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Bad Neustadt/Würzburg: Nach Angriff auf zwei Männer: Was denkt ein Berater für queere Menschen von der Rosa Hilfe über Homophobie im ländlichen Raum?

Bad Neustadt/Würzburg

Nach Angriff auf zwei Männer: Was denkt ein Berater für queere Menschen von der Rosa Hilfe über Homophobie im ländlichen Raum?

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    Ein offenbar homophober Hotelgast griff in Bad Neustadt zwei Männer an. Gibt es beim Thema Homophobie Unterschiede zwischen Stadt und Land? Darüber spricht Björn Soldner von der Rosa Hilfe Würzburg im Interview mit dieser Redaktion.
    Ein offenbar homophober Hotelgast griff in Bad Neustadt zwei Männer an. Gibt es beim Thema Homophobie Unterschiede zwischen Stadt und Land? Darüber spricht Björn Soldner von der Rosa Hilfe Würzburg im Interview mit dieser Redaktion. Foto: Kristina Kunzmann

    Ende Mai berichtete die Polizei vom Angriff eines homophoben Hotelgastes auf zwei Männer in Bad Neustadt. Auch wenn diese, wie die Ermittlungen später ergaben, gar nicht schwul waren, löste die Tat eine gesellschaftliche Debatte aus.

    Gründung einer Anlauf- und Beratungsstelle in Rhön-Grabfeld geplant

    Wirtin Peggy Pusch aus Bad Neustadt und die beiden FDP-Politiker Ines Palm und Karl Graf Stauffenberg zeigten sich nach dem Vorfall bestürzt und wollen für queere Menschen eine Anlauf- und Beratungsstelle in Rhön-Grabfeld gründen. Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner hält diese nicht für notwendig, da queere Menschen bereits selbstverständlicher Teil der Gesellschaft seien.

    Auch eine Regenbogenfahne wolle Werner nicht an städtischen Gebäuden hissen, da so wieder der Blick auf queere Menschen als Minderheit gerichtet werde. Jörg Geier von der Stabsstelle Kreisentwicklung des Landkreises Rhön-Grabfeld sagte auf Anfrage dieser Redaktion, dass Homophobie in Rhön-Grabfeld kein Thema sei.

    Björn Soldner berät bei der Rosa Hilfe in Würzburg queere Menschen. Im Interview spricht er über die Unterschiede in Stadt und Land und darüber, wie sich Feindseligkeit gegenüber Queeren äußert.

    Frage: Laut Verantwortlichen von Stadt und Landkreis sei Homophobie in Rhön-Grabfeld kein Thema. Können Sie das glauben?

    Björn Soldner: Ich bin kein Einwohner in Rhön-Grabfeld und deshalb in dem Fall kein Betroffener. Aber eine so unreflektierte Aussage zeugt von einer gewissen Unkenntnis oder Ignoranz. Wer so etwas sagt, hat sich aus meiner Sicht nicht richtig mit dem Thema beschäftigt.

    Björn Soldner (links) von der Rosa Hilfe Würzburg – hier 2019 mit Andy Hausknecht – berät queere Menschen und spricht im Interview darüber, ob es Queere auf dem Land leichter haben als in der Stadt.
    Björn Soldner (links) von der Rosa Hilfe Würzburg – hier 2019 mit Andy Hausknecht – berät queere Menschen und spricht im Interview darüber, ob es Queere auf dem Land leichter haben als in der Stadt. Foto: Sabine Dähn-Siegel (Archiv) 

    Gibt es aus Ihrer Sicht denn Unterschiede zwischen Stadt und Land bei diesem Thema?

    Soldner: Definitiv. Ich würde nicht nur ein Stadt-Land-Gefälle sehen, sondern es auch an anderen Aspekten festmachen. In Würzburg besteht durch die studentische Prägung eine große Offenheit, die es vielleicht in anderen Großstädten nicht gibt. Da muss man differenzieren. Aber häufig trifft man in Städten oftmals fortschrittlichere Gesellschaftsschichten an als auf dem Land.

    Also gibt es zum Beispiel in einer größeren Stadt wie Würzburg keine Probleme mit Homophobie?

