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Oberelsbach: Rücksichtslose Touristen in der Rhön: "Die Lage eskaliert!"

Oberelsbach

Rücksichtslose Touristen in der Rhön: "Die Lage eskaliert!"

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    Verbotener Stellplatz  in herrlicher Natur. Das Abstellen eines Wohnmobils auf einer Wiese im Naturschutzgebiet ist natürlich nicht erlaubt, kommt aber immer häufiger vor.   
    Verbotener Stellplatz  in herrlicher Natur. Das Abstellen eines Wohnmobils auf einer Wiese im Naturschutzgebiet ist natürlich nicht erlaubt, kommt aber immer häufiger vor.    Foto: Archiv Torsten Kirchner

    Ein Morgen im Herbst. Raphael Blum, Berufsjäger im Naturschutzgebiet Lange Rhön, ist auf seiner Runde, als er am "Huckel", einem kleinen Wäldchen, Qualm aufsteigen sieht. Ihm schwant nichts Gutes, und als er näher kommt, sieht er Flammen. Schnell alarmiert er die Feuerwehr, die den Brand wenig später gelöscht hat. Ein größerer Schaden ist nicht zu verzeichnen.

    Ein größerer Waldbrand im Naturschutzgebiet Lange Rhön konnte nur verhindert werden, weil dieses von Wildcampern verursachte Feuer gerade noch rechtzeitig entdeckt wurde.
    Ein größerer Waldbrand im Naturschutzgebiet Lange Rhön konnte nur verhindert werden, weil dieses von Wildcampern verursachte Feuer gerade noch rechtzeitig entdeckt wurde. Foto: Raphael Blum

    Eigentlich wäre der Vorfall nicht weiter erwähnenswert, wäre da nicht die mögliche Ursache für das Feuer und die Örtlichkeit. Die Spuren am Boden sind eindeutig: An der Brandstelle stand kurz zuvor noch ein Zelt. Zigarettenkippen, die den Brand ausgelöst haben dürften, zeugten neben einigen Flaschen von der Anwesenheit von Campern – und das mitten im Naturschutzgebiet Lange Rhön.

    Ahnungslosigkeit und Ignoranz

    Der Vorfall an sich ist schon ärgerlich genug. Erschwerend hinzu kommt, dass so etwas kein Einzelfall mehr ist. Früher seien drastische Verstöße gegen die Vorschriften seltene Ausnahmen gewesen, weiß der langjährige Gebietsbetreuer der Wildlandgesellschaft für das Naturschutzgebiet, Torsten Kirchner: "Inzwischen ist die Lage eskaliert." Eine Einschätzung, der sich Ranger Maik Prozeller nur anschließen kann. Für ihn hat sich die "Störungslage seit Corona deutlich verschärft". Dass Besucher den Naturschutz so missachten, liegt nach Ansicht von Kirchner irgendwo zwischen Ahnungslosigkeit, Ignoranz und Dreistigkeit. Sein Fazit: "Es gibt keine Tabus mehr."

    Das Naturschutzgebiet Lange Rhön gelte als "Hotspot" der Artenvielfalt in Mitteleuropa und sei gleichzeitig "Sehnsuchtsort vieler Menschen", beschreibt Klaus Spitzl, Geschäftsführer beim Naturpark Rhön die Bedeutung der Region zwischen Holzberghof und Schwarzem Moor. In Corona-Zeiten seien hier noch mehr Besucher unterwegs, um die intakte Natur zu erleben. Das solle auch so sein. Als entscheidende Aufgabe sieht er es, den Besuchern zu vermitteln, dass im Naturschutzgebiet die Natur Vorrang vor Freizeitbedürfnissen hat. Entsprechend seien die Regeln einzuhalten.

    "Wir sind auf dem Weg, dass einige seltene Arten verschwinden!"

