Erst Mechatronikerin bei Preh, dann zum Studium der Umweltbildung nach Wien und jetzt wieder daheim in Wülfershausen. Die derzeitige Managerin der Öko-Modellregion Rhön-Grabfeld ist bisher einen Weg gegangen, wie man ihn sich für eine gute Zukunft der Region wünscht. Nicht nur als Aktive bei der Wasserwacht Wülfershausen hat sie gelernt, dass man sportlichen Ehrgeiz braucht, damit die Heimat Stärke zeigen kann.
Frage: Bevor wir auf Ihr eigentliches Thema "Öko-Modellregion" kommen: Wie geht es den Wülfershäuser Wasserwachtlern? Sind die Kontakte noch gut?
Svenja Arbes: Ja, sehr gut! Der Kontakt ist auch während meiner Zeit in Wien nie ganz abgebrochen. Umso mehr freue ich mich jetzt, wieder hier zu sein und regelmäßig am Schwimmtraining, SEG-Übungen und am Vereinsleben teilnehmen zu können.
Sie sind ein Wülfershäuser Kind, Sie haben in Wien studiert, jetzt sind Sie wieder in der Heimat tätig. Was bedeutet einem jungen Menschen wie Ihnen Heimat?
Arbes: Heimat bedeutet für mich Vertrautheit, Zusammenhalt, Familie und Menschen, die mir wichtig sind, eine Wanderung in der Rhön. Es hat mich aber auch weitergebracht, für eine Zeit lang an einem ganz anderen Ort zu leben. In Wien oder auch auf Reisen durch verschiedene Länder durfte ich viele neue Ideen und Erfahrungen sammeln, die ich jetzt mit zurück in die Heimat nehme.
Dann war es offenbar eine schöne Fügung, aus dem großen Wien wieder ins überschaubare Grabfeld zurückzukehren?
Arbes: Genau, durch die Stellenausschreibung hat sich für mich eine gute Möglichkeit ergeben, für einen tollen Job in die Heimat zurückzukommen. Manchmal vermisse ich zwar die Flexibilität der öffentlichen Verkehrsmittel in Wien, die U-Bahn im 5-Minuten Takt. Auf dem Land braucht man schon für viele Dinge ein Auto. Aber ich freue mich, dass es eine Busverbindung nach Bad Neustadt zur Arbeit gibt – mit netten Fahrern, die einen mit der Zeit sogar kennen. Außerdem liebe ich es, die vielen schönen Wanderwege der Rhön zu erkunden.
Wülfershausen ist ja kein Schlusslicht in Sachen Öko, stimmt’s?
Arbes: Ja, es gibt einige Bio-Einkaufsmöglichkeiten in Wülfershausen und Umgebung, aber nicht nur dort, sondern verteilt in ganz Rhön-Grabfeld. Knapp 20 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte in unserem Landkreis wirtschaften ökologisch – das liegt über dem deutschen Durchschnitt. Viele Bio-Produkte werden in Rhön-Grabfeld direkt über Hofläden oder Selbstbedienungshäuschen vermarktet und sind so für uns Verbraucher zugänglich.

"Öko-Modellregion", das klingt nach einem weiteren bürokratischen Konstrukt ohne größeren Nährwert für Otto-Normalverbraucher. Können Sie in zwei, drei Sätzen sagen, warum die Öko-Modellregion Rhön-Grabfeld wichtig für die Zukunft ist?
Arbes: Na klar! Die Öko-Modellregion leistet Vernetzungsarbeit, sowohl zwischen den Bio-Akteuren hier im Landkreis wie Landwirtschaft, Verarbeitung, Vermarktung, Großküchen und Verbrauchern, als auch bayernweit im Netzwerk der Öko-Modellregionen. Wir organisieren Veranstaltungen zur Bewusstseinsbildung wie Kochworkshops, Besuche auf Bio-Höfen, die Bio-Brotbox-Aktion für die ersten Klassen. Außerdem fördern wir Kleinprojekte über den Öko-Verfügungsrahmen. Die Öko-Modellregion kann also in der Praxis wirklich etwas bewirken und unseren Landkreis voranbringen.
Das klingt jetzt alles gut und nachvollziehbar. Auf der anderen Seite greifen Staat und Energieversorger schon in die Familienkasse, ehe man zum teuren Bio-Produkt greifen kann. Wie soll da Bio die Massen erreichen?
