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Wasserkuppe im Wandel

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    Wasserkuppe im Wandel
    Wasserkuppe im Wandel

    Die Wasserkuppe – mit 950 Metern ist sie die höchste Erhebung der Rhön – bietet viele Möglichkeiten. Für Segel- und Gleitflieger – sie nutzen den Berg seit vielen Jahrzehnten. Inzwischen kommen auch andere Menschen, vor allem Familien. Für sie sind Rodelbahnen, Spielplätze, Gastronomie und Hotels entstanden. Und dann ist da das Urtümliche, die Natur, der unbeschreibliche Blick in die Ferne. Das Porträt eines Berges, auf dem sich viel bewegt – und der im Spannungsfeld zwischen Tourismus, Sport und Naturschutz steht, wie eine Besichtigungstour offenbarte.

    Eine Halle, nur ein paar Schritte vom Hochrhönring entfernt. Zur Straße, die über den Berg führt, ist sie abgeschirmt, zum Flugfeld hin sperrangelweit offen. Drinnen sitzt Harald Jörges, Leiter der wohl ältesten Segelflugschule der Welt. 1922 wurde sie gegründet. Jörges' Blick geht über die Silhouetten der umliegenden Gipfel und das sanft abfallende Flugfeld. Er weiß: Die Wasserkuppe hat mutige Flieger fasziniert, seitdem sie die Möglichkeit hatten, in die Luft zu gehen. Der Segelflug soll hier erfunden worden sein.

    Fakt ist, dass Flugpioniere der Technischen Hochschule Darmstadt zwischen 1911 und 1914 zahlreiche Gleitflüge auf der Wasserkuppe durchführten. Wie die Entwicklung weiterging, ist im auf dem Berg ansässigen Deutschen Segelflugmuseum zu sehen. Heute ist der Flugsport für den Obernhausener ein Alleinstellungsmerkmal, ein Zugpferd für den höchsten Berg der Rhön: „Mit unseren elf Segelflugzeugen fliegen wir 100 bis 150 Tage im Jahr. Das sind 2000 Rundflüge a drei Personen. Mittlerweile sieben Festangestellte leben davon.“ Was laut Jörges fast noch wichtiger ist: 200 bis 300 Leute schauen bei jedem Flug zu. Denn nicht nur die Mitfliegenden, auch die Zuschauer lassen ihr Geld auf der Wasserkuppe. Das zeigt ein Blick ins Geschäft von Claudia Bräutigam. Wie die meisten Läden auf der Wasserkuppe ist auch ihr Betrieb über mehrere Generationen familiengeführt. Früher wurden vorwiegend Ausrüstungsgegenstände für die Flieger verkauft; jetzt sind es Andenken für Pauschaltouristen. Zwischen 800 000 und eine Million soll es jedes Jahr auf den Berg ziehen. Der Ruf der Segelflieger auf der Wasserkuppe ist erstklassig; die Bedingungen sind es nicht. Seit Jahren müssen die Flugsportler ihre Vehikel umständlich von ihren Hallen über den Hochrhönring zum Flugfeld ziehen. Für Otto-Normal-Besucher ist das an der Schranke zu erkennen, die die Straße dann absperrt. Harald Jörges: „Das kostet natürlich viel Zeit und Manpower.“ Dieser Zustand gehört bald der Vergangenheit an. Gerade wird für 1,4 Millionen Euro am Flugfeld ein neues Flugsportzentrum gebaut. Die Halle, in der Jörges sitzt, ist der fertige Teil davon. Gleich daneben wurde eine Betonplatte gegossen. Sie wird das Fundament für das neue Verwaltungsgebäude mit Cafeteria und einer Aussichtsplattform.

    Auf diesem Besucherdeck können 200 Menschen gleichzeitig den herrlichen Rundblick auf die Segelflieger und über die Rhön genießen. Oder über Bildschirme die Sicht aus dem Flieger selbst verfolgen. Zumindest erwähnt Jörges die Idee, die Flugzeuge mit Kameras auszustatten.

    Der Bau des Flugsportzentrums ist Teil eines Gesamtkonzeptes. Die Wasserkuppe hat jahrzehntelang Einzelinteressen gedient – jetzt soll gemeinschaftlich gehandelt werden, wie Christine Kolasch, Presseverantwortliche beim Infozentrum, mitteilt. Der Masterplan sehe unter anderem vor, alte Gebäude wie den Flugtower und einige Hallen abzureißen. Auf der Wasserkuppe soll Ordnung einkehren. Und nicht nur das. Einige Meter vom neuen Flugsportzentrum entfernt stehen Hotel, Restaurant und Café „Peterchens Mondfahrt“ sowie das Papillon, eine Schule für Gleitschirmflieger. Boris Kiauka ist als Vertreter der Rhöner Drachen- und Gleitschirmflugschulen Wasserkuppe GmbH für beide verantwortlich. Insbesondere mit „Peterchens Mondfahrt“ hat der Geschäftsmann und Sportler eine besondere Reise vor. Auf der Rückseite wird ein Vier-Sterne-Hotel mit 50 Zimmern und 100 Betten entstehen. Im Herbst soll der Bau beginnen: „Die Möglichkeiten der Wasserkuppe sind noch lange nicht ausgeschöpft.“

    Vom„Peterchens Mondfahrt“ aus ist es nur ein kurzer Fußmarsch hinauf zur Märchenwiese. Im nächsten Jahr ist es 50 Jahre her, dass dort der erste Skilift Hessens anfuhr. Inzwischen sind Sommerattraktionen hinzugekommen. Das Ganze nennt sich jetzt Ski- und Rodel-Arena. Zwei Stränge einer Sommerrodelbahn schlängeln sich 700 Meter den Berg hinab. Die Wagen werden unten in einen Lift eingehangen und mitsamt Fahrer rücklings wieder nach oben gezogen. Im Winter sind Teile der Rodelbahn abgebaut; die Abfahrt ist eine der besten an der Wasserkuppe überhaupt. Dann lassen sich Skifahrer durch den Lift hoch schleppen.

