Anfang Oktober 2016 teilte Horst Knobling Kreisheimatpfleger Reinhold Albert mit, in seiner Scheune lagere eine Hausmadonna, die das Vorbild für das gegenwärtige Gnadenbild in der Findelbergkirche wäre. Er, Knobling, sei der Schwiegersohn des Saaler Kirchenmalers Peter Baumgartner (1914-1987), der in den 1960-er Jahren bei der Renovierung der Wallfahrtskirche bei Saal mitwirkte. Bei der Figur dürfte es sich um die Madonna handeln, die im 2015 erschienenen Findelbergbuch des Heimatpflegers Erwähnung finde.
In diesem Buch ist eine Überlieferung von Pfarrer Hermann Schebler, der von 1952-1973 in Saal wirkte, enthalten. Darin steht zu lesen: „Peter Baumgartner restaurierte um 1960 die Kirche in Wermerichshausen. Er kam durch Großbardorf und sah an einem Bauernhaus eine Muttergottesfigur. Sie war eines Tages nicht mehr da! Baumgartner ging hinein und erfuhr vom Bauern, dass er sie herab genommen habe, wobei sie in Trümmern ging. Baumgartner ließ sich die Trümmer geben und setzte sie in seiner Werkstatt zusammen. Auf der Suche nach einem neuen Gnadenbild sagte er es Pfarrer Schebler und gab ihm diese Figur. Gebhard Keßler (Stangenroth) schnitzte danach das jetzige Gnadenbild und fand, dass diese Figur ihr Original in USA habe (Riemenschneider-Madonna).
Peter Baumgartner fasste sie bunt.“ Besonders freute dem scheidenden Saaler Pfarrer Schebler, dass er 1973 als Abschiedsgeschenk von der Kirchengemeinde 1973 eine kleine Kopie dieser Madonna erhielt.
Altar aus Marktbreit
Zur Vorgeschichte dieses außergewöhnlichen Fundes: In den Jahren 1964 bis 1967 erfolgte eine Innen- und Außenrenovierung der Findelbergkirche. Hiermit wurde insbesondere die Kirchenmaler- und Vergolder-Werkstatt Peter Baumgartner aus Saal verantwortlich betraut. Das Glanzstück der Renovierungsarbeiten bildete die Erneuerung des Hochaltars. Der nach einem Brand von 1891 errichtete neuromanische Altar mit Figuren im Nazarenerstil wurde in den 1960er Jahren durch einen stilechten, 1733 errichteten Barockaltar ersetzt, der in der evangelischen St.-Nikolai-Kirche in Marktbreit (Landkreis Kitzingen) stand und dort bei einer Renovierung entbehrlich wurde. Der Altar konnte damals von der katholischen Kirchengemeinde Saal käuflich erworben werden.
Reste des Gnadenbilds
Für die Hauptaltarnische des neuen Findelbergaltars schuf Meister Gebhard Keßler aus Stangenroth ein wunderschönes Muttergottesbild. Als Vorbild diente die erwähnte Gipsfigur aus Großbardorf. Diese wiederum ist die Kopie einer Riemenschneiderfigur, die sich heute in einem Museum in Boston/USA befindet. In die von Keßler geschnitzte Madonna wurden die Reste des uralten Gnadenbildes, das 1891 zum Teil verbrannte, wie ein Reliquienschrein eingearbeitet. Erhalten blieb damals die Inschrift unter dem Gnadenbild von 1725, die wie folgt lautet „Getrost, o Sünder, thue nicht verzagen, Lauff zu diesem Gnadenhaus, Maria wird dir nichts versagen, Theilt häuffig Wundergaben aus“. Sie befindet sich heute auf der Rückseite des Altars, umgeben von kostbaren Votivgaben aus alter und neuer Zeit.
Lange in Vergessenheit
Reinhold Albert suchte damals Horst Knobling auf und fotografierte die Figur. Dieser berichtete dem Heimatpfleger, dass vor vielen Jahren das Anwesen seines Schwiegervaters Baumgartner verkauft wurde. Zuvor wurde es ausgeräumt. Dabei fand sich unter anderem die besagte Hausmadonna. Knobling legte sie auf einen Leiterwagen in die Scheune seines Anwesens Im Kehl 4 in Saal und deckte sie mit einem Leinentuch ab.
