Seit 30 Jahren tourt der Wiener Puppenspieler Stefan Lipardi vom Theater im Ohrensessel durch die Länder. Seine Spezialität ist die Interpretation von Märchen. Am Sonntag kamen im Bildhäuser Hof das Märchen vom Eisenhans und am Montag im Kindergarten Sankt Martin in Brendlorenzen mit "Tischlein deck dich" zwei davon zur Aufführung.
So verschieden die Märchen auch sein mögen, gemeinsam ist beiden die ruhige Erzählweise und das meisterhafte Figurenspiel des Künstlers. Mit dem Eröffnungssatz der meisten Märchen "Es war einmal ..." zieht er seine Zuschauer und Zuhörer hinein in die Erzählung. Kein Wunder. Denn schon seine Bühnenbilder, bis ins letzte Detail ausgestaltet und ausgeleuchtet, eröffnen dem Betrachter eine andere Welt und Zeit.
Highlight in Brend
Beim Tischlein deck dich, steht in der Mitte ein alter, kunstvoll gedrechselter Tisch, dahinter ein Stuhl. Auf dem Tisch drei kleine Tellerchen und ein Topf. Doch im Verlauf der Erzählung kommen mit wenigen Handgriffen unter, aus und hinter dem Tisch oder Stuhl die jeweils agierenden Figuren - seine drei Söhne, die Ziege, der Esel, das Wirtshaus und dessen Gäste und der Wirt - hervor oder verschwinden wieder.
Mit kaum merklich veränderter Tonlage beginnt jede Figur zu sprechen und sich zu bewegen. Das Gemecker der Ziege und ihr Mantra "Ich sprang wohl über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein, mäh mäh mäh" verzückt die Kinder. Die Wiese für die Ziege breitet sich im umgedrehten Topfdeckel aus oder auf der gewendeten Tischdecke. Beim Esel kommen vorne und hinten Goldfäden heraus und auch der Knüppel aus dem Sack tanzt dem gierigen Wirt auf dem Rücken herum. Konzentration, Stillephasen und Ausbrüche von Heiterkeit wechseln einander ab.
Sprechunterricht der besonderen Art
Der Erzähler, der auch gleichzeitig den Vater der drei Brüder verkörpert, betreibt so ganz nebenbei auch Sprachunterricht, zum Beispiel wenn er ins Publikum hineinfragt, was denn ein Tischler (der Beruf des ersten Sohnes) macht und ein Kind ruft "Der arbeitet mit Holz" und andere bemerken, was er so alles herstellt. Dass es keine Selbstverständlichkeit mehr ist, dass jedes Kind weiß, was ein Müller tut, zeigt die Antwort eines Kindes als es trocken konstatiert: Der sammelt Müll! Na klar, liegt ja auch nahe!
Lipardi nimmt denn Ball auf und schon entspinnt sich ein Gespräch mit den Kindern über den Beruf des Müllers, das mit dem Lied "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach klipp-klapp" endet. Fasziniert sind die Kinder auch, wenn im Gasthaus, die zwei am großen Tisch sitzenden Dörfler im deftigsten Wienerisch (I hob oan Duascht und mei glaserl is lea) und Schwyzerdütsch palavern, jedesmal, wenn einer der drei Söhne dort einkehrt (Wos isn dees füa oana!).
Die 50 Minuten Theater vergehen wie im Flug und selbst die Allerkleinsten unter drei Jahren staunen mit offenen Augen und Mündern über das, was der Puppenspieler alles spielt und erzählt. Die Aufmerksamkeit ist mit Händen zu greifen. Das gilt auch für die hier nicht näher ausgeführte Vorstellung mit dem Eisenhans. Chapeau! Das muss man erst mal hinkriegen.
Gerne wieder, so der Kommentar der Erzieherinnen und des Publikums. Die Aufführung im Kindergarten Sankt Martin wurde durch die Teilnahme am Bundesprogramm Sprach-Kita ermöglicht, das neben der Zusammenarbeit mit Familien auch die alltagsintegrierte sprachliche Bildung fördert.