Fünf schön gestaltete Eichenstämme thronen auf der Höhe: Östlich von Mellrichstadt, nahe der A 71 auf der erhöhten Flurgemarkung „Großes Reut“, ist im Dezember vergangenen Jahres ein weithin sichtbares Stelenfeld seiner Bestimmung übergeben worden. Die fünf Meter hohen Eichenholzskulpturen waren von Schülern der Bischofsheimer Berufsfachschule für Bildhauerei angefertigt worden. Seither ragen die fünf imposanten Stelen der jungen Bildhauer Franziska Wegerer, Christopher Schwarzkopf, Anne Walther, Sayaka Kawashima und Artjom Riffel an diesem exponierten Platz, dem Reutberg, empor und sind inzwischen zum beliebten Ausflugsziel für Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer geworden.
Von Beginn an hatte allerdings der Initiator und Ideengeber des Stelenfelds, Dietmar Balling, Fachlehrer an der Bildhauerschule, geplant, das Stelen-Kollektiv mit Unterstützung verschiedenster Gremien und Behörden nach und nach zu erweitern. Nun haben drei der diesjährigen Fachschulabsolventen, Gina Karadi, Ferdinand Aurich und Ferdinand Kuhn, in zahlreichen Arbeitsstunden und zudem parallel zu ihren Gesellenarbeiten drei neue Skulpturen für das Stelenfeld geschaffen. Diese wurden in der vergangenen Woche für den Transport nach Mellrichstadt vorbereitet.
Glücksfall für junge Bildhauer
Ein Projekt dieser Größenordnung ist ein Glücksfall für die jungen Bildhauer, die im Rahmen ihrer Ausbildung lernen, ein Werk von der Planung bis zur Ausführung zu entwickeln und dann – im Idealfall – auf- beziehungsweise auszustellen. Mit dem Projekt „Stelenfeld“ konnte dieser Idealfall Wirklichkeit werden. Zudem war man bei der Umsetzung des Projekts rein auf Spenden angewiesen, so dass die Schüler gelernt haben, Präsentationen für die künftigen Projektbeteiligten zu erarbeiten. Und auch die Kontaktpflege mit den zuständigen Behörden und Gremien müssten die jungen Leute teilweise selbst übernehmen.
Anders als die ersten fünf Skulpturen des Mellrichstädter Stelenfeldes sind die neuen Arbeiten gestalterisch formal gehalten. „Das liegt am vorgegebenen Thema“, erklärte Ferdinand Aurich im Interview. Die Aufgabe sei gewesen, ein Arbeitskonzept zu entwickeln, das unverwechselbare und eindeutige Arbeitsanweisungen zur Bearbeitung einer Eichenstele gibt. Die Bildhauer legten bemaßte Zeichnungen und schriftliche Erklärungen vor, die es wiederum möglich machen, dass jedes Mitglied innerhalb einer Arbeitsgruppe Teile der Stelen bearbeiten kann – in der Gewissheit, werksmäßig zu handeln.
Diese Vorgehensweise entspreche der sogenannten Konzeptkunst, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelt worden sei, ergänzt Balling. „Vertreter der Konzeptkunst begannen Arbeitsanweisungen und Pläne für Ausführende zu entwickeln, um Werke herstellen zu lassen, die zeit- und ortsungebunden wiederholbar sind, ähnlich der Arbeitsweise von Ingenieuren, nach deren Plänen und Vorgaben Techniker und Facharbeiter exakt wiederholbar Produkte anfertigen können.“
So hat Ferdinand Aurich nach eigenem Bekunden beim Entwurf seines 1:10-Modells mit Zirkel und Lineal experimentiert und sich dabei an die geometrischen Grundformen Kreis, Rechteck und Quadrat gehalten. Entstanden sind vertiefte Kreisflächen, die im Ergebnis an Augen oder eine Maske erinnern. Eine solche Wirkung habe man aber bei der Bearbeitung des Holzes noch nicht vollständig im Blick, meint Aurich, so dass für ihn das Resultat immer eine spannende Sache bleibt.
Auch Gina Karadi hat als Gestaltungselemente längliche Durchbrüche und kleine quadratische Öffnungen gewählt, „um die Balkenform der Eichenholz-Stele zu betonen“, erklärt sie. Ferdinand Kuhns Skulptur wiederum zeigt Aussparungen, die die Form und Größe der Stelenhalterung aus U-Stahl aufgreifen und weiterführen. Ursprünglich hatte Kuhn geplant, die Aussparungen mit Metall zu füllen. Bei der praktischen Ausführung habe er jedoch finanziell Grenzen setzen müssen.
Einige Holz-Bearbeitungen mussten auch mit Hilfe von Ketten- und Kreissägen oder einem sogenannten Kettenstemmer ausgeführt werden. Deshalb bietet die Schule auch Kettensägekurse an, da ein Bildhauer den Umgang mit solchen Maschinen lernen müsse. Überhaupt hat die Bildhauerschule in Bischofsheim mit Blick auf die Erfordernisse eines zeitgemäßen Lehrplans ein Konzept entwickelt, das sich an ihren Leitsatz anlehnt, „die künstlerische Grundlehre eng zu verzahnen mit der notwendigen Achtsamkeit gegenüber der Technologie des Holzes“, so Dietmar Balling.
Gespannt auf die Wirkung
Ferdinand Aurich erwartet nun mit Spannung das Aufstellen der Fünf-Meter-Stelen, die ausschließlich liegend bildhauerisch bearbeitet worden sind. „Aufgerichtet ist ihre Wirkung sicher noch mal eine ganz andere“, ist der Bildhauer überzeugt.
Alle drei frischgebackenen Bildhauer sind natürlich froh, dass sie die Gelegenheit gekommen haben, ihre Arbeiten auf dem Reutberg präsentieren zu können. Wie Gina Karadi hinzufügt, werde im Unterricht normalerweise ein Konzept entwickelt, in dem die Schritte bildhauerisch, zeichnerisch und planerisch verfolgt und gelöst werden sollen. Da es dann oft nur bei der Anfertigung von Modellen bleibt, sei die Motivation und das Erfolgserlebnis, eine Skulptur für das Mellrichstädter Stelenfeld zu schaffen, sehr hoch gewesen.
Ende dieser Woche werden die Mitarbeiter des Mellrichstädter Bauhofs die Fundamente ausheben. Dann sind es acht bemerkenswerte Skulpturen, die einen Besuch des Stelenfeldes allemal lohnenswert machen.