Dann geriet sie in Vergessenheit. Im September 2016 entdeckte er sie wieder. Horst Knobling vertrat die Auffassung, dass diese Figur, die er kostenlos zur Verfügung stelle, erhalten gehört. Der Heimatpfleger versprach ihm, sich der Sache anzunehmen.
Recherche im Internet
Bei einem Vergleich historischer und aktueller Aufnahmen am heimischen PC stellte Reinhold Albert fest, dass es eine große Übereinstimmung zwischen der aus Gips bestehenden Hausmadonna aus Großbardorf und dem von Keßler geschnitzten Gnadenbild in der Findelbergkirche gibt. Auch entdeckte er im Internet ein Foto der Riemenschneider-Madonna in Boston, die ein Vorbild bei der Erschaffung der Hausmadonna gewesen war. Diese Madonna, die im Museum of Fine Arts in Boston ausgestellt ist, wurde diesem von der jüdischen Kaufmannsfamilie Felix M. Warburg (1871-1937) vermacht. Dieser wiederum hatte sie aus der Sammlung Goldschmidt in Frankfurt am Main erworben.
Aufwändig restauriert
Reinhold Albert nahm schließlich Rücksprache mit Kirchenmaler und Restaurator Helmut Mönch in Saal. Der Fachmann teilte mit, dass die Figur erst einmal getrocknet gehört, bevor sie restauriert wird. Das dauere ungefähr ein Jahr. Durch die Lagerung in der Scheune habe sie sicherlich viel Feuchtigkeit gezogen. Dann gehöre sie gereinigt und neu gefasst. Helmut Mönch erklärte, es wäre ihm ein Herzensanliegen, diese Figur zu restaurieren und er mache lediglich Materialkosten geltend.
Kontakt wurde schließlich mit der Kirchenverwaltung Saal aufgenommen und der Kirchengemeinde der Vorschlag unterbreitet, nach erfolgter Restauration die Figur in einer kirchlichen Einrichtung zu platzieren. In diesen Tagen entschied die Kirchenverwaltung, dass die Heiligenfigur einen repräsentativen Platz in der Saaler Pfarrkirche bekommen wird.
Nunmehr ist die Figur nahezu fertiggestellt. Helmut Mönch hat in den letzten Monaten unzählige Stunden investiert, um die Madonnenfigur mit Kind wieder herzurichten. Hierbei habe er, so Mönch, auch viel über die Arbeitsweise Riemenschneiders erfahren. Er äußerte die Vermutung, dass die aus Gips gefertigte Kopie der Riemenschneiderfigur Ende des 19. Jahrhunderts von einer Werkstatt in Würzburg gefertigt wurde und dort von einer vermutlich wohlhabenden Großbardorfer Bauernfamilie für ihr Bauernhaus gekauft wurde, bis eben der Zahn der Zeit dazu führte, dass sie abgenommen und schließlich Peter Baumgartner geschenkt wurde.
Es wird weiter geforscht
Der Kreisheimatpfleger nahm schließlich noch Kontakt mit der Leiterin des Museums für Franken in Würzburg, Claudia Lichte, auf, die als die Riemenschneiderexpertin gilt. Diese schrieb: „Ganz eindeutig ist die heute in Boston befindliche Figur das Vorbild für die nunmehr restaurierte Gipsfigur. Die Übereinstimmungen sind so groß, dass ich – ebenso wie Herr Mönch – vermute, dass es sich um einen Gipsabguss des Originals handelt, dass also vom Original eine Form abgenommen wurde, die man dann mit Gips ausgießen konnte.
Dies muss nicht unbedingt in Würzburg erfolgt sein. Beispielsweise wurden auch in 1819 durch König Friedrich Wilhelm III. gegründeten Königlich Preußische Gipsgussanstalt (seit 1830 zu den Königlichen, heute Staatlichen Museen zu Berlin gehörend) seit etwas der Mitte des 19. Jahrhunderts Gipsabgüsse von Riemenschneider-Figuren gefertigt.“
Die Riemenschneiderexpertin Dr. Lichte vermutet außerdem, die Figur muss von der Sammlung Goldschmidt auf irgendeine Weise öffentlich zugänglich gewesen sein. Ein Privatmann wird wohl kaum zugelassen haben, dass eine Abgussform von seinem Kunstwerk angefertigt werde. Sie versprach weitere Nachforschungen anzustellen, um die spannende Geschichte zu ergänzen.