Wie immer, wenn es heißt, es ist ökumenischer Nachmittag in Mellrichstadt im Treffpunkt, war der Saal reichlich gefüllt. Hübsch geschmückt waren die Tische, vorne ein Altar aufgebaut. Freia George, die Vorsitzende des evangelischen Seniorenklubs, begrüßte die Senioren auch im Namen ihrer Mitstreiterin Susanne Zimmer vom katholischen Seniorenklub, die an diesem Nachmittag wegen einer Fortbildung anderweitig beschäftigt war.
Außerdem wurde Pfarrer Andreas Werner gegrüßt, der eine Andacht zum Buß- und Bettag feiern wollte. Die Seniorenkreise sollten einander begegnen und miteinander ins Gespräch kommen, meinte dieser. Unterschiedliche Konfessionen dürften dabei kein Hinderungsgrund sein. Der Pfarrer dankte Karl Naumann, der mit der Gitarre die Andacht begleiten sollte. Der Buß- und Bettag sei ein besonders evangelisch geprägter Tag. Wenn man anschaue, um was es geht, sei aber klar, dass er katholische ebenso wie evangelische Christen betreffen kann. Nach wie vor sei es etwas traurig, dass dieser Tag in Deutschland so seltsam gestaltet sei. Gemeinsam wolle man einen Bußakt miteinander feiern. Die Kirchen seien sich noch nicht so weit einig, dass gemeinsam Beichte gefeiert werden könne.
Aber „wir sind auf dem Weg“, beteuerte er und war weiter zuversichtlich und sagte: „Wir schaffen das auch, dass wir miteinander irgendwann einmal die Beichte und das gemeinsame Abendmahl feiern können.“
Anlässlich des Jubiläums-Reformationsgottesdienstes habe er sich gefreut, dass viele Katholiken da waren. Einen Gegenbesuch machte er mit Vikar Muchar an Allerheiligen im katholischen Gottesdienst. Pfarrer Menzel habe eine hervorragende Predigt gehalten. Er, Werner, habe sich sehr wohl gefühlt, so, wie er sich immer angenommen und wohlfühlt, wenn er bei den Katholiken im Gottesdienst ist. Aus dem Propheten Hesekiel las er: „Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.“
Gemeinsam wurde das Lied gesungen „Nun singe Lob, du Christenheit“, wo es unter anderem so passend heißt „er lasse uns Geschwister sein, der Eintracht uns erfreun“. Im Psalm 51 wurde um Vergebung gebeten, im Römerbrief ging es um das göttliche Gericht.
Wir leben in keinen einfachen Zeiten, begann Pfarrer Werner seine Predigt, meinte es aber in geistiger Hinsicht. Nichts gelte mehr, was gestern noch gezählt hat. Alles sei im Umbruch. Selbst in der Kirche sei das so, wo klare Orientierung herrschen sollte. Stattdessen gebe es einen vielstimmigen Chor, von dem manche sich dann abwenden und die Kirche verlassen. Die Kirche sei dem einen zu rückständig, dem anderen zu unmodern, anderen zu zeitgeistig und ohne klare Orientierung. Orientierung woran? fragte Pfarrer Werner. An der Schrift, woran sonst? In der Schrift stoße man immer wieder auf die Rede von den falschen Propheten. Gibt In der Bibel werde immer wieder davor gewarnt, dass falsche Propheten kommen werden und versuchen, die Auserwählten Gottes auf den falschen Weg zu bringen. Sie kommen in Schafskleidern, sind aber in Wirklichkeit reißende Wölfe, sagt Jesus. Einen Rat gibt die Bibel: An den Früchten sollt ihr sie erkennen. Das bedeutet aber Mut, die Früchte zunächst sichtbar werden zu lassen. Erst dann lasse sich die taube von der guten Nuss unterscheiden, wenn sie herangewachsen ist. Auf der Suche nach Gottes Geist hilft wieder nur die Schrift. Die Bibel, das große Buch vom Menschen und seinen Erfahrungen mit Gott.
Nichts anderes wird so oft beschrieben, wie an Gott zweifelnde Menschen. Aus dem Zweifel erwächst aber Glaube. Richtig oder falsch kennt die Bibel nicht. Sie ist viel größer, viel menschlicher, sie ist viel göttlicher. Die Früchte sind entscheidend. Der Zweifel ist tatsächlich das Spielfeld des Heiligen Geistes. Selbstgewiss und selbstsicher sind aber die falschen Propheten. Gottes Geist weht vielleicht nur dort, wo der Zweifel noch Raum hat, wo der Nächste nicht mit einer unumstößlichen Gewissheit lieblos ins Abseits gestellt wird. Das ist so eine Frucht, an der wir etwas erkennen können. Nach dem Bußakt und Vaterunser erklang das gemeinsame Lied „Jesus nimmt die Sünder an“.
Der Segen beendete die Andacht. Danach ging es gemütlich zu Kaffee und Kuchen über. Viele fleißige „Heinzelfrauen“ kümmerten sich um das Wohl der Seniorinnen und Senioren. Gemeinsam wurden dann noch Lieder aus dem Großen Liederbuch angestimmt, begleitet von Karl Naumann.