    Torsten Kirchner, Biologe und Gebietsbetreuer in der Langen Rhön

    Dem kann Berufsjäger Raphael Blum nur zustimmen. Allerdings ist die praktische Umsetzung ein hartes Geschäft. "Man könnte ganze Tage nur mit Naturwacht-Aufgaben verbringen", schimpft er im Gespräch mit dieser Redaktion. Wanderer und Mountainbiker, die abseits der Wege unterwegs waren, hat er am Vormittag zuvor angetroffen. Ein Team eines großen Fernsehsenders filmte im Gelände, eine Drehgenehmigung konnte es nicht vorweisen.

    Nicht nur verboten, sondern  auch gefährlich. Wildcamper mit grünem Zelt vor grünen Fichten im Naturschutzgebiet. Bei ungünstigen Sichtverhältnissen könnte ein Jäger so ein Zelt übersehen.   
    Nicht nur verboten, sondern  auch gefährlich. Wildcamper mit grünem Zelt vor grünen Fichten im Naturschutzgebiet. Bei ungünstigen Sichtverhältnissen könnte ein Jäger so ein Zelt übersehen.    Foto: Archiv Torsten Kirchner

    Die Lange Rhön sei das geworden, was sie ist, weil sie sich hier lange ohne große Störungen entwickeln konnte, so Kirchner. "Viele wissen gar nicht, was sie mit ihrem Verhalten anrichten", kritisiert er. Die Regelungen für das Naturschutzgebiet seien kein Selbstzweck. "Wir sind auf dem Weg, dass einige seltene Arten verschwinden", befürchtet Kirchner.

    Hundebeutel in den Bäumen

    Das hätte durchaus auch ökonomische Auswirkungen. Denn der Erhalt von besonders geschützten Lebensräumen und Arten in der Rhön wird über den Vertragsnaturschutz jährlich mit einer siebenstelligen Summe gefördert. Gelder, die wohl gefährdet wären, würden Schutzziele wegen Störungen nicht mehr erreicht.

    Solche Störungen gehen auch durch eine zunehmende Zahl von Hundehaltern aus, die ihre Lieblinge über die Wiesen tollen lassen, wie neben Maik Prozeller auch Oliver Scheuplein von der Bergwacht Rhön beobachtet. Er und seine Kollegen sind in der Langen Rhön regelmäßig als Naturschutzstreife unterwegs. Nach beider Einschätzung hat sich mit der Zahl der Besucher die Zahl der Verstöße erhöht. Und die Zahl der Plastikbeutel mit den Hinterlassenschaften von Hunden, die überall herumliegen würden. "So sie nicht in die Bäume gehängt werden", wie das Torsten Kirchner beobachtet hat.

    Als weitere Störungen führen sie Müllablagerungen, Picknicken oder Grillen an. Dank der E-Bikes seien immer mehr Besucher querfeldein unterwegs, die es sonst nie in die Höhenlagen der Rhön geschafft hätten. In der Nacht seien Sternengucker ebenso abseits offizieller Wege unterwegs wie Hobby-Fotografen oder Vogelkundler am Tag. Im Winter seien Schneeschuhgänger oder Skitourengeher anzutreffen.

    Auch im Winter kommt es immer wieder zu Störungen im Naturschutzgebiet. Hier zogen Langläufer ihre Spuren querfeldein am Heidelstein. 
    Auch im Winter kommt es immer wieder zu Störungen im Naturschutzgebiet. Hier zogen Langläufer ihre Spuren querfeldein am Heidelstein.  Foto: Archiv Torsten Kirchner

    Was Biologe Kirchner in diesem Zusammenhang besonders hervorhebt, ist die Entwicklung zu einer permanenten Belastung. Im Gegensatz zu früher, als in der Dämmerung oder nachts kaum jemand unterwegs war, gebe es nun praktisch keine Ruhezeiten für die störungsempfindliche Natur mehr. 

    Digital Ranger 

    Und dann gibt es noch die Wohnmobilisten. Für einige Stunden ist ihr Aufenthalt auf einem der Parkplätze im Schutzgebiet gestattet. Inzwischen stehen sie nicht nur dort, sondern auch auf Schotterwegen, wo sie nichts zu suchen hätten, oder gar in den Wiesen. Manche leerten dort sogar ihr Chemieklo aus. Bis zu 20 von ihnen hat Kirchner jüngst am Parkplatz nahe des Schwarzen Moores gezählt. Im Internet werde der Platz inzwischen nach dem Motto "Super Natur, Sanitäranlagen, leckere Bratwürste und kostet nichts" vorgestellt.