    Soldner: Doch, ich zitiere den Würzburger Oberbürgermeister, Christian Schuchardt, der am Christopher Street Day gesprochen hat: 'Jeden Tag passiert es auch in Würzburg, obwohl wir so viel tun. Es ist da, man muss es nur sehen und wahrnehmen. Wenn man es sieht und wahrnimmt, ist es omnipräsent'. Es muss gar nicht immer der große Übergriff sein. Es passiert schon ganz viel im Kleinen.

    Wie zeigt sich Feindseligkeit gegenüber queeren Menschen?

    Soldner: Ich rate zu einem Experiment, um nachzuvollziehen, was allein schon Blicke anrichten können. Laufen Sie mit einem Menschen gleichen Geschlechts händchenhaltend eine Straße entlang. Dann blicken sie in die Gesichter derer, die auf Sie schauen: Manche lächeln einen an, andere kneifen die Augen zusammen. Auch Beschimpfungen gibt es auf offener Straße. Wenn die ablehnende Haltung sehr ausgeprägt ist, wie vermutlich auch bei dem Vorfall in Bad Neustadt, auch Gewalttaten.

    Wie verletzend sind solche Diskriminierungen für die betroffenen Personen?

    Soldner: Aus unserer Beratungspraxis wissen wir: Je offensiver oder selbstsicherer jemand ist, desto weniger Angriffsfläche für Diskriminierungen bietet er oder sie. Wenn die Person aber ängstlich ist und zum Beispiel extra vorsichtig läuft, belasten solche Attacken stärker. Wer sich zum Beispiel gerade im Coming Out befindet oder als Transmensch in der Findungsphase, ist besonders sensibel und verletzlich. Uns ist wichtig, dass jeder Mensch ein Umfeld findet, in welchem dieser sich frei ausleben kann.

    Aber gesellschaftlich und politisch hat sich in den letzten Jahren für queere Menschen viel verändert, oder?

    Soldner: Der Paragraf, der gleichgeschlechtliche männliche Handlungen unter Strafe stellt, wurde erst vor weniger als 30 Jahren abgeschafft. Nur zehn Jahre später gab es ein Partnerschaftsgesetz. Da hat sich in kurzer Zeit sehr viel getan. Die Gesellschaft hat Druck auf die Politik ausgeübt, was den Weg zur Ehe für alle geöffnet hat. Auch darüber hinaus gibt es überall Entwicklungen, die nicht nur in eine Richtung gehen: In Polen oder Ungarn wurden gerade erst die wenigen Freiheiten, die queere Menschen hatten, wieder eingeschränkt. Auch solche Meinungen wandern in unser Land ein. Andererseits flüchten aber auch queere Menschen zu uns, um hier ein sicheres Umfeld zu finden.

    Sollten Regenbogenfahnen als Zeichen der Solidarität gehisst werden oder teilen Sie das Argument, dass dadurch queere Menschen zu "Minderheiten" gemacht werden?

    Soldner: Wir reden ja nicht nur über die eine Minderheit queere Menschen. Es gibt viele andere Minderheiten. Solange Mehrheiten über Minderheiten bestimmen, was sie denn bräuchten, ist es eine fremdbestimmte Situation. Vor allem ist es wichtig zuzuhören, was queere Menschen sagen und fühlen.

    Wie kann man queeren Menschen in einer ländlichen Region, wie dem Landkreis Rhön-Grabfeld, helfen?

    Soldner: Oft ziehen Menschen aus persönlichen Gründen, wie beispielsweise einem Studium, weg. Aber natürlich geht man dort hin, wo man sich aufgehoben fühlt und es eine Struktur für den eigenen Lebensentwurf gibt. Rhön-Grabfeld wird nie Köln oder Berlin sein. Ich würde im schulischen Umfeld ansetzen, damit die Jugendlichen ihr Coming-out in Offenheit und ohne Angst erleben können.

    Rosa Hilfe WürzburgBei der Rosa Hilfe Würzburg beraten queere Männer ehrenamtlich andere queere Menschen. Schwerpunktthemen sind Coming-out, Diskriminierungen, Angst vor Vereinsamung und Prävention von Geschlechtskrankheiten. Außerdem Glaubenskonflikte, Beziehungen und Suizid-Gedanken. Die Rate an Suizidgefährdeten ist unter queeren etwa viermal so hoch wie unter nicht-queeren Menschen.Quelle: Björn Soldner/ku

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