Lässig oder ernst, traurig oder fröhlich– in nur wenigen Sekunden verwandelt sich der spanische Pantomime Carlos Martinez in gänzlich unterschiedliche Charaktere. Sein 40. Bühnenjubiläum feiert der international tätige Künstler in diesem Jahr auf der Missio-Camp Bühne.
Wie jeder seiner Auftritte begann auch dieser in der Garderobe. Das Publikum erlebte mit, wie er ankam, Kaffee trank, die weiße Schminke auftrug und sogar selbst die Bühne fegte. Er zauberte Bilder in die Köpfe der Menschen, beispielsweise mit dem Stück "Zu Besuch in der Bibliothek". Hoch hinauf stieg er mit der Leiter, um ein schweres Buch aus dem Regal zu nehmen. Dabei stand er die ganze Zeit auf der Bühne. Alles Illusion. Er wurde unter anderem zu Wilhelm Tell, zu Sherlock Holmes und zu Dracula.
Nur angedeutet
Allein durch Körpersprache und Haltung, Mimik und Gestik faszinierte Carlos Martinez sein Publikum. Nur wenige angedeutete Handgriffe und ein anderer Gesichtsausdruck genügten und das Publikum wusste genau, wen oder was Carlos Martinez verkörperte. Im Alter bleiben die Erinnerungen. Als alter Glöckner nahm Martinez sein Publikum mit in die Vergangenheit: zum ersten Abendessen zu zweit, mit Kerzen, Wein, zur Hochzeit, zum ersten Baby. "Mir gefällt der alte Mann besonders gut, jeden Tag kann ich ihn ein bisschen besser spielen, in 40 Jahren werde ich ihn perfekt drauf haben", verriet er seinem Publikum am Ende.
Für den zweiten Teil hatte das Publikum im Vorfeld die Möglichkeit, sich aus 20 Klassikern vier Lieblingsstücke auszuwählen. Die liebevoll inszenierte "Schöpfungsgeschichte", der humorvoll in Szene gesetzte "Spiegel", der alte "Liebesbrief" und der immer wieder gern gesehene Klassiker "Die Bushaltestelle" wurden gewünscht.
80 Stücke geschaffen
In seiner Karriere, so Carlos Martinez, habe er 80 Stücke geschaffen. Eines seiner liebsten sei nach wie vor die Bushaltestelle, die er 1991 eigens für seinen Vater kreierte, der mit Pantomime eigentlich nichts anfangen konnte. Es sei zwar nicht mehr ganz zeitgemäß, denn heutzutage schaue an der Bushaltestelle beim Warten auf den Bus jeder nur noch auf sein Smartphone. Das war 1991 noch anders. Die Wartenden beschäftigten sich mit einer Zeitung, einem Baby oder aßen einen Pfirsich. Dem jungen Publikum gefiel die Wandlungsfähigkeit, die gespielte Ungeduld durch Gesten und Blicke.