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RHÖN-GRABFELD: Von geruchsneutral bis anrüchig

RHÖN-GRABFELD

Von geruchsneutral bis anrüchig

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    Nicht, dass wir klugscheißen wollten: Aber! Ein Mensch im Rentenalter hat alles in allem ein halbes Jahr am stillen Örtchen verbracht, 150 Tage seines Lebens auf dem Abort. Das behauptet zumindest Werner Pieper in seinem 1987 erschienenen „Scheiß Buch“. Für uns Grund genug, das Klo aus der Schmuddelecke zu reißen.

    Vier Stunden lang sind wir durch den Landkreis gezogen. Neun WCs haben wir inspiziert und bewertet: die Neustädter Klos am Bahnhof, Busbahnhof und Marktplatz, die Königshöfer Toiletten im Kurzentrum, am Rathaus und am Parkplatz Tuchbleiche sowie die sanitären Einrichtungen Mellrichstadts am Bahnhof, Marktplatz und am Busbahnhof Alfons-Halbig-Platz. Unser Resümee: durchwachsen – zwischen geruchsneutral und anrüchig.

    Auch die Vereinten Nationen nehmen die Thematik ernst: 2008 wurde zum Jahr der Toilette ernannt. Denn rund 2,6 Milliarden Menschen, knapp 40 Prozent der Weltbevölkerung, haben keinen Zugang zu ordentlichen Toiletten. Sicher, in Rhön-Grabfeld ist die Lage nicht ganz so dramatisch.

    Was an der Klobrille lauert

    Ekeln tun sich dennoch viele davor, öffentlich Notdurft zu verrichten. Wer weiß schon, was an der nächsten Klobrille lauert? Typhus, Cholera, Salmonellen oder Chlamydien? Auch dem Letzten sollte nun langsam arschklar sein, dass wir hier kein Geschiss machen. Furchtlos sind wir in die vermeintlich miesen Miefecken vorgedrungen und waren – vereinzelte Ausnahmen ausgenommen – doch positiv überrascht.

    Das Beste zuerst: In Rhön-Grabfeld muss sich ein Hartz-IV-Empfänger nicht in die Büsche schlagen. Zumindest toilettentechnisch geht keine Schere auf zwischen Arm und Reich. Es soll Toiletten geben, deren Besuch teurer ist als ein Liter Milch. Es heißt, gewisse Raststätten kratzten bereits an der Ein-Euro-Marke. Anderswo! Zumindest in den von der Main-Post besuchten Toiletten darf Bürger noch gratis.

    Wo Notdurft zum Notfall wird

    Wenn er denn reinkommt! Denn die Nacht darf man nicht lieben in Rhön-Grabfeld! Das Bier am Abend erst recht nicht. Gegen 20 Uhr ist in fast allen öffentlichen Toiletten Schicht im Schacht. In Mellrichstadt und Neustadt informieren Tafeln am Eingang, dass sich Nachtschwärmer besser vor 20 Uhr entleert. In Königshofen dagegen kann man nur erahnen, dass etwa die Luxus-Wohlfühl-Toilette hinterm Rathaus nicht auch noch nachts empfängt.

    In Mellrichstadt kann die Notdurft am Wochenende schnell zum Notfall werden. Sonntags bleibt beispielsweise das WC am Alfons-Halbig-Platz verschlossen. Positiv dagegen hebt sich Neustadts Marktplatz-Klo ab. Bis 22 Uhr darf „Bedürftiger“ auf diesem stillen Örtchen verweilen.

    Vorsehen sollte er sich aber allemal. „Unberechtigter Aufenthalt“ ist nämlich verboten und werde als „Hausfriedensbruch geahndet“, so ein Schild an der Eingangstür. Nun – klein und groß wird man wohl noch dürfen. Lang und kurz hoffentlich auch. Lidstrich nachziehen? Fingernägel feilen? SMS verfassen? Die Grauzone grüßt. Und nichts Genaueres weiß man nicht.

    Ein weiterer Pluspunkt: Der Landkreis ist behindertenfreundlich. In Neustadt gibt es am Marktplatz und am Busbahnhof, in Königshofen im Kurzentrum und am Rathaus, in Mellrichstadt am Bahnhof, am Busbahnhof und am Rathaus behindertengerechte Toiletten.

    Am Neustädter Bahnhof allerdings kommt kein Mensch ans Ziel. „Wegen permanenter Vandalismusschäden geschlossen“, steht dort geschrieben. Unterschrieben hat das Bahnhofsmanagement Würzburg. 20 Leute etwa stünden täglich vor verschlossenen Pforten, sagt Bodo Hinzen vom Taxi-Büro um die Ecke. Die Bahn aber belasse den Schlüssel in der Würzburger Zentrale. „Weil Neustadt kein Umsteigebahnhof ist“, so Hinzen. Eine Passantin erzählt: „Das war vorher die schlimmste Toilette in Neustadt.“

    Gepflegt und sauber fast alle anderen WCs: Selbst vermeintliche Miefecken wie das Bahnhofsklo, etwa in Mellrichstadt, erstaunlich erträglich – auch ohne Sichtschutz und Nasenzwicker. Wer einmal außerhalb Rhön-Grabfelds unterwegs war, weiß: Schlimmer geht's immer.

    Ein Platz zum Comic auspacken

    Die Bedürfnisanstalt am Königshöfer Rathaus beeindruckt: groß, hell, ohne Geruchsbelästigung, die Kacheln in freundlichem Gelb statt sterilem Weiß. Ein rundes Fensterchen als architektonische Besonderheit, das Wasser am Waschbecken betätigt Benutzer per Fußtaste. Ein Platz zum Verweilen, Wohlfühlen, Comic Auspacken.

    Schnell ist klar, die alles entscheidende Frage ist die: Was wünschen wir uns von einem guten Klo? Licht ist von Vorteil, merken wir am Mellrichstädter Alfons-Halbig-Platz. Auch nach fünfminütiger Suchaktion ist im dortigen Damenklo kein Lichtschalter greifbar.

    Was will Otto-Normal-Bürger von öffentlichen Toiletten? Klopapier braucht's, wenn möglich weich und viel. Und für die Frau einen Jacken- und Handtaschenhaken. Gut ausgeschildert sollte die Null Nummer sein – wie eben fast alle Örtlichkeiten des Landkreises.

    Fäkalien und Pissoir-Philosophie

    Einzige Ausnahme: der Abort am Parkplatz Tuchbleiche in Bad Königshofen. Nur ein winziges Schild an der Bushaltestelle verrät dessen Existenz. Warum, ist offensichtlich: Das Klo ist ein Scheißhaus! Glasbausteine stehen sperrangelweit offen, der Sauerstoff flieht dennoch die Örtlichkeit. Fliegen vergnügen sich zwischen den Fäkalien des Vorgängers; darüber jede Menge bunte Pissoir-Philosophie.

    Nichts gegen Kreativität an der Keramik! Dass sich das Vokabular der Tuchbleiche-Künstler aber auf die Fäkalsprache beschränkt, hat uns doch nachhaltig enttäuscht. Dabei hat das Klosett die besten Voraussetzungen – idyllisch gelegen am Flüsschen Saale. Gesetzt den Fall nämlich, sterile Sauberkeit genügte WC-Besucher nicht. Gesetzt den Fall, es verlangte einen nach einem Abort mit Seele und Atmosphäre, nach einem Hauch von Klo-Poesie, Klo-Philosophie, Klo-Anarchie. Das Tuchbleiche-Klosett hätte Potenzial. Hätte! Bisher ist es nichts als ein Griff ins Klo.

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