    Eine weitere Attraktion der Ski- und Rodel-Arena ist der Rhönbob, bei dem der Rodelschlitten auf fest geführten Edelstahlrohren den Berg hinunter saust. Bei jedem Wetter, auch bei Schnee und Eis. Wie die Hexen durch den Wald fliegen können Besucher mit dem Hexenbesen. Die Gondeln dieser Anlage rauschen mit bis zu 25 Kilometer pro Stunde die 300 Meter lange Strecke hinunter.

    Schon ein Jahr länger – seit 2006 – ist der Wie-Li in Betrieb. 30 Wagen a vier Personen können mit dem auf Schienen geführten Sessellift das ganze Jahr über Ab-, Auf- und Rundfahrten unternehmen. Wer das alles nutzen soll (und nutzt), ist klar: Familien mit Kindern und Jugendliche. Fast schon nostalgisch wirkt inmitten dieser Anlagen die Märchenwiesenhütte. Seit Jahrzehnten steht dort das Selbstbedienungsrestaurant. Von den Plänen, die Hütte zu erweitern und eine Glaskuppel draufzusetzen, ist noch nichts umgesetzt. Konkreter ist ein Projekt nebenan. Susanne Möller, Marketingverantwortliche des Betreibers Wiegand Skilift-Betriebs-GmbH, hat sich ein Wäldchen neben den Freizeitanlagen ausgeguckt: „Laut Bebauungsplan ist hier ein Kletterwald vorgesehen.“ In zwei bis drei Wochen soll der Bau losgehen.

    Alfred Schrenk, Bürgermeister von Wildflecken, ist begeistert: „Da können wir uns am Kreuzberg eine Scheibe abschneiden.“ Joachim Jenrich vom Biosphärenreservat Rhön dagegen stöhnt bei all den Ausbauplänen: „Wo soll das alles unterkommen?“ Die Verantwortlichen des Biosphärenreservats wollen die Natur schützen und sie mit der Lebensweise des Menschen in Einklang bringen. Dieses Verhältnis soll nachhaltig entwickelt werden. Deswegen ist die Umweltbildung eine Hauptaufgabe der Vereinigung.

    Das Biosphärenreservat ist einer der jüngsten Nutzer auf der Wasserkuppe. Schließlich besteht es erst seit 1991. Und obwohl die hessische Verwaltungsstelle im Groenhoff-Haus mitsamt Bauernladen etwas abseits des Trubels liegt: Die Belange der Natur sollen nicht weiter vom Gipfel gedrängt werden. Jenrich: „Die Wasserkuppe darf nicht Rummelplatz werden.“ Das Beispiel, wie es besser gehen kann, liefert er gleich mit. Der Rundgang führt in den Rhöner Bauernladen von Claudia Metzler. Dort werden Produkte von 40 Anbietern aus der Region angeboten: Rhöner Wild, Brot, Sirup, Hausmacher-Wurst. Doch nicht nur mit regionalen Produkten gilt es zu wuchern, sondern mit etwas, was mittlerweile nur noch abseits des Gipfels zu existieren scheint: Die Wasserkuppe gewinnt herausragende Bedeutung durch ihre Natur: die Wiesen, der herrliche Ausblick, die Stille. Auf vielen Routen rund um den Berg kann man das erleben. Zum Beispiel auf dem Weg hinunter zum Guckaisee. Eher bergan geht es durch lang gestreckte Wiesen zum Radom, einer Radar-Abhöranlage. Die 14 Meter hohe Kuppel ist so etwas wie das Wahrzeichen der Wasserkuppe. Vom 60 Meter langen Umgang hat der Besucher eine herrliche Aussicht auf die Umgebung. Bei gutem Wetter ist der Frankfurter Flughafen zu sehen. Und vielleicht öffnet sich gerade am Radom der Blick für ein etwas anderes touristisches Konzept – die Verbindung von Natur und Geschichte. Die Radar-Abhöranlage, die das Radom einst beherbergte, war schon fehl am Platz, als sie in Betrieb genommen wurde. Denn als das Gebäude 1994 eingeweiht wurde, war die Mauer gefallen, der Gegner Warschauer Pakt nicht mehr existent. Die Radaranlage war nur zwei Wochen in Betrieb. Sie ist nach Berlin umgezogen, dient der Luftraumüberwachung des Flughafens Tempelhof. Ganz verschwunden ist die Flugüberwachung von der Wasserkuppe nicht. Über der Rhön treffen sich viele internationale Flugrouten. Nicht weit vom Radom hat die Flugsicherung deswegen ein unauffälliges Gebäude mit Antennen. Der Radom selbst kann besichtigt werden; in der Kuppel werden Konzerte mit speziell dafür geschriebener Musik gegeben, bei der das Echo von den Wänden mehrfach widerhallt.

    Die Wasserkuppe hat bisher vornehmlich Einzelinteressen gedient. Jetzt wollen die Anrainer sie zusammen voranbringen. Eine gemeinsame Internetseite fehlt noch. Aber immerhin: Beim Tag der offenen Tür wurde ein Faltblatt verteilt, das erste, das alle Einrichtungen repräsentiert.

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