Ein schlichter Grabstein erinnert auf dem Friedhof in Bibra an Klaus Seifert. Dort ist zu lesen: Geboren am 14.3.1953, gestorben am 4.5.1971. Klaus Seifert ist einer von vielen, die bei der Flucht aus der DDR von Minen getötet wurden. Darauf verweist eine Marmortafel mit dem Hinweis "Opfer der innerdeutschen Grenze."
Der junge Mann flüchtete in der Nacht vom 8. auf den 9. April 1971 aus der DDR und wurde beim Überqueren der Grenzsperranlagen bei Mühlfeld (Landkreis Rhön-Grabfeld) durch eine Mine lebensbedrohlich verletzt. Gefunden wurde er am 9. April morgens und in das Krankenhaus Mellrichstadt eingeliefert. Aufgrund seiner schweren Verletzungen kam er ins Luitpoldkrankenhaus Würzburg, wo er am 4. Mai nach mehrfachen Amputationen an einer Infektion starb.

Ein weiterer Toter bei Roßrieth
Diese Informationen befinden sich im Privatarchiv von Kreisheimatpfleger und Buchautor Reinhold Albert (Sternberg). Er war über Jahrzehnte bei der bayerischen Grenzpolizei und an der Grenze zur DDR eingesetzt. Er nennt rund 1.000 Geflüchtete, die in der Zeit der innerdeutschen Grenze auf der Flucht erschossen oder durch Minen getötet worden waren. Wie viele es an der 133 Kilometer langen Grenze zu Unterfranken waren, sei nicht bekannt.
Der inzwischen verstorbene Hans Ippach, Beamter der Grenzpolizei in Mellrichstadt, weiß von einem weiteren Vorfall an der Grenze bei Roßrieth. Dort hatte man in den Morgenstunden des 29. März 1971 auf westdeutschem Gebiet einen Toten entdeckt. "Wir haben den jungen Mann gefunden. Er hatte keinen Ausweis dabei, aber kam wohl von drüben, wie er heißt, woher er gekommen ist, konnten wir nicht ermitteln."

Nachfrage über Lautsprecher
"Die andere Seite antwortet nicht" titelte die Main-Post in ihrer Ausgabe vom 1. April 1971. Sie beruft sich dabei auf eine Flucht in der Nacht vom 28. auf den 29. März 1971 bei Sondheim/Grabfeld. Dabei ist ein Flüchtling auf eine Mine getreten und auf westdeutschem Gebiet verblutet. Alle Bemühungen der Behörden, telefonisch oder durch Telegramme mit dem Volkspolizeikreisamt Meiningen in Kontakt zu kommen, blieben erfolglos.
Auch an der Grenze versuchte man per Lautsprecher die Kommandos auf der anderen Seite zu einer Reaktion zu bewegen. Der Mann hatte einen Lohnzettel auf den Namen Karl Heinz Fischer von einem Betrieb in Römhild bei sich. Da man nicht zweifelsfrei davon ausgehen konnte, dass dieser Zettel Eigentum des Geflüchteten war, wurde er als "unbekannter Toter" eingestuft.

Obduktion dokumentiert die schlimmen Verletzungen
"Der Tote wurde obduziert, wobei das ganze Ausmaß der Verletzungen offenbar wurde: Am linken Bein lag der Röhrenknochen frei, die Innenseite des rechten Oberschenkels war aufgerissen. Überall am Körper und den Händen wurden Splitterverletzungen festgestellt." Mit diesen Verletzungen kroch der Schwerverwundete noch rund 350 Meter über das Minenfeld auf westdeutsches Gebiet.
Der Autor des Berichts spricht davon, ob dem Verletzten noch hätte geholfen werden können, wenn er rechtzeitig entdeckt worden wäre. Am Vorabend hatte man Detonationen gehört. "Aber die Bevölkerung an der Zonengrenze hatte sich daran gewöhnt, dass gelegentlich eine Mine explodierte. Fast immer handelte es sich um ein Wild, das ins Minenfeld geraten war."

Eine Streife hörte die Hilferufe von Bernd Geiß
Dazu nennt der Autor den Fall "Bernd Geiß", der 1970 gerettet wurde, weil zufällig eine Streife in der Nähe war und die Hilferufe hörte.
Zum toten Flüchtling im Minenfeld bei Sondheim/Rhön schreibt die Main-Post: Sollte man in Zukunft nicht grundsätzliche nachsehen, wenn eine Mine detoniert und die Grenzaufsichtsorgane umgehend benachrichtigen? Dazu beruft er sich auf sein Foto, das einen Zollbeamten an einem schlichten Holzsarg auf einem Acker zeigt, in dem er schreibt: "Wahrscheinlich wäre es bei Anwendung einer solcher Sorgfalt zu diesem Bild mit dem Sarg auf freiem Feld nicht gekommen." Diese Geschichte ist eine von vielen, die es an der einstigen innerdeutschen Grenze im Landkreis Rhön-Grabfeld gab.