Arbes: Das ist eine komplexe Frage, die sich nicht in einem Satz beantworten lässt. Der Ökolandbau ist insgesamt arbeitsintensiver als der konventionelle und nicht auf Höchstleistung ausgelegt, sondern auf Tierwohlstandards und eine intakte Umwelt. In den Preisen von konventionellen Produkten sind Umweltauswirkungen nicht mit einberechnet. Die Kosten für die Folgen für unser Klima, Trinkwasser, die Artenvielfalt, und so weiter trägt dann letztendlich die Gesellschaft, also wir alle –über Steuern oder Gebühren. Krisen haben gezeigt, dass die Preise von Bio-Produkten oft stabiler sind. In den letzten Jahren haben sich die Preisunterschiede zwischen konventionellen und Bio-Lebensmitteln verringert. Vor allem, wenn man saisonal und regional einkauft und damit zum Beispiel Transportkosten wegfallen.
Tut man schon etwas Gutes, wenn man "wenigstens" regional einkauft? Und kümmert sich die Öko-Modellregion auch um dieses Thema?
Arbes: Natürlich hat es schon einen Mehrwert, regional einzukaufen, man spart Transportwege ein und fördert die regionale Wirtschaft. Um aber auch unsere Böden in Rhön-Grabfeld langfristig zu erhalten, unser Grundwasser zu schützen und die Artenvielfalt hier in der Region zu fördern, ist für uns als Öko-Modellregion das Ziel bio UND regional. Ein Blick in unseren regionalen Bio-Einkaufsführer lohnt sich!
Nicht mehr lange, und die Öko-Modellregion feiert ihren zehnten Geburtstag. Was hat funktioniert und was eher nicht auf dem bisherigen Weg?
Arbes: Positiv ist, dass der Anteil der Bio-Betriebe und Flächen gestiegen ist. 19 Prozent der Landwirte in Rhön-Grabfeld wirtschaften mittlerweile ökologisch auf insgesamt rund 21 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen des Landkreises. Beide Zahlen lagen 2015 noch im einstelligen Bereich. In der Außer-Haus-Verpflegung und im Lebensmittel-Handwerk wie Bäckereien und Metzgereien ist der Bio-Anteil noch relativ gering, daran wollen wir weiterhin arbeiten.
Ihr Bruder Nils kann sich als angehender Filmemacher jeden Traum auf der Leinwand oder dem Bildschirm erfüllen. Was ist Ihr Traum für die Öko-Modellregion?
Arbes: Wenn ich Bio-Lebensmittel einkaufe, freue ich mich über gesunde Produkte und darüber, dass ich mit meinem Kauf eine zukunftsfähige und umweltfreundliche Landwirtschaft unterstütze. Diese Freude möchte ich an andere weitergeben und ein größeres Bewusstsein für den Mehrwert von Bio in der Bevölkerung schaffen. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass noch mehr Betriebe dazu kommen und wir gemeinsam starke bio-regionale Wertschöpfungsketten aufbauen.
Beenden wir dieses Interview auch mit Wülfershausen. Dort gibt es den Unverpackt-Laden, den ausgerechnet Ihre Mutter betreibt. Ihr Tipp für die Leserschaft: Was ist dort Ihr Lieblingsprodukt?
Arbes: Das kann ich gar nicht genau sagen, es gibt eine große Auswahl. Aber besonders gerne sitze ich mit einem Eis oder einem Getränk auf der Sonnenterrasse und genieße das Beisammensein mit der Familie und Freunden, das Gefühl von Entschleunigung und eben Heimat.
Svenja Arbes, Öko-Modellregion-Managerin im Landkreis Rhön-GrabfeldSvenja Arbes ist derzeit die Elternzeit-Vertretung für die "Öko-Modellregion"-Managerin Dr. Maike Hamacher. Arbes stammt aus Wülfershausen und ist 28 Jahre alt. Ihr Abitur legte sie 2014 am Gymnasium Bad Königshofen ab. Sie besitzt einen Abschluss als Bachelor of Engineering nach dualem Studium (Mechatronik und Automation) bei Preh sowie als Bachelor of Education nach einem Studium der Umweltbildung und Beratung in Wien. In ihrer Freizeit engagiert sich Svenja Arbes bei der Wasserwacht Wülfershausen. Sie ist auch Mitglied der Schnell-Einsatz-Gruppe (SEG) Wasserrettung in Rhön-Grabfeld.(fg)