Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Bad Neustadt
Icon Pfeil nach unten

Bad Neustadt: "Wir fühlen uns verarscht": Protestkundgebung bei Valeo in Bad Neustadt -  Droht auch der Entwicklung das Aus?

Bad Neustadt

"Wir fühlen uns verarscht": Protestkundgebung bei Valeo in Bad Neustadt -  Droht auch der Entwicklung das Aus?

    • |
    • |
    Zu einer weiteren Protestkundgebung hatten IG Metall und Betriebsrat die Beschäftigten von Valeo Bad Neustadt am Donnerstagnachmittag aufgerufen. Rund 300 Personen brachten mit Plakaten und Trillerpfeifen ihren Unmut zum Ausdruck.
    Zu einer weiteren Protestkundgebung hatten IG Metall und Betriebsrat die Beschäftigten von Valeo Bad Neustadt am Donnerstagnachmittag aufgerufen. Rund 300 Personen brachten mit Plakaten und Trillerpfeifen ihren Unmut zum Ausdruck. Foto: René Ruprecht

    Friedhofslichter, Plakate mit Sätzen wie "Für Managerfehler zahlen immer die Arbeitnehmer", Trillerpfeifen: Damit brachten rund 300 Personen ihre Sorge wegen der geplanten Schließung der Fertigung und dem damit verbundenen Abbau von 310 Arbeitsplätzen bei Valeo in Bad Neustadt zum Ausdruck. Darunter waren auch Mitarbeitende anderer Valeo-Standorte und von umliegenden Industriebetrieben. Sie versammelten sich am Donnerstagnachmittag vor dem Valeo-Werkstor, um ihrem Ärger, ihrer Trauer und Wut Luft zu machen.

    Der Hauptgrund für ihren Unmut: Die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Sozialplan und Interessensausgleich haben laut Betriebsratsvorsitzender Jessica Reichert bisher zu keinem Ergebnis geführt, es fehle an einem klaren Zukunftskonzept für den Standort und Perspektiven für die Beschäftigten. Und: Das Verhalten der Valeo-Führung sei inakzeptabel. 

    Icon Galerie
    71 Bilder
    Die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Sozialplan und Interessenausgleich anlässlich der geplanten Schließung der Produktion bei Valeo in Bad Neustadt an der Saale haben bislang zu keinem Ergebnis geführt. Es wird eine Einigungsstelle eingerichtet.

    "Wir fühlen uns verarscht. Die Stimmung ist schlecht, alle sind sauer und wollen wissen, wie es weitergeht. Aber der Arbeitgeber ist noch kein bisschen von seiner Position abgerückt und bisher nicht gesprächsbereit über Alternativen der Weiterbeschäftigung am Standort Bad Neustadt", so Reichert gegenüber dieser Redaktion.

    Betriebsratsvorsitzende kritisiert Verhalten des Arbeitgebers Valeo

    Wegen des in anderen Valeo-Werken wie in Ebern ebenfalls angekündigten Stellenabbaus hält Reichert eine Weiterbeschäftigung an anderen Firmen-Standorten für "absolut unmöglich". Sie sei deshalb keine Alternative: "Da versucht der Arbeitgeber einfach nur, die Leute billig loszuwerden".

    Die Entscheidung zum Stellenabbau sei eine "alternativlose Entscheidung von einem Management, das unbeirrt über Existenzen entscheidet, als wären es Spielsteinchen", so Reichert in ihrer Rede vor den Demo-Teilnehmern. Diese und andere ihrer Aussagen wurden von "Pfui"- und "Der Arbeitgeber belügt uns"-Rufen sowie Pfiffen begleitet. Der Arbeitgeber übernehme keinerlei soziale Verantwortung.

    Valeo plant, in Bad Neustadt etwa 300 Stellen abzubauen und die Produktion zu schließen. Bisher konnten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf Interessenausgleich und Sozialplan einigen.
    Valeo plant, in Bad Neustadt etwa 300 Stellen abzubauen und die Produktion zu schließen. Bisher konnten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf Interessenausgleich und Sozialplan einigen. Foto: René Ruprecht

    Die Art und Weise, wie er mit dem Betriebsrat umgehe, habe wenig mit Verhandlungen zu tun. Es habe im Dezember Gespräche zwischen Betriebsrat und Valeo-Führung gegeben, aber bisher keine Einigung. Nun werde eine Einigungsstelle eingerichtet, in der Betriebsrat, Arbeitgeber sowie eine neutrale Person zugegen sein werden. 

