Seit 65 Jahren ist Wolfgang Gärditz Imker, seit seinem zehnten Lebensjahr. Der Mühlbacher hat lange Erfahrung mit den pelzigen Insekten, die unseren Honig liefern. Aber es ärgert ihn, wenn Unwahrheiten über die Bienen verbreitet werden, wenn immer wieder Dinge behauptet werden, die aus seiner Sicht so nicht stimmen können. Gärditz weiß, wovon er spricht. Er hat Biologie studiert und in Bayreuth promoviert über das Thema „Bestäubende Insekten und Blütenpflanzen.“ Außerdem war Gärditz lange Biologielehrer am Münnerstädter Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium.
„Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“, dieses Zitat wird Albert Einstein zugeschrieben. Ob zu Recht ist fraglich. Doch es wird immer wieder wiederholt. Trotzdem ist es Blödsinn, so Gärditz. Denn alle wichtigen Nahrungspflanzen wie Weizen, Reis, Mais, Gerste oder Hirse sind sogenannte windblütige Pflanzen, erklärt Gärditz. „Die brauchen für die Bestäubung und damit für die Fruchtbildung überhaupt keine Bienen“. Kartoffeln würden sowieso über die Knollen vermehrt.
Für andere Pflanzen wie etwa Obstbäume stehen außerdem 480 Wildbienenarten, über 20 Hummelarten sowie Schmetterlinge, Fliegen, Käfer, Vögel und Fledermäuse zur Bestäubung zur Verfügung, zählt Gärditz auf. Bestäubung also gesichert
Bienen sind ursprünglich Waldtiere erklärt der Imker. Und er fügt an, : „Leider haben wir die Honigbiene genetisch genauso verbogen wie unsere kraftfutterabhängigen 10 000 bis 12 000-Liter Milchkühe. Beide Tierarten können ohne Fürsorge des Menschen kaum überleben.“
Ein Problem, mit dem Imker seit einiger Zeit zu kämpfen haben, ist „Colony Collapse Disorder“ kurz CCD. Es beschreibt den Zusammenbruch ganzer Bienenvölker. Nach dem Winter sind die Arbeiterbeinen einfach weg, weil sie zum Sterben aus dem Stock weggeflogen sind, oder sie liegen tot am, Boden. Was genau der Grund für dieses mysteriöse Bienensterben ist, weiß niemand.
Erklärungsversuche
Es gibt Erklärungsversuche. Unzweifelhaft ist für Gärditz, dass es zum Teil ein Problem der Mangelernährung ist. „Es fehlt den Bienen eine ausreichende, ganzjährige und kontinuierliche Eiweißversorgung“, sagt er. Oder anders, es fehlen die Pollen von blühenden Pflanzen, wenn zum Beispiel Wiesen zu früh gemäht werden oder auch noch die allerletzten Streifen mit Wildblüten – zum Bespiel am Straßenrand – den Mähwerken zum Opfer fallen.
Monokulturen von Selbstbefruchtern oder Windbefruchtern wie Soja oder Mais interessieren Bienen nicht, macht Gärditz deutlich. Die reizen ihre Sinnesorgane überhaupt nicht. Die fallen also als Nahrungsquelle aus. Die Folge der mangelhaften Ernährung: geschwächte Bienenvölker. Da ist sich Gärditz mit vielen seiner Imkerkollegen einig.
Ein weiterer Grund, der als Ursache von CCD genannt wird, ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Dass kann aus seiner Sicht nicht sein. Gärditz belegt das mit der Entwicklung eines Bienenvolkes über das Jahr gesehen. Da gibt es nämlich unterschiedliche Bienenarten. Zum Einen die kurzlebigen Sommerbienen, die nur etwa sechs Wochen alt werden. Die letzten sterben im August und September, so Gärditz. Die Winterbienen dagegen leben viel länger, erklärt der Bienenfachmann. Sie werden von Ende August bis Ende Oktober geboren. Sie leben bis ins Frühjahr und überwintern im Stock.
Gerade die Winterbienen werden aber von CCD hinweggerafft. Und das spricht aus der Sicht von Gärditz eindeutige gegen die Insektizid-Theorie. Denn Winterbienen kommen überhaupt nicht mit Spritzmitteln in Kontakt. Wenn Bienen mit Pflanzenschutzmitteln in Berührung kommen könnten, dann wären das die Sommerbienen. Sie würden die Pflanzengifte in Nektar oder Pollen in den Stock bringen und an die Bienenlarven verfüttern, dann würde die Brut absterben, so Gärditz. Es käme logischerweise also während oder nach der „Spritzsaison“ zum Zusammenbruch der Bienenvölker, folgert er – und nicht im Winter.
Aber Gärditz hat eine Theorie, wie es zu den CCD-Ausfällen kommen kann. Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, deutet alles auf eine Virusinfektion der europäischen Honigbienenvölker hin, erklärt er. Er vermutet, dass die Varroa-Milbe, ein Parasit, mit dem die Imker seit den 80er Jahren zu kämpfen haben, in ihren Speicheldrüsen einen „stillen Begleiter“ mitgebracht hat, eben das Virus, das die Bienen hinwegrafft. Er vergleicht das mit einer Pest-Infektion, bei der Floh als Zwischenwirt fungiert, der den Erreger von der Ratte auf den Menschen überträgt. Die Varroa-Milbe könnte also eine ähnliche Funktion wie der Pestfloh haben, vermutet Gärditz.
Kein Heilmittel in Sicht
Sollte sich seine Vermutung bewahrheiten, dann wäre zwar der Grund für das Bienensterben gefunden, doch noch immer keine Lösung. Impfungen seien kaum machbar und auch wenn es gelingen sollte eine resistente Bienenart entweder durch Mutation oder durch Züchtung zu bekommen, wie könnte die zeitgleich und flächendeckend eingeführt werden, fragt Gärditz. Zur Zeit besteht aus seiner Sicht deshalb wenig Hoffnung auf eine stabile, langfristige Lösung für die Heilung der europäischen Honigbiene.