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RHÖN: Tropfnass, bettelarm und doch ein Juwel

RHÖN

Tropfnass, bettelarm und doch ein Juwel

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    Durch großflächige Waldrodung vor etwa 800 Jahren und die anschließende lange landwirtschaftliche Tätigkeit des Menschen ist fast nichts vom ursprünglichen Landschaftsbild der Hochrhön übrig geblieben. Umso beeindruckender ist die Tatsache, dass die Moorkörper im Naturschutzgebiet Lange Rhön noch fast komplett vorhanden sind.

    Das bedeutendste Rhönmoor ist zweifellos das Schwarze Moor in der Nähe des Dreiländerecks mit einer Größe von rund 60 Hektar. Die beiden Moore aus der zweiten Reihe, „Großes Moor“ (rund neun Hektar) und „Kleines Moor“ (etwa drei Hektar) auf dem Stirnbergsattel, sind weitgehend bewaldet.

    Erst die Nationalsozialisten begannen im Rahmen des bekannten „Hellmuth-Plans“, das Schwarze Moor auszutrocknen. Die vom Reichsarbeitsdienst bereits begonnenen Entwässerungsarbeiten für die geplante Ausbeutung des meterhohen Torflagers wurden aber schon im Jahre 1939 mit der Ausweisung des Naturschutzgebiets „Schwarzes Moor“ gestoppt – im Nachhinein ein großer Glücksfall und ein kleiner Lichtblick in einem düsteren Kapitel deutscher Geschichte.

    Ein Moor wie aus dem Lehrbuch

    International angesehene Moorspezialisten bekommen leuchtende Augen, wenn sie das Schwarze Moor erleben oder ein Luftbild zu sehen bekommen. Wie im Lehrbuch der Moorkunde kann man die Abfolge der Zonen eines natürlichen Hochmoores studieren: Ein schmales Band aus sehr nassen Niedermooren umringt das etwas trockenere und licht bewaldete Randgehänge, bevor sich das zentral gelegene Hochmoor aufwölbt. Dort sieht es dann so aus, wie man sich ein Moor vorstellt.

    Torfmoospolster wechseln sich ab mit dunklen Schlenken (lang gezogene Vertiefungen) und Wasserlöchern, in denen bräunlich gefärbtes Wasser steht. Der seit Mitte der 1980er Jahre gut ausgebaute Moorsteg (2,7 Kilometer) mit zahlreichen Hinweistafeln zählt zu den Höhepunkten der Rhön und lockt an Spitzentagen mehr als 5000 Besucher in dieses Landschaftsjuwel.

    Das „unnütze Unland“ zählt heute mit zum wertvollsten Kapital der Rhön – Naturschutz hat sich hier ausgezahlt. Andernorts wurden Moore großflächig entwässert und für medizinischen Badetorf, Brennmaterial und Pflanzenerde abgetorft. So wurden, wie das Rote Moor auf der hessischen Hochrhön, mehr als 95 Prozent der Moorflächen Deutschlands zur Ader gelassen.

    Ein Millimeter Zuwachs im Jahr

    Erst nach der letzten Eiszeit in Mitteleuropa vor rund 10 000 Jahren sind unsere Moorgebiete entstanden. Wie in einem großen flachen Suppenteller mit tonigem Untergrund haben sich Pflanzen angesiedelt, die mit dem stets nassen Umfeld extrem gut zurecht kamen.

    Die wichtigste Rolle zum Anwachsen eines Moorkörpers spielt dabei das Torfmoos. Mit unterschiedlichen Arten bildet es etwa 80 Prozent der Torfmasse. Weil Torfmoospflanzen am unteren Ende absterben während sie an der Spitze weiter wachsen, konnten über Jahrtausende beeindruckende Torfmächtigkeiten aufgebaut werden.

    Die in den Torfmoosen gebildeten Huminsäuren führen in Verbindung mit Sauerstoffmangel zu einer Konservierung des abgestorbenen Pflanzenmaterials. Man kann das durchaus mit der Konservierung von sauren Gurken im Einmachglas vergleichen.