    Reiner Gehring, zweiter Bevollmächtigter bei der IG Metall Schweinfurt, befürchtet, dass nicht nur die Stellen in der Fertigung wegfallen könnten, sondern auch die in der Entwicklung, die bisher noch unangetastet geblieben war. Diese Befürchtung wachse bei ihm vor allem, seit auch die Rettung des A-Musterbaus vom Tisch sei. Eine tatsächliche Zukunft am Standort sehe er nicht.

    Folgt dem Abbau der Produktion auch die Schließung der Entwicklung in Bad Neustadt?

    "Unsere Befürchtung ist, dass wir in absehbarer Zeit in der gleichen Situation sind mit der Entwicklung und dann darüber verhandeln, dass hier der Standort komplett abgewickelt wird", sagt Gehring. Der Zusage von Valeo, die Entwicklungsabteilung in Bad Neustadt halten zu wollen, könne er keinen Glauben schenken.

    An einem von Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann, der bei der Protestkundgebung ebenfalls sprach, initiierten runden Tisch habe auch das bayerische Wirtschaftsministerium teilgenommen. Das Ministerium habe Zuschüsse in Aussicht gestellt, wenn am Standort innovativ weiter gefertigt werde. Dieser Vorschlag wurde vom Automobilzulieferer vom Tisch gewischt, so der IG-Metall-Vertreter.

    Ex-Werkleiter habe sich "verabschiedet und verpisst"

    Symbolisch für den Konflikt zwischen Arbeitnehmervertretern und Valeo scheint am Donnerstagnachmittag die immer wieder angesprochene Personalie von Ex-Werkleiter Peter Zgudziak zu stehen, der sich laut Gehring in einem zehnminütigem Online-Statement "verabschiedet und verpisst" habe. Zgudziak habe das Unternehmen wohl im Dezember relativ kurzfristig verlassen. 

    Reiner Gehring (Zweiter Bevollmächtigter der Geschäftsstelle Schweinfurt der IG Metall) befürchtet, dass es in Bad Neustadt nicht bei dem angekündigten Stellenabbau in der Fertigung bleibt.
    Reiner Gehring (Zweiter Bevollmächtigter der Geschäftsstelle Schweinfurt der IG Metall) befürchtet, dass es in Bad Neustadt nicht bei dem angekündigten Stellenabbau in der Fertigung bleibt. Foto: René Ruprecht

    Gehring fordert "endlich Verhandlungspartner am Tisch, die es ernst meinen", die die Zukunft mitgestalten wollen und "eine klare Zukunftsstrategie für so viele Menschen wie möglich, hier am Standort". Außerdem sagt Gehring: "Wir wollen die bestmögliche Lösung für diejenigen, denen am Ende des Tages dann trotzdem von Valeo ihre Zukunft hier genommen wird." Er ruft bei der Kundgebung die Beschäftigten zum Zusammenhalt auf.

    Betriebsrat Tanalp Dalmis aus Bad Neustadt: "Die Motivation ist am Arsch"

    Der Valeo-Beschäftigte und Betriebsrat Tanalp Dalmis aus Bad Neustadt ist seit 12 Jahren im Unternehmen. Von Beginn an ist der 42-Jährige dabei, hat von Siemens zu Valeo gewechselt. Von dem Stellenabbau sei auch seine Abteilung betroffen. Trotz seines Sonderkündigungsschutzes als Betriebsrat stelle er sich darauf ein, die Kündigung von Valeo zu erhalten.

    "Ich habe Angst vor der Zukunft. Ich habe zwei Kinder, die ich ernähren muss", erzählt er dieser Redaktion. Er rechne damit, dass es "wahnsinnig schwierig" werde, von vorne zu beginnen, einen neuen Job zu suchen bei der aktuellen Lage auf dem Markt. "Angst ist das, was einen gerade treibt." Dennoch gibt Dalmis die Hoffnung noch nicht auf.

    "Die Motivation ist am Arsch", beschreibt Dalmis, der selbst stellvertretende Führungskraft ist, die Situation im Betrieb. Sein Chef selbst sei momentan bedingt durch die Situation ausgefallen. "Die Leute wollen nicht mehr. Die haben resigniert. Die treibt es nur noch hier rein, einen Abschluss zu finden, das Geld mitzunehmen." Die Abwesenheitsrate sei derzeit laut Dalmis "sehr hoch, weil die Menschen nehmen sich das zu Herzen."

    Für die Auszubildenden des Unternehmens sei man in Gesprächen mit Siemens, ob diese dort ihre Ausbildung beenden könnten. Sollte das nicht möglich sein, gebe es eine Zusicherung der Agentur für Arbeit, dass ein Betrieb gefunden werde, wo das möglich sei, berichtet Dalmis. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden