im Ort, denn nach dem bayerischen Judenedikt vom Mai 1813 war es Juden nicht erlaubt, den Wohnort zu wechseln. Nur wenn durch Tod eine Matrikelstelle frei geworden war, konnte ein anderer in den Ort ziehen. Dies war bei Wolf Goldmann der Fall. Er hatte Glück. Ob die Heirat eine Liebesheirat war, ist heute nicht mehr zu ergründen.

    Familie Wolf und Ella Goldmann wohnte im Jahr 1821 in Trappstadt im Haus Nr. 16 (heute Hauptstraße 9), ab zirka 1825/26 im Haus Nr. 103 (heute Hauptstraße 50). Ein Bruder von Marcus, Sannel, geboren am 29. Dezember 1823, liegt auf dem jüdischen Friedhof in Kleinbardorf begraben, auf dem so genannten „Judenhügel“. Wann und wo er starb ist unbekannt.

    Wolf Goldmann starb in Trappstadt am 19. April 1863 im Alter von 71 1/2 Jahren und wurde ebenfalls auf dem Judenhügel begraben, dem Begräbnisort der jüdischen Gemeinde Trappstadt. Wo sich sein Grab befindet, ist unbekannt. Seine Frau Ella starb am 10. September 1870 in Maroldsweisach im Alter von 89 Jahren im Haus Nr. 39, bei ihrer dort verheirateten Tochter Bella.

    Bella/Babette Goldmann war seit 1857 in Maroldsweisach mit dem Gerbermeister Emanuel Friedmann (1830-1915) verheiratet. Sie wurde am 14. Juli 1828 in Trappstadt geboren und starb 1912 in Würzburg, wo sie, wie ihr Ehemann, auf dem jüdischen Friedhof begraben ist.

    Die jüdische Gemeinde Trappstadt im damaligen Großherzogtum Würzburg gehörte mit Königshofen zum Distriktsrabbinat Burgpreppach, wo im Auswanderungsjahr von Marcus Goldman 1848 der bekannte Distriktsrabbiner Dr. Josef Gabriel Adler wirkte. Möglicherweise erklärt sich daraus die allgemein gebrachte Herkunftsangabe Burgpreppach, die nicht richtig ist. Ebenso falsch ist Burgebrach als Geburtsort.

    Im Jahr 1813 lebten in Trappstadt 53 gemischtherrschaftliche Schutzjuden, das heißt, die jüdischen Familien hatten verschiedene Schutzherren, an die sie ihr Schutzgeld und ihre sonstigen verschiedenen Abgaben zahlten. Durch das Schutzgeld erhielten sie Schutz und die Möglichkeit, im Ort wohnen zu dürfen. Sie wohnten zur Miete, in einem so genannten „Tropfhaus“ oder manchmal in einem eigenen Haus.

    Jüdisches Standesregister

    Das jeweilige Pfarramt hielt im so genannten „Jüdischen Standesregister“ Ehen, Geburten und Sterbefälle der jüdischen Einwohner fest. Eine Kopie befindet sich heute im Staatsarchiv Würzburg. Durch seine Heirat rückte Wolf Goldmann in die Matrikelstelle des gestorbenen Mannes von Ella Oberbronner ein. Sonst hätte er wahrscheinlich nie eine Heiratserlaubnis bekommen, was im 19. Jahrhundert für viele junge Leute ein Grund war, nach Amerika auszuwandern.

    Sein Sohn Marcus hatte in der Heimat, Trappstadt hatte im Jahr 1848 60 jüdische Einwohner, vermutlich auch keine berufliche Perspektive, erhielt deshalb auch keine Heiratserlaubnis und die fehlgeschlagene Revolution von 1848, in der eine politische Gleichberechtigung für den jüdischen Bevölkerungsteil nicht erreicht wurde, tat sicher ein übriges, dass er 1848 Deutschland verließ, um in Amerika sein Glück zu suchen. (Erst am 9. November 1861 kam in Bayern mit dem Emanzipationsgesetz die volle politische Gleichstellung für die jüdischen Bürger. Sie hatten nun die freie Wohnungswahl und kehrten langsam in die Städte zurück, aus denen sie vor ihrer Vertreibung im Mittelalter gekommen waren. Eine Auflösung der kleinen jüdischen Gemeinden, wie unter anderem auch Zeil und Trappstadt, war die Folge.)