    Mountainbiken in der Rhön ist beliebt. Solange es, wie hier, auf Wegen geschieht, ist nichts dagegen einzuwenden. Allerdings kommt es immer wieder zu Verstößen gegen die Schutzgebietsregeln und damit zu Störungen für die empfindliche Natur.
    Mountainbiken in der Rhön ist beliebt. Solange es, wie hier, auf Wegen geschieht, ist nichts dagegen einzuwenden. Allerdings kommt es immer wieder zu Verstößen gegen die Schutzgebietsregeln und damit zu Störungen für die empfindliche Natur. Foto: Oliver Sollbach ADFC

    Nicht zuletzt daher kommt die Forderung nach einem Digital Ranger, mit der sich auch Naturpark-Geschäftsführer Spitzl anfreunden kann: Der hätte die Aufgabe, im Internet gegen derartige Tipps oder auch Vorschläge für Wander- oder Radtouren vorzugehen, die den Bestimmung des Schutzgebiets zuwider laufen. Als weiteres Ziel sieht Spitzl den Aufbau einer Online-Besucherlenkung, die beispielsweise über die aktuelle Belegung von Parkplätzen informiert. Aber auch bei der klassischen Besucherlenkung sieht er Nachsteuerungsbedarf. So sind Verbesserungen bei der Beschilderung von Wander- und Radwegen vorgesehen, wie sie auch Ranger Prozeller fordert. Nicht zuletzt wurden 2020 zwei neue Naturpark-Ranger angestellt.

    Ein tiefer Schluck

    Und wie reagieren die Besucher, wenn sie auf Verstöße hingewiesen werden? Manche seien regelrecht dankbar, weiß Ranger Prozeller. Anderen sei das völlig egal und "einer pro Wochenende dreht durch". Ein besonderes Erlebnis hatte sein Kollege Daniel Scheffler. Er traf auf Wohnmobilisten, die schnell eine Weinflasche öffneten, tranken und ihn fragten, wie sie nun weiterfahren sollten.

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    Das Ahnden solcher Verstößen ist schwierig. Zum einen haben Prozeller, Kirchner, Blum oder Scheuplein keine rechtliche Handhabe, Personalien festzustellen. Geschweige denn, dass sie Bußgelder erlassen können. Zum anderen setzt man beim dafür zuständigen Landratsamt Rhön-Grabfeld darauf, Besucher für die empfindliche Natur der Rhön zu sensibilisieren statt zu strafen, so Sachgebietsleiterin Umwelt Doris Dellert. Bei geringfügigen Verstößen würden kostenfreie Verwarnungen ausgesprochen und die Namen der Betroffenen registriert. Es gebe praktisch keine Wiederholungstäter, was die Wirksamkeit dieses Vorgehens belege. Bei schwerwiegenden Verstößen würden natürlich empfindliche Bußgelder fällig. Und, die Zahl der Bußgeldverfahren habe sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.

    Das Naturschutzgebiet Lange RhönDas Naturschutzgebiet Lange Rhön wurde 1982 ausgewiesen und ist mit knapp 3300 Hektar das größte Schutzgebiet in Bayern außerhalb der Alpen. Auf Mähwiesen und Weideflächen findet sich eine große Vielfalt an Blütenpflanzen und Bodenbrütern. Trollblume und Arnika, Bekassine und Birkhuhn sind nur einige davon. Die Lange Rhön ist ein beliebtes Ziel für Wanderer, Radfahrer und Wintersportler. Die müssen im gesamten Gebiet auf den ausgewiesenen Wegen bleiben. Parken ist nur auf den ausgewiesenen Parkplätzen erlaubt. Das Pflücken von Pflanzen ist verboten, Hunde sind an der Leine zu halten, Müll wieder mitzunehmen, Zelten ist nicht erlaubt.top

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