    So wachsen im Durchschnitt ein bis zwei Millimeter Torf pro Jahr hinzu. An den tiefsten Stellen haben sich im Schwarzen Moor über die Jahrtausende sieben bis acht Meter Torf aufgebaut – hier gibt es keine Steine.

    Dadurch, dass diese Torfauflage die Verbindung zum Grundwasser absperrt, wird das Hochmoor – im Gegensatz zum Niedermoor – alleine vom Regenwasser versorgt.

    Aus diesen Gründen ist der Hochmoorboden nicht nur extrem sauer, sondern auch nährstoffarm. Es schaffen nur wenige Hungerkünstler, bei diesen Bedingungen zu bestehen.

    Der bekannteste Spezialist unter ihnen ist der insektenfressende Sonnentau. Mit Hilfe seines klebrigen Saftes lockt er kleine Mücken an, die von seinen Tentakeln festgehalten und verdaut werden.

    Verblüffend ist der Reichtum an Beeren, die ein so karges Moor hervorbringt. Rausch-, Moos-, und Krähenbeeren bieten wahre Leckerbissen für Birkhühner und andere Moorbewohner. Unter den Bäumen schafft es nur die Kiefer im zentralen Hochmoor zu bestehen. Dabei ist jede von ihnen einmalig schön – wie Bonsai-Bäume wirken sie und widerstehen den unwirtlichen Lebensbedingungen. Die ältesten dieser markanten Nadelbäume im Schwarzen Moor dürften 80 bis 100 Jahre alt sein.

    Moorleiche „Ludwig“

    Die Gefahr, im Moor komplett zu versinken, ist gering. Allerdings könnte man etwa in Hüfthöhe stecken bleiben. Das Herauskommen aus einem morastigen Moorloch gestaltet sich als sehr mühevoll, ist manchmal sogar für körperlich fitte Menschen unmöglich. Der Tod durch Erfrieren ist also wahrscheinlicher als durch Ertrinken beziehungsweise Ersticken. Die Konservierung von vollständig versunkenen tierischen und auch menschlichen Körpern funktioniert hervorragend, weshalb immer wieder einmal sogenannte „Moorleichen“ bei Abbauarbeiten auftauchen.

    An Pfingsten im Jahre 1955 wurde auch im Schwarzen Moor eine Moorleiche entdeckt, die in einem Moorgraben lag. Der Mann wurde unter dem Arbeitsnamen „Ludwig“ am Anatomischen Institut der Universität in Würzburg untersucht. Die Moorleiche wurde als „gut erhalten“ beschrieben, die Kleidungsreste wiesen auf einen Soldaten der ehemaligen Wehrmacht hin, der seit 1935 vermisst worden war.

    Gefahren für das Moor

    Dem Moorbesucher, der nur alle paar Jahre den Moorsteg begeht, fällt deutlich auf, dass immer mehr Bäume die Hochmoorfläche erobern. Das führen Wissenschaftler auf durchschnittlich trockenere Jahre in Verbindung mit Nährstoffeinträgen durch den Regen zurück. Durch Luftverschmutzung und Abgase kommen in heutiger Zeit Stickstoffmengen in die Böden, die es in den vergangenen Jahrhunderten so nicht gab – das Moor wird quasi „gedüngt“.

    Damit verändern sich die Standortbedingungen und Bäume können besser Fuß fassen. Die erhöhte Wasserverdunstung durch die Bäume führt zu weiterer Austrocknung. Das belegt auch die Ende Juli blühende Besenheide.

    Mit dem Wissen um seine Notwendigkeit für die Erhaltung der Moore lässt sich für Rhönbesucher nun der nächste Regen vielleicht besser ertragen.

    Führungen durch das Schwarze Moor kann man über das Haus der Langen Rhön, Tel. (0 97 74) 91 02 60, buchen.  

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