    Hausierer in Pennsylvania

    Währenddessen ging Marcus Goldmann im Hausiererparadies, dem Kohlendistrikt von Pennsylvania, als Hausierer seiner Arbeit nach, zunächst zu Fuß, später mit Pferd und Wagen. Sein Bruder Simon war ihm nach Amerika gefolgt und Ende Mai/Anfang Juni 1855 wanderte auch Schwester Regina aus. Der Vater hatte ihr bei der Behörde in Königshofen, dem königlichen Bezirksamt, ein Leumundszeugnis besorgt und ihr ein Reisegeld von 250 Gulden gegeben. Am 25. Mai bestätigte er mit seiner Unterschrift den Erhalt von Reisepass, Auswanderungsurkunde und „Schiffsakkord“ für seine Tochter. Sie war zu dieser Zeit 22 Jahre alt.

    Die Reise der Geschwister Goldmann in die Freiheit war sicher strapazenreich. Sie reisten im Zwischendeck, wo es am billigsten war und die Zustände am schlimmsten, wo Kinder hungers starben. Manche Auswanderer hatten versucht, wenigstens die Ausreisesteuer zu umgehen. Sie zogen zu Verwandten in einen anderen Ort in Deutschland und machten sich von dort auf die Reise in die Hafenstädte Bremerhaven oder Hamburg.

    Aus Amerika schrieb ein Auswanderer nach Hause: „In ganz Deutschland geht es keinem Menschen so gut, das dürft ihr uns gewiss glauben“ und, vermutlich der gleiche Schreiber 1851: „Ich wünschte mir sonst gar nichts, als dass ihr alle bei uns währt, da dürft ihr euch nicht so plagen und auch nichts für die Herrschaft zu zahlen, weil alles frei ist, keinen Beamten und so Landrichter gibt es nicht.“

    Bei den Farbigen beliebt

    So mag vielleicht auch Marcus Goldmann gefühlt haben, wenn er mit Pferd und Wagen durch Amerika fuhr, allein, verantwortlich für sich und seine Familie, frei zu tun und zu gehen, wohin er wollte. Er war später vor allem bei der schwarzen Bevölkerung beliebt, was sicher auf seiner Vergangenheit als Angehöriger einer rechtlosen Minderheit beruhte.

    Die zahlreichen jüdischen Auswanderer aus Europa hatten sich in Amerika auf eine Einteilung der Berufszweige geeinigt. Die russischen Einwanderer besaßen die Industrien, die deutschen Einwanderer Kaufhäuser und das Bankwesen. Einer von ihnen war Marcus Goldmann. Die Bank „Goldman-Sachs“ ist heute eine berühmte Investmentbank an der Wall-Street, die aufkauft und verkauft und in der Welt mehr als 20 000 Mitarbeiter hat.

    Goldman-Sachs rettete den Eurotunnel. Einer der größten Aufträge der Firmengeschichte war die Privatisierung der Telekom. Die Bank besitzt eine eigene Unternehmenskultur, die die fähigsten Mitarbeiter anzieht und ist ein Sprungbrett für Wirtschaftstudenten. Goldman-Sachs gründete eine eigene „Goldman-Sachs Universität“, in der Kurse individuelle Fähigkeiten der Mitarbeiter entwickeln. „Wichtig ist die Einstellung, Wissenslücken können gestopft werden“. „Goldman-Sachs ist offen für Überflieger“ schreibt Katja Behling in ihrem Artikel.

    Und im Jahr 2002 schrieb der Spiegel in Nummer 40: „Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs setzt auf einen stärkeren Einfluss der Grünen in der Bundespolitik, um die Verkrustungen beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen. „Die Grünen haben einen größeren Appetit auf Reformen“, heißt es in einem Kommentar.“

    Marcus Goldmann gehörte zur ersten großen allgemeinen Auswandererwelle der Jahre zwischen 1846 bis 1857. In dieser Zeit verließen 1,1 Millionen Menschen Deutschland, davon 140 000 aus Bayern. Ursachen waren Missernten, Bevölkerungsexplosion, Industrialisierung mit riesigen Preissteigerungen, die verlorene Revolution 1848 mit dem Kampf um politische Gleichberechtigung.

    Ein um 1848 entstandenes Auswandererlied gibt die Stimmung jener Tage wieder: Ein stolzes Schiff, ein stolzes Schiff streicht einsam durch die Wellen. Und führt uns unsre deutschen Brüder fort. Die Fahne weht, die weißen Segel schwellen, Amerika ist ihr Bestimmungsort. Seht auf dem Verdeck sie stehen, Sich noch einmal umzusehen. Ins Vaterland, ins heimatliche Grün, Seht, wie sie übers große Weltmeer ziehn. Sie ziehn dahin, wer wagt sie noch zu fragen? Warum verlassen sie ihr Heimatland? O armes Deutschland, wie kannst du es ertragen, Dass deine Brüder werden so verbannt? Was sie hofften, hier zu gründen, Suchen sie dort drüben zu finden. Drum ziehen sie von deutschem Boden ab, Und finden in Amerika ihr Grab.

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