Am Dienstag hat der Europarat den Weg für ein schärferes Vorgehen gegen Wölfe frei gemacht. Der zuständige Ausschuss stimmte einem Antrag der EU-Staaten zu, den Schutzstatus der Tiere in der Berner Konvention von "streng geschützt" auf "geschützt" zu senken. Damit wurde ein erster Schritt in Richtung einer systematischen Reduzierung des Wolfsbestandes, statt der bisher möglichen, aber schwer durchsetzbaren Einzelabschüsse von Problemtieren gemacht. Auch wenn es noch ein weiter Weg ist, bis Wölfe einfacher geschossen werden können, entspricht dies einer vielfach geäußerten Forderung Rhöner Tierhalter und regionaler Vertreter aus der Politik.
EU-Abgeordneter Stefan Köhler: "Weidetierhalter können aufatmen"

So begrüßt Stefan Köhler, unterfränkischer Europaabgeordneter und agrar- und umweltpolitischer Sprecher der CSU im Europäischen Parlament, die Entscheidung zur Absenkung des Schutzstatus ausdrücklich. "In vielen Regionen Europas, unter anderem auch in meiner Heimatregion, sind Problemwölfe unterwegs. Weidetierhalter versuchen oftmals verzweifelt, die Tiere von ihren Herden abzuhalten und müssen sich auf teure und häufig nicht ausreichende Maßnahmen wie Herdenschutzzäune oder speziell ausgebildete Hunde verlassen. Nun können Wölfe, die nachweislich Weidetiere gefährden, entnommen werden."
Dies sei jedoch kein Freifahrtschein für die Jagd auf Wölfe, so Köhler. Die Tiere seien weiterhin geschützt und es müssten bestimmte Auflagen erfüllt werden, um einen Abschuss zu rechtfertigen. "Weidetierhalter in Europa können nun aber aufatmen und bald aktiv gegen Schäden am Tierbestand vorgehen."
Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber: "Wölfe müssen endlich bejagt werden"

Für Anja Weisgerber, Bundestagsabgeordnete aus Schweinfurt, ist die Entscheidung, den Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention herabzusetzen, eine gute Nachricht. "Wir haben dies schon lange gefordert. Denn der Wolf ist nicht mehr vom Aussterben bedroht, die Weidetierhaltung aber schon", so die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion.
Es gelte nun, die Änderung der Berner Konvention schnell umzusetzen. "Auf europäischer und nationaler Ebene müssen zügig die notwendigen Weichen dafür gestellt werden, dass der Wolfsbestand in Deutschland kontrolliert klein gehalten wird. Wölfe müssen endlich bejagt werden. Eine neue Bundesregierung muss dies zügig in Angriff nehmen. Wir wären dazu bereit", so Weisgerber.
Landtagsabgeordneter Sandro Kirchner: "Ein wichtiger Etappensieg für unsere Weidetierhalter"

Die Entscheidung des Ausschusses hat auch Sandro Kirchner "sehr positiv" zur Kenntnis genommen. Wie der Landtagsabgeordnete und Innenstaatssekretär betont, könne damit "endlich" der Schutzstatus des Wolfes auch in der EU-FFH-Rahmenrichtlinie herabgesetzt werden: "Das ist ein wichtiger Etappensieg, um unseren Weidetierhaltern in der Rhön bei den Herausforderungen mit dem Wolf zu unterstützen."
"Ständig gerissene Tiere oder sogar Tiere, die auf der Weide verstümmelt qualvoll verenden, vorzufinden, machen unsere Schäfer und Hirten nicht nur betroffen, sondern deprimiert und demotiviert. Ohne eine vernünftige Regulierung der Wolfspopulation haben unsere betroffenen Weidetierhalter auf Dauer keine Perspektive für die Weidetierhaltung in der Rhön", betont Kirchner.
Der Landtagsabgeordnete zeigt sich zuversichtlich, "dass eine neue Bundesregierung unter Beteiligung der CSU, die Überführung der FFH-Rahmenrichtline forcieren würde und damit ein zielführendes Wolfsmanagement schnell etabliert werden könnte. Im Moment freut es mich, dass unsere inzwischen doch sehr geknickten Weidetierhalter eine neue Perspektive erhalten."
Landrat Thomas Habermann: "Meilenstein für Etablierung eines neuen Wolfsmanagements"

Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann begrüßt die Absenkung des Schutzstatus für den Wolf ausdrücklich, da sie einen wichtigen Meilenstein für die Etablierung eines neuen Wolfsmanagements mit aktiven, anlasslosen Regulierungsmöglichkeiten darstelle. "Diese Änderung war längst überfällig und hätte ohne die Blockadehaltung der bisherigen Bundesregierung viel früher erreicht werden können. Hier wurde wertvolle Zeit zum Nachteil der Weidetierhalter vertan", kritisiert Habermann. Seiner Ansicht nach zeigen sich mit der Änderung "erste Erfolge der intensiven politischen Bemühungen aus der Region."
Nach Habermanns Ansicht bestehe jetzt "umso mehr die Erwartung beziehungsweise die Forderung an die Politik, die notwendigen Folgemaßnahmen in die Wege zu leiten, um eine Bestandsregulierung vornehmen zu können." Diese Änderungen müssten zügig in Angriff genommen werden, "um den Weidetierhaltern Perspektiven für eine zumutbare Fortsetzung der Weidetierhaltung in unserer Region aufzuzeigen."
Bund Naturschutz-Experte Uwe Friedel: "Die Herabstufung kommt zu früh"

Uwe Friedel, Wolfsexperte des Bund Naturschutz, kritisiert die Entwicklung: "Die Herabstufung des Wolfes ist eine rein politische Entscheidung und nicht, wie es eigentlich der Fall sein sollte, wissenschaftlich begründet. Im Gegenteil: die führenden Wolfsexperten Europas sind sich einig, dass die Herabstufung zu früh kommt."
Für Friedel ist die Behauptung, Bejagung sei "vorbeugender Herdenschutz", schlichtweg falsch. Er verweist auf Beispiele aus ganz Europa, die belegen würden, dass Weidetiere mit Bejagung nicht präventiv geschützt werden können – "das geht nur mit echten Herdenschutzmaßnahmen. In Deutschland geht immer noch der größere Teil von Wolfsrissen auf völlig ungeschützte Weidetiere zurück. Hier wäre der eigentliche Punkt, anzusetzen, um Weidetierhalter in ihrer Not mit dem Wolf wirklich zu unterstützen."
Weiter betont Friedel, es werde oft unterschlagen, dass mit der Herabstufung nach wie vor der günstige Erhaltungszustand gegeben sein müsse. "Dieser ergibt sich aus harten Fakten, zum Beispiel wie viele Wölfe es wo in Deutschland gibt, und kann nicht beliebig von der Politik festgestellt werden, wie es die bayerische Staatsregierung fordert."
Schäfer Frank Scharbert: "Ein Weihnachtsgeschenk, das mit einem hohen Preis bezahlt wurde"

Ganz anders bewertet Frank Scharbert die jüngste Entwicklung. Für den Schafhalter aus Sondheim/Rhön ist man mit dem Absenken des Schutzstatus jetzt einen großen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Er fragt: "Ist es vielleicht ein kleines Weihnachtsgeschenk, das wir im vergangenen Jahr schon mit einem hohen Preis bezahlt haben?! Ich hoffe sehr, dass unser neu zusammengestelltes EU-Parlament genau da weiter macht, um die Weidetierhaltung und den Tourismus in der Rhön zu sichern."
Wie es nun weitergehtDie Berner Konvention ist ein 1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen, dem die EU beigetreten ist. Die nun beschlossene Änderung der Berner Konvention tritt nach drei Monaten in Kraft. Danach kann auch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), das EU-Gesetz zu ihrer Umsetzung, angepasst werden. Dazu muss die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfes vorlegen. Der benötigt nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. In der Folge könnten die Neuregelungen im nationalen Recht (Bundesnaturschutzgesetz) nachvollzogen werden.TOP
Der Text wurde um die Stellungnahme des Landtagsabgeordneten Sandro Kirchner ergänzt