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Schweinfurt: 125 Jahre Sachs (Teil 2): Genialer Erfinder und Vermarkter

Schweinfurt

125 Jahre Sachs (Teil 2): Genialer Erfinder und Vermarkter

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    Ernst Sachs, der Unternehmer.
    Ernst Sachs, der Unternehmer. Foto: Foto: Archiv Sachs

    1890 zählte Schweinfurt gut 13 500 Einwohner. Gewerbetreibende, Bürgertum, ganze 183 Arbeiter. Schweinfurt lebte kurz vor der Jahrhundertwende vor allem von seinen Märkten, einer bescheidenen Schuh- und Farbenproduktion, der Erinnerung an die verflossene reichsstädtische Freiheit.

    Und doch war im April 1894, als der damals 27-jährige Ernst Sachs an den Main kam, der Grundstock für den bald einsetzenden industriellen Aufschwung bereits gelegt.  Der gut aussehende junge Mann, der in Petershausen bei Konstanz geboren wurde, hatte schon gute Gründe, in Schweinfurt ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen. Sachs bestach nämlich nicht nur als begabter Handwerker.

    Gerade einmal 20 Jahre alt, hatte der Mechaniker eine vielbeachtete Präzisions-Fräsmaschine für Tresorschlüssel konstruiert. Er war aber auch Sportler durch und durch. Als Hochradfahrer war er so erfolgreich, dass ihn sogar der noble Frankfurter Velocipedclub aufnahm. Ein Club, in dem auch die vornehmen Opels verkehrten, die 1890 bereits 10 000 Zweiräder im Jahr produzierten.

    Das Fahrrad wurde als "Knochenschüttler" verspottet

    Das Fahrrad war zu dieser Zeit noch eine recht simple Konstruktion. Ein Gefährt für Außenseiter, als "Knochenschüttler" verspottet und zudem gefährlich zu fahren, was auch Sachs zu spüren bekam. Eine schwere Beinverletzung zwang ihn zur Kur in Bad Kissingen, knapp 30 Kilometer von der Stadt entfernt, in der Philipp Moritz Fischer 1852 die Tretkurbel erfunden und sein Sohn Friedrich Fischer mit der von ihm konstruierten Kugelmühle in die Großproduktion von absolut runden Stahlkugeln eingestiegen war.

    In diesem Gebäude begann die Geschichte von Fichtel & Sachs.
    In diesem Gebäude begann die Geschichte von Fichtel & Sachs. Foto: Foto: Archiv Sachs

    In Schweinfurt gab es einen Fahrradklub mit eigener Wettkampfbahn, das Radgeschäft eines Freundes und damit Arbeit für den jungen Ernst Sachs. Tagsüber stand er im Geschäft, spät abends noch an einer fußbetriebenen Drehbank, wo er in wenigen Monaten die erste Fahrrad-Nabe konstruierte, für die er am 23. November 1893 das kaiserliche Patent mit der Nummer 84 793 erhielt.

    Die Erfindung sollte sich als bahnbrechend erweisen. Die Nabe machte das Fahrrad schneller, das Treten kostete den Fahrer weniger Schweiß. In der Kleinstadt sprach sich das Talent des Erfinders schnell herum.

    Sachs verkehrte auch im Haus des Schweinfurter Kugellagerfabrikanten Wilhelm Höpflinger, und dort kam er mit  dem vier Jahre älteren Karl Fichtel zusammen. Während Sachs aus bescheidenen Verhältnissen stammte und sein Geld stets selbst verdienen musste, gehörte Fichtel zum arrivierten Bürgertum: Zur kunstfreudigen Fabrikantenfamilie Wilhelm Sattlers, der das berühmte "Schweinfurter Grün" erfunden hatte.

    1895 werden die Präcisions-Kugellagerwerke gegründet

    Im Ausland hatte der junge Fichtel kaufmännische Erfahrungen gesammelt und verfügte über jene 15 000 Goldmark Kapital, mit der die "Schweinfurter Präcisions-Kugellagerwerke Fichtel & Sachs" am 1. August 1895 gegründet werden konnten, wie eine winzige Notiz im Schweinfurter Tagblatt aufzeigte. Der Name klang selbstbewusst. Dahinter standen zunächst freilich nur die beiden Inhaber, zwei Gesellen und ein Lehrling, die in einem Hinterhof ihre Werkstatt einrichteten.

    Als junger Radrennfahrer kam Ernst Sachs nach Schweinfurt.
    Als junger Radrennfahrer kam Ernst Sachs nach Schweinfurt. Foto: Foto: Archiv Sachs

    Die Verbindung eines genialen Erfinders mit der Solidität eines kongenialen Kaufmanns sollte zu einer der industriellen Erfolgsstorys werden, wie man sie allenfalls aus den USA kennt. Zum Jahresende 1895 zählte die Firma zehn, 1896 bereits 70 Mitarbeiter. Mit dem Firmenstart hatte Ernst Sachs noch eine Vielzahl weiterer Ideen im Hinterkopf. Doch den beiden jungen Unternehmern blieb der Durchbruch zunächst versagt.

