Hannelore Ruhnau aus dem Bad Königshöfer Stadtteil Aub hat kürzlich Post bekommen von der Stadt. Die 83-Jährige, die im Unteren Schmalgarten wohnt, soll Erschließungsbeiträge zahlen. Hinter ihrem Garten wird eine alte Straße für das Neubaugebiet Schmalgarten erschlossen. Östlich, zur Rechten, wird die Straße bis zu ihrer Garageneinfahrt hergerichtet. Der Dame gehört auch ein Baugrundstück just auf der anderen Seite dieses rechten Wegstücks. Macht zusammen 141.000 Euro, die Hannelore Ruhnau zu zahlen hat. In drei Tranchen plus einer Schlussrate.
Wer Hannelore Ruhnau kennenlernt, der begegnet einer freundlichen, gefasst wirkenden Dame. Wie sehr das Thema die pensionierte Lehrerin mitnimmt, ist auf den ersten Blick nicht zu erahnen. Aber es zehrt an den Nerven der Seniorin. Erst vor ein paar Monaten hat sie ihren Mann verloren, im Jahr zuvor musste sie Abschied von ihrem Sohn nehmen, der an Krebs gestorben war. Um mit dem Ärger wegen der Erschließungskosten klar zu kommen, bleibt der Witwe ihre Tochter im fernen München. Und ihre Nachbarn Ursula und Robert Seufert.
Persönliche Umstände sind das eine. Das andere sind die strengen Regeln des Beitragsrechts. Die sorgen derzeit für mächtig Ärger in Aub. Noch mehr aber, so der Vorwurf, eine angeblich schlechte Informationspolitik der Stadt.
Knifflige Angelegenheit
Das Auber Straßen- beziehungsweise Baugebietsprojekt ist eine knifflige Angelegenheit. Mitte der Siebzigerjahre hatte die damals noch selbstständige Gemeinde Aub Straßen als eine Art Ortsabrundung rund um das Dorf angelegt. Laternen oder eine Entwässerung gab es für die Straßen nicht. Teil dieses gedachten Rings ist die Straße "Unterer Schmalgarten", wo Ursula Seufert mit ihrer Familie lebt. Vor 31 Jahren haben sie ihr Haus gebaut. Hinter dem Garten verläuft seitdem besagte Straße.

Diese hat ab dem Jahr 2000 allerdings größere Bedeutung gewonnen. Denn damals wurde das neue Baugebiet Oberer Schmalgarten ausgewiesen. Die alte Straße trägt entsprechend den Namen "Oberer Schmalgarten". Anfangs gab es nur wenige Interessenten für das Gebiet, die ohne größeren Aufwand an die bestehenden Versorgungs-Netze angeschlossen werden konnten. Doch in den vergangenen Jahren kamen einige Neubauten auf der nördlichen Straßenseite hinzu. Das heißt aber auch, dass für den "Oberen Schmalgarten" Kanal-, Wasser- und Stromleitung sowie eine Straßenbeleuchtung nötig wurden, zumal sich zwei weitere Interessenten für einen Bauplatz gemeldet haben. Am 29. Juli dieses Jahres rückten die Bagger an, um die Straße "Oberer Schmalgarten" für das Neubaugebiet zu erschließen.
Böse Überraschung für die Altanlieger
Für die Alt-Anlieger, die über die Straße "Unterer Schmalgarten" erschlossen sind, kamen die Bauarbeiten überraschend. Aber sie ahnten wohl das drohende Ungemach. Eigentlich war man davon ausgegangen, dass mit Zahlungen in den Siebziger Jahren für grundlegende Arbeiten an der einstigen Ringstraße alles erledigt sei. Die Anwohner, darunter auch Ursula und Robert Seufert, erklären sich die plötzlichen Erschließungsarbeiten mit einer besonderen Fristenregelung. Denn mit der Erschließung des Baugebietes im Jahr 2000 endet zum Jahreswechsel 2024/2025 die Frist von 25 Jahren, innerhalb derer eine Baumaßnahme abgeschlossen sein muss, um für diese Erschließungsbeiträge erheben zu können. Genau unter diese Regelung könnte die Straße "Oberer Schmalgarten" in Aub fallen.
Die Altanlieger suchten das Gespräch mit der Stadt. "Aber wir wurden vertröstet, weil noch keine Aussagen gemacht werden können, weil die Rechtslage noch zu prüfen sei", erinnert sich Ursula Seufert. Die nichtöffentliche Anlieger-Information fand erst am 4. November statt. Auf einer vielseitigen Powerpoint-Präsentation erläuterten Bürgermeister Thomas Helbling, Nadine Mauer und Rainer Jäger vom städtischen Bauamt die rechtliche Beurteilung, für die man die Expertise der Rechtsaufsicht am Landratsamt sowie des Bayerischen Gemeindetages herangezogen habe.
