Beim zweitgrößten Bad Neustädter Sportverein, dem SV Herschfeld, steht am Sonntag um 18 Uhr mit der zweiten Jahreshauptversammlung eine entscheidende Sitzung an: Wie die bisherige Vorsitzende Stephanie Philipp-Schirmer auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt, ist die derzeitige Vorstandschaft nur noch kommissarisch im Amt. Mitglieder, die als Vorsitzende oder anderweitig im Vorstand künftig Verantwortung übernehmen möchten, würden dringend gesucht.
Bei einer ersten Jahreshauptversammlung im Februar standen turnusgemäß Neuwahlen auf dem Programm. Obwohl Wochen und Monate vorher intern kommuniziert worden sei, dass die bisherige Vorstandschaft nicht mehr weiter mache, hätten sich keine Nachfolger gefunden, berichtet Philipp-Schirmer. Finde sich auch am Sonntag niemand, wird Philipp-Schirmer deutlich, würden Vereinsheim und Sportstätten voraussichtlich geschlossen, der Sport-Betrieb eingestellt werden.
"Was von einer ersten Vorsitzenden gefordert wird, ist utopisch."
Stephanie Philipp-Schirmer, bisherige Vorsitzende des SV Herschfeld
Warum tritt die Vorstandschaft geschlossen nicht wieder an? Jedes Vorstandsmitglied hätte zunächst individuell für sich entschieden, dass es zum Ende der Periode nicht mehr weitermachen wolle. Dann habe man sich darüber verständigt und das an die Vereinsmitglieder weitergegeben. Philipp-Schirmer, die sechs Jahre Vorsitzende, zuvor zwei Jahre stellvertretende Vorsitzende war, sagt über sich selbst: "Ich lebe und liebe den Verein." Nicht umsonst habe sie sich jüngst eigens zur Vereinsmanagerin fortgebildet.
Gleichzeitig will sie nicht verschweigen: "Was von einer ersten Vorsitzenden gefordert wird, ist utopisch. Es ist viel zu viel." Zumal sie dreifache Mutter sei, neben ihrem Ehrenamt hauptberuflich als Krankenschwester im Schichtbetrieb arbeite und sich jüngst ihren Traum von einer Selbstständigkeit erfüllte. Irgendwann habe sie erkannt: "Ich überfordere mich selbst."
Am Ende, glaubt sie, sei es aber kein persönliches, individuelles Problem. Sie selbst ist ein Stück weit gespalten: Einerseits will sie andere motivieren, Verantwortung zu übernehmen. "Es soll ja weitergehen." Gleichzeitig versteht sie, wenn die Menschen zögern, in die Rolle, insbesondere eines ersten Vorsitzenden, schlüpfen zu wollen.
"Ich selbst hatte damals völlig unterschätzt, wie ungeschützt ich bin." Die Verantwortung, die auf einem Vereinsvorsitzenden laste, sei enorm. Sie habe sich auch schon in Vereinssachen vor Gericht rechtfertigen müssen. Abgesehen von derartigen Extrem-Ereignissen sei aber auch der Vorsitzenden-Alltag aufwändig und zeitintensiv. Von Behördenseite fühle sie sich bei der Masse an Schriftkram und Anträgen allein gelassen. Das Steuerbüro führe Vereine als Unternehmen. "Wir müssen dieselben Nachweise wie ein Unternehmen bringen, aber wir sind Ehrenamtliche."
Was Vereinen zu schaffen macht: keine Helfer, steigende Versicherungskosten
Um überleben zu können, seien Vereine auf Veranstaltungen angewiesen. "Aber Helfer zu finden, wird immer schwieriger." Doch nicht nur das: Immer öfter sage jemand zu und doch kurzfristig wieder ab oder tauche bei der Veranstaltung dann einfach nicht auf.
Im letzten Jahr hätten die Verbände mal einfach so die Versicherungskosten erhöht. Eigentlich müssten entsprechend auch die Mitgliedsbeiträge angepasst werden. Doch wer wolle diese Diskussion führen? Investitionen würden zwar gefördert werden, aber bis zur Auszahlung müsse der Verein mitunter eineinhalb Jahre 30.000 Euro vorfinanzieren.
Große Bedeutung des SV Herschfeld für Bad Neustadts Stadtgesellschaft
Trotz all dieser Schwierigkeiten ist Philipp-Schirmer überzeugt von der Funktion und Bedeutung des SV Herschfeld für die Bad Neustädter Stadtgesellschaft. Als Verein mit den Schwerpunkten Fußball, Kegeln und Laufen ermöglicht der SV Herschfeld 748 Mitgliedern Hobby- und Leistungssport.

Hoffnung hat Stephanie Philipp-Schirmer durchaus für Sonntag: Einige Mitglieder hätten sich inzwischen erkundigt, welche Aufgaben ein erster Vorsitzender so erfüllen muss. Vielleicht gibt sich einer von ihnen einen Ruck: "Es soll weitergehen."
Eingeladen sind zur Sitzung im Sportheim in Herschfeld diesen Sonntag, 10. März, alle Mitglieder des SV Herschfeld. Los geht es um 18 Uhr.