Vier Beine, zwei Hauer, vier Füße: Mammuts sehen doch irgendwie immer gleich aus, oder? Der achtjährige Jordan Schönfelder würde dem wohl widersprechen. Hochkonzentriert sitzt er am Schreibtisch im Rhöner Autismus Therapie Zentrum in Unsleben. Die Einrichtung ist einzigartig in der Region, weitere dieser Art befinden sich in Fulda und Würzburg.
Im Therapiezimmer in Unsleben knetet Jordan sein Lieblings-Tier, das Mammut. Bessert hier und da mit einem Holzstäbchen etwas nach. Modelliert geduldig die Hauer des Tieres. Die Details sind für ihn, der eine Autismus-Spektrums-Störung hat, sehr wichtig.
Bilder sind für Jordan verständlicher als gesprochene Sprache
Jordan besucht die erste Klasse der Herbert-Meder-Schule in Unsleben und wird von seiner Schulbegleiterin Katja Nöth zur Förderstunde gebracht. Rein gesprochene Sprache ist für ihn oftmals schwierig zu interpretieren, Jordan selbst kann nur wenige Worte sprechen. "Momentan ist unser Ziel, dass Jordan lernt, mithilfe des Talkers in Austausch zu gehen und etwas zu erzählen, zum Beispiel erfährt 'Ah, ich kann damit über mein Lieblingstier kommunizieren'", erklärt Autismus-Therapeutin Sabina Rott.

Der Sprachcomputer, auch Talker genannt, stellt Wörter und Buchstaben bildhaft dar. So sind nicht sprechende Menschen in der Lage, über Bilder auszuwählen, was sie sagen möchten. Die Sprachausgabe der Geräts übernimmt das Sprechen. Als Sabina Rott auf dem Gerät ein Bildchen mit einer knetenden Hand aufruft und anschließend eines mit zwei Händen, die sich übereinander schieben, versteht Jordan sofort: Schluss mit Kneten!
Routinen und Strukturen sind für autistische Personen wichtig
"Kreativität ist eine der großen Stärken von Jordan", lobt Rott. Jordan ist aber nicht nur kreativ, sondern auch technisch versiert, hat sie festgestellt. Als sie ein Tablet holt, gibt der Achtjährige flink und auswendig den mehrstelligen Code ein.

Mit dem Gerät darf er wieder seiner Leidenschaft, den Mammuts, frönen und sich ein Bild aussuchen. "Als Belohnung für die gute Arbeit. Solche Verstärker sind wichtig", weiß die Therapeutin. Und oft eine Möglichkeit, das Interesse des Klienten oder der Klientin für die Förderung überhaupt zu wecken. Nicht umsonst bevölkern Mammuts in Jordans Förderstunde den halben Schreibtisch: ausgedruckt, als Knetobjekt, in der Zahlenreihe.

Es kann zu einem Problem werden, wenn der Schreibtisch an einer anderen Seite im Raum steht oder statt der geplanten fünf nur vier Mammuts abgebildet sind. Solche Veränderungen können so schlimm für einen Autisten sein, dass es manchmal sogar zu einem Wutanfall kommt, erklärt Sabina Rott.

"Die Akzeptanz im Umfeld war vor allem anfangs oft nicht da. Wenn Jordan weglief oder wütend wurde, hieß es oft: 'Das Kind muss parieren, erzieht ihn doch mal richtig'", erinnert sich Sabrina Schönfelder, die Mutter von Jordan. Dass es an seinem frühkindlichen Autismus lag, der im Alter von etwa zwei Jahren diagnostiziert wurde, war vielen nicht klar oder sie wollten es nicht wahrhaben.
Mutter von Jordan wünscht sich mehr Aufklärung
Schließlich ist diese Behinderung von außen nicht sichtbar: "Für viele ist nur das, was sie sehen, vorhanden." Im Alltag versucht die Familie, die erlernte Struktur so gut es geht beizubehalten. Durch die Hilfe des Autismuszentrums hat sie gelernt, mit Jordans nicht immer passenden Verhalten umzugehen und "drüberzustehen".
Sabrina Schönfelder wünscht sich mehr Aufklärung, auch in Schulen und Kindergärten. Außerdem ein pragmatisches Verhalten, wenn ihr Sohn zum Beispiel an einer Supermarkt-Kasse wegläuft, weil warten für ihn schwierig ist. "Eine Frau gab ihm einmal eine Tafel Schokolade, dann war es besser. Oder man fragt einfach mal, wie man helfen kann", sagt sie.
Autisten beobachten oft sehr genau
Den einen Autisten gebe es nicht, jeder sei anders und habe seine eigenen Stärken, sagt Therapeutin Sabina Rott. Um Jordan für den Alltag fit zu bekommen, hat er im Rhöner Autismus Therapie Zentrum zum Beispiel ein Anzieh-Training absolviert oder geübt, mit Messer und Gabel zu essen.

Am Ende der Einheit darf sich Jordan am Computer ein Mammut-Bild ausdrucken und mitnehmen. Und wieder geht es um die Details. "Das ist das Besondere bei Autisten. Manchmal sehen Nicht-Autisten einen Unfall, aber den Autisten fällt die winzige Einzelheit, zum Beispiel die Uhr oben links, auf. Wirklich ganz spezielle Details, wo wir gar nicht darauf achten würden. Diese Beobachtungsgabe ist sensationell", findet Sabina Rott.
Sensationell scheint auch das Mammut zu sein, das Jordan zum Drucken auserkoren hat. Denn er strahlt, winkelt beide Arme an und ballt die Hände zu Fäusten. Mit dieser Mammutpose zeigt er seine Freude über das tolle Tier. Denn Mammut ist eben nicht gleich Mammut.