Uwe Kippnich hat in seinen über 35 Jahren Tätigkeit beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) schon vieles erlebt. Er war bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften im Einsatz, hat diverse Großübungen geleistet, seine Expertise bei der Bewältigung von nationalen wie internationalen Katastrophen wird europaweit geschätzt.

Die Bilder des verheerenden Hochwassers im Ahrtal beschäftigen den Sälzer aber teilweise noch heute. "Das ist unvorstellbar gewesen und selbst nicht vergleichbar mit der Flut 2002 in Dresden", sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion.
Dreimal vor Ort im Flutgebiet
Seine Reaktion rührt aber nicht etwa von Fernsehaufnahmen. Der Koordinator der Sicherheitsforschung der BRK-Landesgeschäftsstelle München war insgesamt dreimal vor Ort im Flutgebiet und konnte sich ein eigenes Bild von den verheerenden Auswirkungen machen – zum Zeitpunkt der Katastrophe im Juli und zuletzt Ende Oktober. Der Grund: In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt fand dort eine Drohnenbefliegung statt.

Konkret war das Ziel des Projekts, mithilfe einer etwa zehn Kilogramm schweren Drohne Vorher-Nachher-Karten und 3D-Simulationen zu erstellen. Durch den Vergleich der Drohnendaten mit Luftbildern, die vor und während des Hochwassers im Juli mit Hubschrauber und Flugzeug aufgenommen wurden, sollten Veränderungen – beispielsweise Schäden oder Wiederaufbaumaßnahmen - erkannt und dokumentiert werden.

Wenn aus Theorie schnell Praxis wurde
"Von der Forschung ging es so direkt in die Anwendung", erklärt Uwe Kippnich, der schon länger an solchen nationalen und internationalen Projekten arbeitet. Der Bildervergleich zeigte auch den erfahrenen Kräften vor Ort das unvorstellbare Ausmaß dessen, was das Hochwasser in den betroffenen Gebieten - in diesem Fall in Altenahr und Altenburg - angerichtet hat. So sahen sie unter anderem eindrucksvoll, dass ein Campingplatz durch die Fluten schlicht und ergreifend weggerissen wurde.
Bei der zweitägigen Forschungsmission, die im Nachgang der Katastrophe im Ahrtal im Rahmen des deutsch-österreichischen Verbundprojektes AIFER (Künstliche Intelligenz zur Analyse und Fusion von Erdbeobachtung- und Internetdaten zur Entscheidungsunterstützung im Katastrophenschutz) durchgeführt wurde, war viel lokale Kompetenz direkt mit involviert.

Leitstelle in Schweinfurt hatte entscheidende Rolle
Neben Teilnehmern der Bergwacht Rhön-Spessart - diese stellte die Drohne und führte die Flüge durch - des BRK Kreisverbandes Rhön-Grabfelds oder des Technischen Hilfswerkes hatte allen voran die Integrierte Leitstelle des BRK in Schweinfurt eine entscheidende Rolle im Projekt. "Sie war in der Akutphase der Flut deutschlandweit das Bindeglied zwischen den Einsatzkräften direkt vor Ort und dem Satellitenzentrum in Oberpfaffenhofen", freute sich Uwe Kippnich über die reibungslose und äußerst wichtige Unterstützung aus der Heimat.
Hervorheben möchte der Sälzer auch das komplexe Hilfeleistungssystem des Bayerischen Roten Kreuzes, bei dem sich viele Ehrenamtliche in verschiedenen Spezialeinheiten mit ihrer Expertise aus dem Beruf für den Bevölkerungsschutz engagieren. Diese und andere Forschungsaktivitäten werden auf örtlicher Ebene durch den Kreisgeschäftsführer Ralf Baumeister und den Kreisbereitschaftsleiter Bernd Roßmanith eng begleitet und unterstützt.

Konkret versorgte die Leitstelle auf Anfrage die Beteiligten vor Ort mit entsprechendem aktuellem Karten- und Bildmaterial und somit mit wichtigen und aktuellen Lageinformationen.
Vorfälle kommen immer häufiger vor
Auch mit deren Hilfe half die Befliegung dabei, in der Zukunft Drohnendaten in ein digitales Lagebild zu implementieren. So will man fortan einen besseren und schnelleren Überblick über Krisengebiete erhalten. Denn: "Die Intervalle solcher Vorfälle werden aufgrund des fortschreitenden Klimawandels immer kürzer", sagt Kippnich.

Für den Sicherheitsforscher lieferte der Aufenthalt im Ahrtal neben wertvollen Dokumenten aber auch viele menschlich wertvolle Treffen. Zum einen gab es ein Wiedersehen mit den lokalen Einsatzkräften, mit denen man schon zum Zeitpunkt der Flut im Juli eng zusammengearbeitet hatte. Aber gerade die Gespräche mit Betroffenen, die oftmals ihr komplettes Hab und Gut verloren haben, sorgten auch bei den erfahrenen Kräften für emotionale Momente. So beispielsweise bei der Übergabe einer Vorher-Nachher-Karte an eine betroffene Familie aus Reimerzhoven (siehe Foto).
Wichtiges Mittel zur Krisenbewältigung
Während der Flut haben hier die Spezialisten des Erkundungsteams vom BRK Kreisverbandes Rhön-Grabfeld mit einem Amphibienfahrzeug wesentliche Erkenntnisse geliefert, was unter anderem für die satellitengestützte Kriseninformation genutzt wurde. "Das ist wertvoll und sehr wichtig für diese Menschen bei der Bewältigung der Ereignisse", schilderte Uwe Kippnich.
Das AIFER-ProjektDas deutsch-österreichische Verbundprojekt AIFER entwickelt Methoden der Künstlichen Intelligenz, um Informationen aus Satelliten-, Luftbild und Drohnendaten sowie aus Geo-sozialen Medien und Nachrichten automatisiert zu extrahieren und intelligent zu fusionieren. Ziel des Projekts ist es, zu einem gesamtheitlichen und dynamisch aktualisierten Lagebild beizutragen. So sollen entsprechende Behörden und Organisationen zielgerichtet bei ihren Entscheidungen unterstützt werden. Uwe Kippnich ist Projektleiter beim BRK.Quelle: AIFER/chü