"Wir haben keine Zeit mehr!" Eine wesentliche Frage, ob die Industrie noch eine Zukunft am Standort Schweinfurt sieht, ist für Sebastian Remelé die schnelle Versorgung mit regenerativer Energie. Entsprechend leidenschaftlich trat der Schweinfurter Oberbürgermeister bei der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses des Regionalen Planungsverbandes Main-Rhön in Bad Neustadt für den schnellen Ausbau der Windenergie ein.
Sein Appell war ein Beispiel, das belegt, das Thema Windenergie hat eine ganz neue Dynamik entwickelt. Ihr schneller Ausbau wird als unerlässlich für eine erfolgreiche Energiewende und den Industriestandort gesehen. So hat sich auch die Bayerische Staatsregierung in ihrem Koalitionsvertrag 1000 neue Windkraftanlagen bis 2030 als Ziel gesetzt.
Zwischenziel in Main-Rhön schon seit 2014 übererfüllt
Für die Frage, auf welchen Flächen sich all diese Windräder einmal drehen dürfen, sind im Freistaat die Regionalen Planungsverbände zuständig. Sie müssen die Vorgaben des Bundes, die im Landesplanungsgesetz festgeschrieben sind, umsetzen. Bis 2032 hat der Freistaat mindestens 1,8 Prozent seiner Fläche für Windenergie bereitzustellen. Bis 2027 sollen in einem Zwischenschritt 1,1 Prozent erreicht werden.
Diese Vorgaben hat auch der Regionale Planungsverband für das Planungsgebiet Main-Rhön übernommen. Hier sind die Stadt Schweinfurt sowie die vier Landkreise Bad Kissingen, Haßberge, Rhön-Grabfeld und Schweinfurt Mitglied. Bei der Sitzung des Planungsausschusses wurde nun über den aktuellen Stand bei der Änderung des Kapitels Windkraftanlagen im Regionalplan und damit das Erreichen der genannten Ziele zu beraten.
Dabei machte der Verbandsvorsitzende und Bad Kissinger Landrat, Thomas Bold deutlich, dass Main-Rhön als Vorreiter das vorgegebene Zwischenziel von 1,1 Prozent bis 2027 schon seit 2014 übererfüllt habe. Mit der Ausweisung von 2400 Hektar in 23 Vorranggebieten und 4300 Hektar in 41 Vorbehaltsgebieten liege man schon bei 1,7 Prozent.
20 Vorschläge für neue Windparkflächen von den Kommunen
Das Ziel von 1,8 bis 2 Prozent der Fläche, also rund 7800 Hektar, solle – wie im Planungsausschuss zuvor verabredet - zunächst als ein Verfahren in zwei Schritten erreicht werden. So sollen zum einen die schon ausgewiesenen Gebiete erweitert und die bisherigen Vorbehalts- zu Vorranggebieten aufgestuft werden. Daneben sollen in einem mehrstufigen Prozess neue Flächen ausgewiesen werden, die von den Kommunen in Abstimmung mit dem jeweiligen Landkreis gewünscht und vorgeschlagen werden. Dass alleine mit diesen Flächen, die im vergangenen Jahr als grobe Zielmarke ausgegebenen 2000 Hektar erreicht werden können, stellt Stefanie Mattern klar.
Wie die zuständige Regionsbeauftragte für Main-Rhön deutlich machte, haben sie und ihre Kolleginnen und Kollegen zunächst in einem aufwändigen, mehrstufigen Verfahren die sogenannte Suchraumkulisse für die Festlegung der Vorranggebiete regionsweit erarbeitet. Seit eineinhalb Jahren würden jetzt die entsprechenden Vorschläge der Gemeinden in Absprache mit den Fachbehörden bearbeitet und geprüft. Es handle sich um rund 20 Flächen. Die Hälfte seien Neuausweisungen, die restlichen Erweiterungen der bestehenden Flächen. Insgesamt seien etwa 4000 Hektar in Bearbeitung.
Erweiterung der Windkraftflächen in zwei Schritten
Auf allgemeine Zustimmung stieß der Vorschlag des Verbandsvorsitzenden, zur Beschleunigung des Prozesses, in zwei Schritten vorzugehen. So sollten zunächst die neuen, unstrittigen Vorranggebiete ausgewiesen werden. Das bezieht auch eine Erweiterung bestehender Gebiete ein. Dann könnten die jeweiligen Gemeinden schneller vorankommen. Erst in einem zweiten Schritt sollten bisherige Vorranggebiete und Vorbehaltsflächen überprüft, angepasst, erweitert und Letztere aufgestuft werden.
Ziel sei es, da waren sich Mattern und Thomas Bold einig, dass die Prüfungen für den ersten Schritt Anfang des kommenden Jahres abgeschlossen und dem Planungsausschuss ein Entwurf mit den neuen Vorranggebieten zur Abstimmung vorgelegt wird. Wird er gebilligt, folgen ein Anhörungsverfahren, an dem sich auch die Öffentlichkeit beteiligen kann. Dann kann der sichere Planungszustand für einzelne Flächen noch 2025 festgestellt und die ganze Planung zu einem späteren Zeitpunkt verbindlich werden
Für dieses Prozedere gab es nur Zustimmung aus dem Gremium. Allerdings regte Thomas Habermann an, bei der zu erwartenden Übererfüllung der Planziele nicht auch noch Vorreiter beim Tempo der Umsetzung zu werden. Wie der Rhön-Grabfelder Landrat gab auch sein Kollege aus den Haßbergen Wilhelm Schneider zu bedenken, wenn man möglicherweise mehr als zwei Prozent der Fläche für Windkraft ausweise und damit die Hausaufgaben des Freistaates erfülle, solle man das nicht nur "um Gotteslohn tun". Auch Bold forderte mit einem Verweis auf den Netzausbau in seinem Landkreis und dem Landkreis Schweinfurt, wer eine Belastung trage, solle auch etwas dafür bekommen. Eine Anregung, die auch sein Schweinfurter Landratskollege Florian Töpper unterstützte.
Main-Rhön als "Modellregion Windkraft"
Beim Thema Geschwindigkeit vertrat der Schweinfurter Oberbürgermeister eine etwas andere Meinung. Remelé verwies auf die Bedeutung der Industrie und der gut bezahlten Arbeitsplätze in seiner Stadt für die gesamte Region und in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des schnellen Ausbaus der Windkraft. Lediglich die Erfüllung des Plansolls sei nicht der richtige Weg. Main-Rhön solle lieber zur "Modellregion Windkraft" werden, so seine Anregung.
Dem wollte so niemand widersprechen. Landrat Thomas Habermann sah allerdings einen entscheidenden Fehler darin, nur auf die zu installierende Leistung zu blicken. Wenn man der Industrie helfen wolle, müsse man das komplette System sehen und viel mehr Kraft auf die Themen Netz und Speicherung verwenden, damit der gewonnene Strom auch ins Netz gebracht werden kann.