Der Unterschied ist glasklar hörbar: Das Steinkrug-Geklapper am Münchner Nockherberg ist nicht das Gleiche wie das vom fränkischen Politiker-Derbläggn in Burglauer (Lkr. Rhön-Grabfeld). Letzteres ist rauer im Ton, derber. Es kann nicht an den Gästen liegen.
Denn auch in München saßen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder kürzlich in bester Kameraposition am Biertisch. Am Samstagabend taten sie es wieder in der Rudi-Erhard-Halle fast am anderen Ende des Freistaats. Wahrscheinlich gibt der Inhalt, frisches Rhöner Kreuzbergbier, den klanglichen Ausschlag.
Die Rudi-Erhard-Halle in Burglauer von Polizei umstellt
Die vielen Mannschaftswagen der Polizei rund um die Burgläurer Festhalle hatten es zu Beginn des 15. Derbläggn angedeutet: Erstmals war mit Markus Söder ein amtierender Ministerpräsident zu Gast bei der Fastenpredigt – bei seinen früheren Besuchen war der CSU-Chef noch Minister. Begleitet wurde er von viel Polit-Prominenz auf den vorderen Bänken und Tischen: Aiwanger, Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) als 'Aschebärtscherin', Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, Porsche-Fan Klaus Ernst von der Linken oder Ronja Endres, Landesvorsitzende der Bayern-SPD.

Ins Visier wurden die Politikerinnen und Politiker dennoch genommen – von Bruder Elisäus alias Fredi Breunig. Zum 15. Mal gab er den Klosterbruder vom Kreuzberg, der den Großkopferten die Leviten liest. Das halbrunde Jubiläum hätte schon vor vier Jahren gefeiert werden können, wenn Corona nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte.
Stammgast Hubert Aiwanger als "Schneekanone vom Sudelfeld"
Und tatsächlich hat das Virus den Abend über eine Rolle gespielt, die man dem einstigen Lockdown-Schurken nicht mehr zugetraut hätte. Dass die Behörden in der Hoch-Zeit der Pandemie an den Wochenenden keine Corona-Statistik führten: eigentlich vergessen. Nicht bei Bruder Elisäus, der sich in der freien Wirtschaft keine solche Pause vorstellen könnte. Schnell war er beim Maskenskandal gelandet und brachte als Auszeichnung ein "Bundesnebenverdienstkreuz" ins Spiel.

Da konnte Hubert Aiwanger von den Freien Wählern laut mitlachen. Fast ein halbes Dutzend Mal schon fand er den Weg aus dem Landkreis Landshut hoch in die Rhön, um dem Rhöner Derbläggn beizuwohnen. "Am Anfang hat er auf dem Weg hierher noch schnell Wahlplakate in Schweinfurt geklebt, aber jetzt hat er es ja geschafft", witzelte Bruder Elisäus. Und ließ nicht unerwähnt, dass die aktuelle bayerische Regierung von der Klima-Fachwelt kein allzu gutes Zeugnis bekommt. "Hubsi, die Schneekanone vom Sudelfeld" war da ein Wink mit dem Zaunpfahl vom Geistlichen persönlich.
Söders Rache für die Wahlrechtsreform der Ampel
Ganz aktuell war Bruder Elisäus beim Thema Wahlrechtsreform, die Bayern ein paar Bundestagssitze kosten könnte. Mit einer Reform des Landeswahlrechts ließe sich das freilich abwenden. "Nur Parteien mit einem C am Anfang und einem Vokal am Ende" sollten wählbar sein. Oder aber wenn sie aus zwei Worten wie die Freien Wähler bestehen. Bündnis 90/Die Grünen haben Pech, denn Parteien mit Ziffern sind verboten.

