Das Streckbier ist kein fröhlicher Schluck mehr aus Ostheim. Der guten Laune und vor allem der Aufbruchstimmung in der geschichtsträchtigen Brauerei in der Ostheimer Jahnstraße tut das keinen Abbruch. Mit dem neuen Inhaber musste zwar der alte Werbeslogan "Der fröhliche Schluck aus Ostheim" weichen. Doch der neue Marken-Spruch "Streck-Bräu - Die Biermacher" drückt vor allem eines aus: Die Streck-Bräu und das neue Mutterhaus der Pfungstädter Brauerei im hessischen Seeheim-Jugenheim sind zu einer Familie zusammengewachsen. Denn auch die Pfungstädter nennen sich "Die Biermacher".
Das Wunder der Übernahme
Im Juni 2023 geschah das "Wunder von Ostheim". Der hessische Anlagenbauer Lauer, dem auch die Pfungstädter Brauerei gehört, hatte die Ostheimer Brauerei übernommen und damit gerettet. Einige Wochen zuvor hatte der damalige Brauerei-Chef Axel Kochinki die Schließung seiner Familien-Brauerei angekündigt.
2018 hatte man noch das 300. Jubiläum groß gefeiert, eigens wurde das "1718"-Bier vorgestellt, das an das Gründungsjahr erinnert. Die drohende Schließung wurde mit Entsetzen aufgenommen, die Rettung praktisch in letzter Minute mit umso größerer Erleichterung, auch in der Stadt Ostheim selbst.

Und heute, rund neun Monate später? "Es ist und bleibt ein kleines Wunder. Wir sind gekommen und haben alles für erhaltenswert befunden", sagt Caroline Maiwald, zuständig für das Marketing bei den Biermachern in Ostheim wie im hessische Seeheim-Jugenheim, wo der Investor Lauer seinen Sitz hat. Maiwald weiß, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Beginn gefragt haben, wo da der Haken an der Sache ist. Doch den scheint es bisher nicht gegeben zu haben.
Millionen-Investitionen in die Rhöner Schwester
Die Hessen investieren seit der Übernahme kräftig in ihre kleine Rhöner Schwester. Von Millionenbeträgen ist die Rede. Die Kühlanlage, die schon länger in der Lagerhalle gestanden hatte, wurde schnell in Betrieb genommen. Als Nächstes steht die Modernisierung des Lagerkellers an. "Wir modernisieren und erweitern die Lagerkeller. Damit können wir die Kapazitäten erhöhen. Und wir werden flexibler in der Produktion und können zum Beispiel mehr Saisonbiere brauen", freut sich Caroline Maiwald. "Wir haben Platz zum Wachsen und eine gute Mannschaft", lobt Maiwald.
Mehr Sorten durch größere Lagertanks
Am Ende wird eine Verdoppelung des Volumens stehen. Auch Weizenbier, ein Renner im Programm, könne dann verstärkt produziert werden. "Bisher ist der Lagerkeller unser Flaschenhals", erklärt Außendienstmitarbeiter Christian Zinn. Der freut sich schon auf vermehrte Saisonbiere wie das Doldengrün oder Bockbier-Spezialitäten. Überhaupt könnten durch die Erweiterung auch neue Biersorten angeboten werden. Wer den Markt beobachtet, weiß, dass die Nachfrage nach unterschiedlichsten Sorten abseits der Klassiker Pils und Hefe stetig wächst. Auch alkoholfreie Biere seien ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Das Sudhaus mit seinen markanten und von außen einsehbaren Kupferkesseln soll ebenfalls modernisiert werden. "Wir wollen es energieeffizienter und nachhaltiger gestalten", kündigt Maiwald an. Die Investitionen hören auch nicht bei der Abfüllanlage auf. "Wir haben einen verbesserten Inspektor angeschafft", erzählt Maiwald. Dieses Gerät kontrolliert die Getränkeflaschen blitzschnell auf Beschädigungen oder Verschmutzungen und sortiert nötigenfalls aus.
Auf dem Weg zur Erlebnis-Brauerei
Das historische Brauereigebäude in der Jahnstraße mag etwas in die Jahre gekommen sein, es strahlt aber doch den Glanz regionalen Handwerks aus. Und genau das wollen sich die Biermacher aus Seeheim-Jugenheim zunutze machen. "Wir wollen Führungen und Verkostungen in unserer Brauerei organisieren, um näher in Kontakt mit den Kunden zu sein", kündigt Maiwald an. Das wäre freilich eine schöne Bereicherung des touristischen Angebotes in der Rhön. In den nächsten fünf Jahren möchte man sich zu einer solchen "Erlebnis-Brauerei" entwickeln, kündigt die Marketing-Expertin an.
Das Personal wurde sogar aufgestockt
Gerüchte, die Streck-Bräu wolle Räumlichkeiten der ehemaligen StoXBräu in Stockheim für ein ähnliches Angebot nutzen, dementiert Maiwald. Aber sie bestätigt, dass der dortige Brauer Christian Schmitt mittlerweile im Streck-Bräu-Team um Chefbrauer Tim Metzger seine Erfahrung einbringt. Fünf Brauer sind in Ostheim angestellt, insgesamt stehen rund 25 Leute in Lohn und Brot bei den Ostheimer Biermachern. "Das Personal wurde sogar aufgestockt", freut sich Caroline Maiwald.
Ein Standbein, das nach Ende der Corona-Pandemie wieder wichtiger geworden ist, ist die Ausstattung von Festen und ähnlichen Veranstaltungen. "Feste sind ein Teil der Heimat und der Region", sagt Maiwald. Darum gebe es jetzt auch eine feste Bezugsperson, die für Festausstattungen und die Schank-Einrichtungen zuständig ist.
Alles in allem also gute Stimmung bei Streck in Ostheim, wo man sich auch über gleich sieben Bundesehrenpreise am Stück für 2024 freut. Damit erhielt jedes der eingereichten Biergetränke eine Auszeichnung. Es klingt alles danach, was Caroline Maiwald ihren neuen Kolleginnen und Kollegen in der Rhön nach Übernahme sagte, als die Angst vor einem Haken an der Sache noch groß war: "Nein, ihr habt einfach Glück gehabt".