Wenn Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert in Sternberg in den Unterlagen von seiner Ausbildung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei nachschaut, stößt er auch auf einen Einsatz bei dem Attentat während der Olympischen Spiele 1972 in München. Es sind nicht nur Fotos, die er in seinem Archiv aufbewahrt, sondern vor allem ein Brief, den er in diesen Tagen an seine spätere Frau Marianne geschrieben hat. Diese hatte am 5. September 1972 Geburtstag. "Deinen 16. Geburtstag werde ich nie im Leben vergessen, denn es war der fürchterlichste Tag, den ich je zu überstehen hatte."

Er schildert gegenüber dieser Redaktion den Abend des 5. Septembers, an dem er mit Kollegen nach Fürstenfeldbruck geschickt wurde, um an der Befreiung der israelischen Geiseln mitzuwirken und das furchtbare Geschehen miterlebte. Er schrieb: "Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, heil zurückzukommen."

Um 17 Uhr wurden die jungen Polizisten nach Fürstenfeldbruck verlegt
Der Einsatz des 3. Zuges der Hundertschaft von Reinhold Albert begann am 5. September 1972 um 17 Uhr. Die jungen Polizisten wurden im Eilmarsch nach Fürstenfeldbruck verlegt. Um 18 Uhr kamen fünf Scharfschützen aus München mit dem Hubschrauber dazu. Das Flugzeug, mit dem die Terroristen fliehen wollten, stand auf dem Flugfeld. Geplant war, die Entführer mit den Geiseln in zwei BGS-Hubschraubern zum Militärflughafen nach Fürstenfeldbruck zu bringen, die Passagiermaschine jedoch nicht starten zu lassen, sondern die Terroristen vorher zu überwältigen. Anfangs wurde sogar in Erwägung gezogen, dass sich die Polizisten im Flugzeug verstecken und die Terroristen beim Einsteigen bekämpfen sollten.

Reinhold Albert: "Davon wurde jedoch Abstand genommen, denn wir waren lauter junge, unerfahrene Burschen, lediglich ausgerüstet mit einer 7,65-mm-Pistole. Wir wären mit dieser Aufgabe völlig überfordert gewesen und hatten für einen solchen Einsatz keinerlei Ausbildung und Ausrüstung." Der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und der bayerische Innenminister Bruno Merk waren vor Ort, sprachen den jungen Polizisten Mut zu und wünschten viel Glück.
Erinnerung an schreckliche Bilder
Reinhold Albert: "Wir hatten alle Muffe, angefangen vom Hundertschaftsführer bis zum Wachtmeister." Grund genug dazu hatten sie, denn kaum waren die Hubschrauber gelandet, gab es ein großes Feuergefecht. Während die Hubschrauberpiloten übers Rollfeld flüchteten, wurden die Geiseln, die aneinander gefesselt in den Helikoptern saßen, weiter in Schach gehalten. Die Scheinwerfer am Flughafengebäude wurden beschossen und erloschen. Nur mehr spärliches Licht erhellte das Rollfeld. Es sei gespenstisch und furchterregend gewesen, Albert.

An ein besonders grausames Ereignis erinnert sich Reinhold Albert in diesem Zusammenhang: "In der Tür des Flughafengebäudes, in dem wir uns befanden, lag ein als Scharfschütze eingeteilter Polizist, mit dem wir uns kurz zuvor noch unterhalten hatten. Plötzlich sah ich, dass der Kollege richtiggehend durch die Luft nach hinten flog. Er war getroffen und vermutlich sofort tot." Reinhold Albert hatte die Aufgabe, als Verstärkung eintraf, sich am Gebäude zu postieren und er kroch zu seinem Standplatz. "Kaum dort angelangt, pfiffen auch schon Kugeln einige Meter über mich hinweg in die Halle hinter mir. Ich dachte, jetzt ist es aus."
Hinter Reinhold Albert stand Franz-Josef Strauß
Auf einmal gab es eine große Detonation. Einer der Hubschrauber flog in die Luft. Ein Terrorist erschoss die anderen noch lebenden Geiseln im zweiten Hubschrauber. Dann habe Stille geherrscht. Die überlebenden Terroristen wurden festgenommen. "Die Festgenommenen kamen dann auf das Tor der Flugzeughalle zu, in der ich mich befand. Hinter mir stand Franz-Josef Strauß, der einen der Terroristen in berechtigtem Zorn beschimpfte."
"Noch heute habe ich das schreckliche Bild von dem Flugfeld vor Augen und werde es auch bis an mein Lebensende nicht vergessen." Psychologische Betreuung nach dem Einsatz habe es damals nicht gegeben, sagt der bis zu seiner Pensionierung bei der Polizeiinspektion Ebern tätige ehemalige Polizeihauptkommissar. Die jungen Beamten und alle, die dabei waren, hätten selbst mit dem Erlebten fertig werden müssen.
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Das Attentat von München 1972Am Morgen des 5. Septembers 1972 kletterten acht palästinensische Terroristen über den Zaun des Olympiadorfs in München und überfielen das Wohnquartier der israelischen Sportlerinnen und Sportler. Die Terroristen erschossen zwei Israelis und nahmen die neun weiteren israelischen Sportler als Geiseln. Auf Flugblättern, die sie vom Balkon warfen, standen ihre Forderungen: Freilassung von 232 in Israel gefangenen Palästinensern sowie der deutschen RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Israel lehnte die Forderungen ab. Die Terroristen verlangten ein Flugzeug, das in Fürstenfeldbruck stehen sollte. Der Befreiungsversuch der bayerischen Polizei auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck scheiterte. Alle Geiseln kamen dabei ums Leben. Die Aktion gilt als schlecht vorbereitet und durchgeführt. Im Anschluss gründete die Bundesregierung die Antiterror-Spezialeinheit Bundesgrenzschutzgruppe 9 (GSG 9). Kurz vor dem 50. Jahrestag des Attentats hat die Bundesregierung nach langem Streit eine Einigung mit den Familien der israelischen Opfer über deren Entschädigung erzielt. Quelle: hf