Mittwochmorgen, kurz vor 10 Uhr vor dem Valeo-Werk in der Siemensstraße unweit des Bahnhofs in Bad Neustadt: Immer mehr Menschen füllen den Platz, aus allen Richtungen kommen sie gelaufen. In einem langen Tross bewegen sich auch Siemens-Mitarbeitende aus der Industriestraße in Richtung Valeo-Vorplatz, rund 400 sind es nach Angaben der IG Metall.
Viele der etwa 1000 Demo-Teilnehmenden schwingen rote Fahnen oder halten Plakate in den Händen. Die Stimmung ist gedrückt, die Mienen ernst. Mancher kämpft mit den Tränen. Der Schock über die Nachricht vom vergangenen Freitag, dass bei Valeo in Bad Neustadt 310 Stellen abgebaut werden sollen, steht allen ins Gesicht geschrieben.
Rund 1000 Demonstranten bei Kundgebung in Bad Neustadt
Vor Ort sind auch Vertreter der IG Metall, der Valeo-Werke in Ebern und Bad Rodach und regionaler Industrieunternehmen wie Bosch Rexroth Schweinfurt und Volkach, Preh, Lisi Automotive und Reich Mellrichstadt, SKF, ZF und Schaeffler aus Schweinfurt, Gardner Denver, und BSH, um ihre Solidarität auszudrücken.
Auch viele Politiker zeigen Gesicht: Neben Landrat Thomas Habermann und Bürgermeister Michael Werner sind SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar, CSU-Landtagsabgeordneter Steffen Vogel sowie die Landtagskandidaten Frank Helmerich (FW) und René van Eckert (SPD) unter den Teilnehmenden.
Gewerkschaftssektretärin Nadine Knauff und Valeo-Betriebsratsvorsitzende Jessica Reichert zeigen sich "überwältigt" von der großen Anzahl Unterstützerinnen und Unterstützer. Als es 2010 um die Zukunft des Siemens-Standortes Bad Neustadt gegangen sei, sei mit Valeo die Elektromobilität hier platziert worden, erinnert Reichert. Mit dem Stellenabbau setze Valeo Kompetenz und Qualität aufs Spiel.
"Wir haben unser Herzblut in diesen Standort und diese Produkte gesteckt und die Produktion zum Laufen gebracht, Kinderkrankheiten ausgemerzt, an Samstagen und Sonntagen gearbeitet, Mehrarbeit geleistet. Wir haben Standorte in China und Polen dabei unterstützt, ihre Produktion zum Laufen zu bringen. Und das alles ist der Dank?", ruft Reichert der Menge zu, untermalt von Buh-Rufen und Triller-Pfeifen.
Sie schildert, wie der Arbeitgeber nach der Entlassungs-Ankündigung in Heustreu ohne einen weiteren Blick auf die Mitarbeitenden und die Möglichkeit für Fragen den Raum verlassen habe und davon gefahren sei. Ihre Schilderungen sorgen für Kopfschütteln in der Menge. Mit seinen Aussagen, der Abbau erfolge sozialverträglich und man werde helfen, Mitarbeitende in andere Betriebe zu vermitteln, wolle sich Valeo aus der Verantwortung ziehen.
Valeo-Betriebsratsvorsitzende hat Angst vor einer kompletten Schließung
Anfang vergangener Woche habe das Unternehmen noch versichert, dass im kommenden Jahr am Standort Bad Neustadt kein Personalabbau im Angestelltenbereich anstehe. Ein neues Layout für den Umbau im Musterbau und ein neuer Showroom seien erst jüngst vorgestellt worden.
"Nun soll auch der Musterbau abgebaut werden. Das ist für mich das deutlichste Zeichen, dass das nur der erste Schritt ist. Ich kenne keinen Standort, der sich langfristig als reiner Entwicklungsstandort gehalten hat und habe große Sorge, dass wir in ein paar Jahren hier stehen und es um die komplette Betriebsschließung geht", so Reichert.

Landrat Thomas Habermann und Bürgermeister Michael Werner sicherten zu, gemeinsam mit Betriebsrat, IG Metall und Mitarbeitenden um die Arbeitsplätze und eine gute Zukunft von Valeo zu kämpfen. Betroffene könnten sich jederzeit an sie wenden. "Wir standen vor 13 Jahren schon einmal hier, als Siemens 1200 Arbeitsplätze abbauen wollte. Aus der Siemens-Krise hat sich der Elektromobilitäts-Cluster gebildet, genau hier, am richtigen Standort", so Habermann.
Landrat und Bürgermeister von Bad Neustadt sichern Unterstützung zu
Hier werde äußerst erfolgreich gearbeitet: "Wir stehen zu Valeo und werden diese Entscheidung wie schon 2010 nicht einfach hinnehmen und akzeptieren". Habermann und Werner wollen sich nun in einem gemeinsamen Schreiben an Markus Söder und Hubert Aiwanger wenden.

An die Krise 2010 erinnert auch Thomas Höhn und lässt einen Mitarbeiter mit dem entsprechenden T-Shirt auf die Bühne treten. "Die 'Valeoaner' wehren sich, weil wir damals gesehen haben, in dieser Region ist Kompetenz da", so Höhn.
Valeo treffe seine Entscheidung mit Excel-Tabellen und verkenne, dass hinter jedem einzelnen Arbeitsplatz Menschen stünden. "Wir wollen denen ein Gesicht geben, die von dieser Maßnahme betroffen sind. Weil sie nicht wissen, wie es im Juli 2024 für sie weitergeht". Für seine Worte erntet Höhn viel Applaus.
Es sei wichtig, zusammenzustehen und sich dafür stark zu machen, dass das, was in Deutschland entwickelt wird, auch dort produziert werde, sagt Höhn: "Der Stellenabbau kann der erste Schritt sein bis hier bald gar nichts mehr ist. Wir lassen uns nicht spalten und werden dem Arbeitgeber jeden Stock zwischen die Beine schmeißen, damit diese Entscheidung überdacht wird".
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