Provisorium Ja oder Nein?
Gemäß dieser rechtlichen Beurteilungen greife die 25-Jahres-Frist im Falle Aub nicht. Bei der Straße "Oberer Schmalgarten" habe es sich stets um ein Provisorium gehandelt. Die erstmalige technische Herstellung habe erst mit der Ausweisung als Baugebiet 2000 begonnen. Auch von einer historischen Straße gemäß dem Beitragsrecht sei nicht zu sprechen, da sie erst nach dem Inkraftreten des Bundesbaugesetzes errichtet worden sei.

Um allerdings diese und weitere juristische Feinheiten zu prüfen, habe es intensiver Recherchen auch im Stadtarchiv bedurft, begründet die Stadt die späte Einberufung einer Anliegerversammlung erst im November. Und genau das stößt Anwohnern und Anwohnerinnen wie Ursula Seufert sauer auf: "Uns ärgert vorwiegend, dass niemand von den Alteingesessenen im 'Unteren Schmalgarten' informiert wurde. Ich kann nicht als Privatmann ein Bauprojekt beginnen, wenn die Finanzierung nicht steht und nicht sicher ist, wer letztendlich an den Kosten beteiligt ist. Keine Bank gibt da Kredit – das weiß ja jeder", sagt die Anwohnerin gegenüber dieser Redaktion.
Helbling spricht von Zugzwang
Vor allem die ihrer Meinung nach schlechte Kommunikation der Stadt mit den Anliegern kritisiert Seufert. Ähnliche kritische Stimmen wurden bereits in der Stadtratssitzung Anfang November laut. "Der menschliche Umgang, Bürgernähe und die Art und Weise, die vorläufige Rechnung präsentiert zu bekommen – einfach traurig!", findet Ursula Seufert.
"Ich verstehe, dass da jetzt Verärgerung herrscht. Aber wir standen unter Zugzwang bei den Erschließungsarbeiten, nachdem wir zwei sehr konkrete Anfragen für Bauplätze hatten", sagt Bürgermeister Thomas Helbling auf Nachfrage. Dass sich so komplizierte rechtliche Prüfungen ergeben würden, sei ebenfalls nicht absehbar gewesen, ergänzt der Bürgermeister.
Bürgermeister Thomas Helbling rechtfertig späte Information
Der Ärger um den Straßenbau beherrschte jüngst auch die Bürgerversammlung im Bad Königshöfer Stadtteil. Konkret wurde Bürgermeister Thomas Helbling dafür verantwortlich gemacht, nicht rechtzeitig informiert zu haben. "Ich hätte ihnen lediglich sagen können, dass ich nicht weiß, ob Belastungen auf sie zukommen", sagte Helbling in der Versammlung.
Erst nach vielen Recherchen im Archiv der Stadt habe sich herauskristallisiert, dass die Straße 2002 gebaut wurde, allerdings ohne die notwendigen Erschließungsmaßnahmen wie Strom, Kanal und Wasser. "Das aber wussten wir nicht und so gingen wir davon aus, dass alles vorhanden ist." Letztendlich sei dies ein Versäumnis des Stadtrates von damals gewesen, "das fällt uns jetzt auf die Füße", so Helbling in Aub.
Anwohner nehmen Ortssprecher in Schutz
Dort gab es auch heftige Kritik an Ortssprecher Michael Ebner, der in einem Brief gar als "heuchlerischer Vermittler im Namen der Stadt" genannt wird. Gegen diese "unhaltbaren Vorwürfe" verwahrte sich Ebner. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und die Bürger informiert. Von diesen sei ja der Wunsch an ihn herangetragen worden, sich für ein neues Baugebiet einzusetzen.
Wenn man in Aub der Meinung sei, er setze sich mehr für die Stadt als die Bürger in Aub ein, dann stelle er sein Amt zur Verfügung. "Ich werfe jedoch mein Amt als Ortssprecher nicht hin", so Ebner in der Versammlung. "Dass Michael Ebner einen anonymen Brief bekommen hat, verurteilen wir aufs Äußerste", betonen Hannelore Ruhnau, Renate und Robert Seufert gegenüber dieser Redaktion.
Ein Biss in den sauren Apfel
Derweil bleibt den Altanliegern im "Oberen Schmalgarten" nichts anderes übrig, als noch im Dezember ihre erste Rate zu entrichten. "Ich werde wohl in den sauren Apfel beißen müssen", sagt auch Hannelore Ruhnau.
Trotz aller Klagen über die städtische Kommunikation ist ihr und dem Nachbars-Ehepaar Seufert doch eines auch wichtig: "Unabhängig von dem Ärger mit dem Straßenbau sind wir froh um jede junge Familie, die in Aub bleibt. Wir freuen uns mit und über unsere neuen Nachbarn", sagen sie unisono.