Außergewöhnliche Flugobjekte sind derzeit am Himmel über dem Grabfeld zu beobachten: Knapp 20 Drachenflieger- und Hängegleiterpiloten aus Baden-Württemberg haben auf dem Saaler Flugplatz ihr Lager aufgeschlagen, um dort eine knappe Woche lang ihrer Flugleidenschaft zu frönen.
Normalerweise meiden Drachen- und Gleitschirmflieger das Flachland. Denn ohne größere Erhebungen, wie sie zum Beispiel die Rhön zu bieten hat, sind längere Flüge in der Regel nicht möglich. Warum sich der Hängegleiterclub Heilbronn und der Gleitschirmflugverein Condor aus Schwäbisch Hall trotzdem das Grabfeld als Flugrevier ausgesucht haben, hat einen einfachen Grund: Das Gelände des Flugsportvereins Grabfeld mit seiner langen Start- und Landewiese ist für Windenstarts geradezu ideal.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Auf dem Saaler Flugplatz gibt es zwar eine Schleppvorrichtung für Segelflugzeuge, die aber nicht für das Hochziehen von Hängegleitern und Gleitschirmen geeignet ist. „Wir haben deshalb unsere eigene Winde mitgebracht“, erzählt Rolf Kißling, stellvertretender Vorsitzender des Hängegleiterclubs Heilbronn.
Seit 30 Jahren Drachenflieger
Der 68-Jährige ist seit über 30 Jahren begeisterter Drachenflieger und war bereits im vergangenen Jahr mit von der Partie, als die beiden Vereine aus Baden-Württemberg in Saal zum ersten Mal ein Fluglager organisierten. Er schwärmt geradezu von den idealen Bedingungen, die der Flugplatz in Saal für die Ausübung seines Sports bietet. „Wir haben hier eine Schlepplänge von über 1200 Meter, was für einen Aufstieg auf rund 400 Meter locker ausreicht“, erklärt Rolf Kißling. In dieser Höhe angekommen seien dann je nach Thermik und Windverhältnissen sehr lange und auch weite Flüge möglich. „Im vergangenen Jahr hat es einer von uns von Saal aus bis nach Coburg geschafft“, erinnert sich der erfahrene Hängegleiterpilot aus Heilbronn.
Sehr herzlich aufgenommen
Dass auch die Chemie stimmt zwischen den Fliegern aus Baden-Württemberg und den Mitgliedern des Flugsportvereins Grabfeld stimmt, war ein weiterer Grund, erneut für eine Woche nach Saal zu kommen. „Wir wurden im letzten Jahr sehr herzlich aufgenommen“, schwärmt Rolf Kißling von der Gastfreundschaft der Saaler Flieger. „Alles hier ist sehr familiär und es ist immer jemand zur Stelle, wenn wir mal Unterstützung brauchen.“
Auch Mathias Spannagel war schon 2016 mit von der Partie und wollte sich das Fluglager in Saal auch in diesem Jahr nicht entgehen lassen. Der Finanzvorstand des Gleitschirmfliegerclubs Condor übt sein Hobby seit 2014 aus und kann sich nicht vorstellen, wieder davon zu lassen, auch wenn es nicht ganz ungefährlich ist. Zwar ist das Drachen- und Gleitschirmfliegen in den vergangen zwei, drei Jahrzehnten immer sicherer geworden. „Aber dass die Luft keine Balken hat, diese Weisheit gilt natürlich auch heute noch“, betont der 50-Jährige. „Deshalb lassen wir uns wirklich nur dann mit der Winde hochschleppen, wenn es die Windverhältnisse zulassen.“
Sicherheit an erster Stelle
Wie ernst die Drachen- und Gleitschirmflieger aus dem Nachbarbundesland die Sicherheit nehmen, stellten sie gleich am Anreisetag unter Beweis. Auf den ersten Blick herrschte ideales Flugwetter auf dem Saaler Flugplatz. Trotzdem wurden die Windenschlepps am Nachmittag unterbrochen.
„Es war ganz einfach zu windig und wir wollten kein Risiko eingehen“, sagt Rolf Kißling, der auf eine der wohl wichtigsten Charaktereigenschaft eines jeden Hängegleiter- und Gleitschirmpiloten verweist: geduldig sein und auf die optimalen Windverhältnisse warten können.
Drachenfliegen und Gleitschirmfliegen Der Urvater des Menschenflugs, Otto Lilienthal, flog im Sommer 1891 von einem Übungshang in Derwitz bei Potsdam zum ersten Mal mit einer Flugmaschine schwerer als Luft. Er wurde zum ersten Hängegleiterpiloten der Welt. Das „moderne Drachenfliegen“ als Freizeitsport begann in den 1970er Jahren. Der rund 40 Kilogramm schwere Drachen (inklusive Haltegeschirr) hat unter dem Segeltuch ein festes Gestell aus Aluminiumrohren und Segellatten. Der Pilot ist während des Fluges liegend unter dem Drachen aufgehängt und hält den Steuerbügel in den Händen. Als „Erfinder des Gleitschirms" gilt der frühere NASA-Ingenieur und Wissenschaftler Francis Melvin Rogallo. In seinem Patent von 1948 beschreibt er bereits die Technik, wie aus Stoff und Schnüren ein Gleitschirm konstruiert werden kann. Die gesamte Flugausrüstung für das Gleitschirm-Fliegen passt in einen großen Rucksack und wiegt zwischen 15 und 20 Kilogramm. Während des Fluges sitzt der Pilot bequem in einem Sitzgurt. Quelle: DHV