    Banken bemühten sich, mit ihrem Kapital Einfluss zu gewinnen, scheiterten aber am Widerstand Sachs', der selbstständig bleiben wollte, schließlich aber die Unterstützung seines Schwiegervaters, des erfolgreichen Kugellagerfabrikanten Wilhelm Höpflinger, akzeptierte. Das Vertrauen der Familie sollte sich auszahlen. 1903 kam der Durchbruch.

    In den wichtigsten deutschen Zeitungen tauchte ein Inserat auf, das ein Geheimnis um sich machte: "Torpedo in Sicht". In anderen Blättern konnte man lesen, dass eine Mannschaft von Sachs-Mitarbeitern am Stilfser Joch mit ungeheurem Tempo unterwegs sei. Sie fuhren mit Naben, in denen Antrieb, Freilauf und Bremse vereint waren. Was heute als Standard gilt, war eine Sensation und wurde von Ernst Sachs mit geradezu revolutionären Marketingmethoden vertrieben. Torpedo. Das Wort stand für Hightech, die technische Wunderwaffe der U-Boote.

    Mit dieser amtlichen Anzeige machten Ernst Sachs und Karl Fichtel im Schweinfurter Tagblatt auf die Gründung ihres Unternehmens aufmerksam.
    Mit dieser amtlichen Anzeige machten Ernst Sachs und Karl Fichtel im Schweinfurter Tagblatt auf die Gründung ihres Unternehmens aufmerksam. Foto: Foto: Archiv Sachs

    Die Erfindung ließ den Umsatz explodieren. Innerhalb dreier Jahre stieg der Absatz von 86 000 auf 382 000 Naben jährlich. 1905 zählte das gerade zehn Jahre alte Unternehmen schon 900 Mitarbeiter.

    Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Doppel-Torpedo-Nabe entwickelt, damit die erste Schaltung auf dem Markt. Das Fahrrad wurde noch ein Stück attraktiver, zu einem Produkt des gehobenen Bedarfs. Sachs setzte nicht allein auf Masse, sondern fast fanatisch auf die stete Verbesserung der Qualität seiner Produkte. Sein Slogan bei den zur Tagesordnung gehörenden Rundgängen durch das immer größer werdende Firmengelände: "Für verpfuschte Arbeit wird der Wert des Materials vom Lohn abgezogen."

    Während sich Sachs um Produkt und Marketing kümmerte, war der als "stets streng blickend und äußert penibel, wenngleich gutmütig" beschriebene Fichtel für die Finanzen verantwortlich und kümmerte sich vor allem um den Ausbau des Vertriebs nicht allein in Deutschland, sondern in ganz Europa und den USA.

    Als Fichtel 1911 starb, beschäftigte das  Unternehmen 2600 Mitarbeiter und verfügte bereits über Zweigwerke in europäischen Nachbarländern und den Vereinigten Staaten.

    Mit dem Kriegsausbruch 1914 kam eine Flut von Aufträgen

    Fortan hatte Sachs das alleinige Sagen in der Firma. Einer Firma, die mit dem Kriegsausbruch 1914 mit einer Flut von Aufträgen konfrontiert wurde. Als ungleich bedeutender als das Fahrrad sollte sich jetzt das Kraftfahrzeug erweisen. Dafür wurden Kugellager in ungeheuren Mengen benötigt, die nur die Schweinfurter Industrie mit Sachs an der Spitze liefern konnte.

    Karl Fichtel.
    Karl Fichtel. Foto: Foto: Archiv Sachs

    Das Unternehmen wuchs allein zwischen 1914 und 1918 von 3600 auf 8000  Menschen an. Einen neuen Standort fand es vor der Stadt in der Nähe des Hauptbahnhofes. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg und die folgende Inflation führten zu einer Renaissance des Fahrrads mit einem schwunghaften Anstieg an Naben.

    Die Krise freilich ging auch an Sachs nicht problemlos vorbei. Als 1923 die Inflation ihrem Höhepunkt zustrebte, wollte der persönlich haftende Ernst Sachs das Risiko für sein Großunternehmen nicht mehr allein tragen und entschloss sich zu seiner Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Das Kapital von 100 Millionen Mark blieb jedoch im Besitz der Familie und der Witwe Karl Fichtels.

    Während das Fahrradgeschäft gut lief, litt der Autoabsatz unter den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Hinzu kam: die Maschinen waren während der Kriegsproduktion überbeansprucht worden, jetzt zum Großteil Schrott. In dieser Situation setzte in der deutschen Automobilindustrie ein Massensterben ein. Von 51 Fabriken, die 1925 am Markt waren, überlebten ganze 13.

    Obwohl inzwischen auch als Rennsportler mit dem Automobil eng und erfolgreich verbunden, wusste Sachs um die Bedeutung des Fahrrads, dem er Ende der 1920er-Jahre einen Verbrennungsantrieb geben und damit die Modernisierung breiter Bevölkerungsschichten ermöglichen sollte. Sachs dachte an einen Motor, der nicht mehr als 300 Mark kosten sollte. Das Ergebnis war der legendäre 98-ccm-Motor, der schließlich dazu führte, dass in Schweinfurt die größte Zweitakt-Motorenfabrik der Welt entstand. Die sollte Ernst Sachs' größter Erfolg nach der Torpedo-Nabe werden. Bis 1950 wurden 750 000 Exemplare im Prinzip unverändert produziert.

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