Den Zeigefinger gegen Söder erhebt Bruder Elisäus noch, weil der für Bayern Lehrer aus anderen Bundesländern abwerben will. Das sei ein Niveau wie beim Geschacher der Vereinsgrößen im Fußball. Die Spitzen gegen Söder werden doch nicht der Grund dafür gewesen sein, dass der Ministerpräsident als einer der Ersten durch den Hinterausgang den Saal verließ?
Rechnen wir es besser dem dichten Terminkalender des Ministerpräsidenten zu. Wenig später allerdings twitterte Söder schon über die "großartige Stimmung" in Burglauer: "Das ist der fränkische Nockherberg! Fränkischer Humor at it's best."
Die Großen der bayerischen Politik standen am Ende der rund einstündigen Fastenpredigt von Bruder Elisäus, dessen Vorbild Franziskaner-Bruder Johannes Matthias auch wieder vor Ort war. Auch dem Rhöner Lokalgeschehen verschaffte Breunig Raum: Dass der Sälzer Sportplatz so hell beleuchtet wird, dass die Vögel mit dem Nestbau schon im Winter beginnen, war so eine Episode.
Am Ende wurde das Kreuzberg-Lied gesungen
Der Abriss des "Schmitts Mary Haus" war ihm eine eigene Predigt-Strophe wert. Und natürlich auch der Wolf, der sich bei Hohenroth herumtreibt, also auch in der Nähe des Waldkindergartens. "Ich habe gehört, dass da im Moment gerade sieben Kinder betreut werden", spannte Bruder Elisäus den galgenhumorigen Bogen zum Märchen mit den sieben Geißlein.
So ging es munter durch den Rhön-Grabfelder Jahreslauf, alle politischen Farben hatten etwas zu lachen. Die Bierkrüge klapperten, die Lacher hallten durch den Bierdunst hoch zur Decke, bis am Ende der ganze Saal das Kreuzberglied anstimmte.
500 Besucher in der proppenvollen Halle
Einer der Höhepunkte war auch das derb-komische Volksmusiktrio "Spilk" mit Franky Schmitt. Das hatte als Einheizer nicht nur ein Lied extra für die Burgläurer Bauhofmitarbeiter im Gepäck, das allerdings nicht gerade für den Arbeitswillen des Trupps sprach. Auch der Steinacher Wolf war Thema und überhaupt Corona, das manche illegale Garagen-Party brachte. Für die Drei gab es Standing Ovations in der mit über 500 Besuchern ausverkauften und proppenvollen Rudi-Erhard-Halle.

Auch einen Franken mit Rückgrat gab es wieder. Nach der Krankenschwester Renate Bauer vom Schweinfurter Leopoldina war es diesmal kein Geringerer als der Dreggsagg Michl Müller aus dem Bad Kissinger Stadtteil Garitz. Der erstürmte gut aufgelegt die Bühne, fühlte sich bei Kultusminister Michael Piazolo eher an ein Erdmännchen erinnert und hatte Angst vor der Energiewende, weil bei ihm im Wohnzimmer schon das Licht flackert, wenn der Nachbar sein E-Auto auflädt. Michl Müller hätte wohl am liebsten noch ein paar Pointen verteilt, wurde aber etwas schnell vom Conférencier Sven Schröter eingebremst.
Aiwanger und Söder: Liebe vergeht, Hektar besteht
Der entlockte der Prominenz aber auch viele schöne Zitate. Die Frage, ob die politische Liaison Aiwanger-Söder eine Liebesheirat sei, beantworte der schlagfertige Söder mit: "Liebe vergeht, Hektar besteht." Politik hat nunmal mit Bauernschläue zu tun.
So ging das knapp vier Stunden munter hin und her, die Lauertaler Musikanten unter Hubert Ziegler spielten zünftig dazu und der Heimatverein Burglauer mit Mathias Mangold als Vorsitzendem hatte seinen 15. Kracher gelandet.

Bleibt am Ende nur die Frage, wer im nächsten Jahr der "Franke mit Rückgrat" werden könnte. Vielleicht ja Charlotte, die Tochter der Bundesabgeordneten Dorothee Bär. Die hatte der Mutter zuliebe ihren zwölften Geburtstag in Burglauer verbracht. Nicht nur wegen der lehnenlosen Bierbänke verlangt dies mehr als nur ein bisschen Rückgrat.