Es war kein schöner Tag, der 30. August 1923. Ein heftiger Nordwestwind fegte über die Wasserkuppe. Es war grau. Und trotzdem wollten Zehntausende sich dieses Ereignis, die Einweihung des Fliegerdenkmals nicht entgehen lassen. Es sollte an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Piloten sowie die toten Segelflieger erinnern.
Schon am frühen Morgen machten sich unabsehbare Menschenmassen auf den Weg in Richtung Wasserkuppe. Der Gersfelder Bürgermeister Seifert hatte die Bevölkerung aufgerufen, aus diesem besonderen Anlass die Häuser zu beflaggen. Die Reichsbahn setzte sogar Sonderzüge nach Gersfeld ein. Einer davon hatte allerdings so große Verspätung, dass die Fahrgäste zu spät zur Feier auf die Wasserkuppe kamen. Sogar 70 Automobile, für die damalige Zeit unvorstellbar viele, fuhren zur Einweihung auf den höchsten Berg Hessens. Ein Motorflugzeug landete auf dem Berg der Flieger.
Damals war viel Prominenz auf der Wasserkuppe dabei
Aus den umliegenden Orten der Rhön kamen ganze Schulklassen mit ihren Lehrern, um Zeugen dieses besonderen Ereignisses zu werden. Das schreibt Joachim Jenrich in seinem Buch "Die Wasserkuppe – Berg mit Geschichte". Viele Ehrengäste waren am 30. August auf die Wasserkuppe gekommen. Unter ihnen General Ludendorff, der Bruder des ehemaligen Deutschen Kaisers, Wilhelm II, der flugbegeisterte Prinz Heinrich von Preußen, Felix Graf Luckner, genannt der Seeteufel, der Frankfurter Oberbürgermeister Dr. Voigt, der preußische Kultusminister Otto Boelitz und viele Generäle sowie Pour-le-Merite-Flieger.
Das Denkmal wurde auf einem Vulkanschlot unterhalb des Gipfels errichtet. Basaltsteine und -säulen wurden dazu zusammengetragen. Eine von Bildhauer August Gaul geschaffene Adlers-Skulptur thront auf den Basaltsteinen. Die bronzene Gedenktafel trägt den Text: "Wir toten Flieger bleiben Sieger durch uns allein. Volk, flieg du wieder und du wirst Sieger durch dich allein."

Generalleutnant a.D. Walter von Eberhardt, der damalige Vorsitzende des Rings der Flieger, hielt die Weiherede. "In den Ansprachen klangen in der nationalen Begeisterung Gedanken an Krieg und Revanche an", schreibt Jenrich. Das Ereignis müsse in Zusammenhang mit den Reparationen und den vielen Auflagen der Siegermächte gegenüber Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg gesehen werden.
"In dieser Zeit wirtschaftlicher Depression und politischer Instabilität sehen die Teilnehmer der Denkmalseinweihung ihre Anwesenheit als stillschweigenden Protest gegen die im Vertrag von Versailles vom 28. Juni 1919 ausgesprochenen Flugbeschränkungen gegen Deutschland“, heißt es auf der Seite der Fliegerschule Wasserkuppe.
50.000 oder 100.000 Teilnehmer
Im Nachhinein wurden die Zahlen der Teilnehmer relativiert. Nach Angaben der Fuldaer Zeitung sollen es 100.000 gewesen sein. Heute geht man von bis zu 50 000 aus. Trotzdem gilt die Einweihung des Fliegerdenkmals als meistbesuchte Großveranstaltung auf der Wasserkuppe überhaupt.

Doch der Tag sollte überschattet werden von vielen Abstürzen beim Rhönwettbewerb, der im Anschluss an die Einweihung ausgetragen wurde. Die Teilnehmer wollten ihren Anteil an der Veranstaltung leisten und ihr fliegerisches Können zeigen. Doch der starke Wind erschwerte das Fliegen. Vier Piloten stützten mit ihren Seglern ab und zogen sich dabei Verletzungen zu.

Max Standfuß erlitt bei seinem Absturz nahe Abtsroda tödliche Verletzungen. Er war damals schon das dritte Todesopfer der Rhönflug-Segelwettbewerbe auf der Wasserkuppe. Probleme gab es in den Jahren nach der Einweihung auch mit dem Fliegerdenkmal. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre schlug ein Gewitterblitz den Adler vom Sockel. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente der Adler als Ziel für Schützen der US-Armee, schreibt Joachim Jenrich. Insgesamt wurden damals 68 Durchschüsse gezählt.
1954 wurde der Adler mit Sockel abgenommen und von der Firma Pfeifer restauriert. 1974 stürzte der Adler von seinem Sockel, als eine Schulklasse das Denkmal für ein Gruppenfoto erklommen hatte. Auch die Bronzeplatte wurde dabei aus ihrer Verankerung gerissen. Natürlich wurde das Denkmal wieder restauriert und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel am Westhang der Wasserkuppe
Die VorgeschichteDie Errichtung des Denkmals geht auf eine Initiative des Rings der Flieger zurück, der nach Ende des Ersten Weltkriegs als Zusammenschluss verschiedener fliegerischer "kameradschaftlicher Vereinigungen" entstand. Das Denkmal ist jenen gewidmet, die "im Frieden und im Krieg im Kampf um die Eroberung der Luft ihr Leben gewagt und eingesetzt, mit ihrem Tod ihr Streben besiegelt haben".Die Idee einer Deutschen Flieger-Gedenkstätte entstand vermutlich 1922 und sollte ursprünglich im Harz verwirklicht werden. Doch da die Wasserkuppe deutschlandweit in den 1920er Jahren das Zentrum des Segelflugsports wurde, entschied man sich für den Berg der Flieger.Quelle: Ick

Broschüre zum JubiläumDas Deutsche Segelflugmuseum hat eine Broschüre zum 100-jährigen Bestehen des Fliegerdenkmals herausgegeben. Diese Geschichte richtig zu verstehen, bedinge das Eintauchen in alle Zeitepochen, die das Denkmal erlebt hat: Frühe Demokratie der Weimarer Republik, "verlorener Krieg" und Inflation, NS-Diktatur, Kalter Krieg, Wiedervereinigung bis zur Gegenwart und Blick in die Zukunft. Die Broschüre kann für 3 Euro im Museumsshop (aktuell täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet) erworben werden.Quelle: Ick