Johannes Schötz gehört jetzt einem exklusiven Club an: Er darf sich hierzulande zu den ganz wenigen Menschen zählen, die einen Fuß in die Antarktis gesetzt und dort sogar überwintert haben. Um die 400 Deutsche mögen es vielleicht gewesen sein, schätzt er, die einer solchen Mission auf der Polarstation des Alfred-Wegener-Instituts bislang angehörten.
13 Monate verbrachte der 33-jährige Elektrotechniker aus Oberschwarzach (Lkr. Schweinfurt) im ewigen Eis. Als Mitglied des Überwinterungsteams auf Neumayer III, das aus zwölf Personen bestand. Sie hielten die Forschungsstation am Laufen, waren auf sich alleine gestellt und von der Außenwelt abgeschnitten. Mittlerweile sind alle wieder in die Heimat zurückgekehrt.
Beeindruckende Naturphänomene und eine Kälte, die besser zu ertragen ist als Zuhause
Es ist eine außergewöhnliche Zeit gewesen, die Schötz – auch mit dem Abstand von einigen Wochen – nicht so recht fassen kann. Was er von seinem Aufenthalt mitnimmt? Bei einem Gespräch muss er bei dieser Frage erst einmal seine Gedanken sortieren.

"Vieles", sagt er nach kurzer Bedenkzeit. Und dann sprudelt es doch aus ihm heraus. "Da ist dieser sternenklare Himmel, der ganz anders ist als hier." Ohne Lichtverschmutzung sei alles viel klarer zu sehen, "es ist einfach krass".
Besondere Momente boten die zahllosen Naturschauspiele, wie die Polarlichter, die nicht nur grün, sondern auch magenta funkelten; oder atemberaubende Sonnenaufgänge und -untergänge, sowie längere Phasen mit durchgängiger Dunkelheit, aber auch mit Helligkeit fast rund um die Uhr.
Beeindruckend für ihn war auch die Ruhe, das grenzenlose Weiß und die unglaubliche Kälte. Doch selbst Minustemperaturen von 30, 40 oder 50 Grad waren einigermaßen erträglich. Der Hauptunterschied zum Wetter in der Heimat: "Die trockene Kälte ist angenehmer als unsere feuchte Kälte."
Neugierige Nachbarn nahe der Forschungsstation: "Pinguine sind überhaupt nicht scheu"
Besonders in Erinnerung bleiben ihm seine Begegnungen mit den tierischen Nachbarn. Unweit der Station lebt eine Kolonie mit über 20.000 Kaiserpinguinen.

Bei Außeneinsätzen, zum Beispiel bei den Messungen des Meereises, konnte es passieren, dass ihm plötzlich einer aus der Nähe über die Schultern zuschaute. "Pinguine sind überhaupt nicht scheu und neugierig", berichtet Schötz.
Während seiner mehr als einjährigen Dienstzeit erlebte er, wie die Pinguine den eisigen antarktischen Winter eng an eng gekuschelt verbrachten. Wie die Kolonie sich formierte, wie die Balz- und Paarungszeit einsetzte, und wie schließlich im August der Nachwuchs zur Welt kam. Schnell wurden die Küken größer und einzelne schlossen sich zu Kindergarten-Gruppen zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen, bis die Eltern mit Nahrung zurückkamen.

Faszinierend sind alle diese Momente für ihn gewesen. Beeindruckt hat Johannes Schötz ebenso die Veränderung der nahen Meeresbucht im Verlauf des Jahres. Im Sommer war sie nahezu eisfrei, danach fror sie komplett zu.
Die Arbeit nahm naturgemäß die meiste Zeit in Anspruch. Der Elektrotechniker war zusammen mit einem Kollegen für die Stationstechnik verantwortlich. Ein überlebenswichtiger Job, denn ein Ausfall der Energieversorgung in der Eiswüste wäre der Super-Gau gewesen. Trotz spezieller Isolierung würde die Polarstation recht schnell auskühlen und die Wasserleitungen einfrieren.

Glücklicherweise gab es nur wenige größere Störungen. Für Schreckmomente sorgten zwei "Blackouts". Schötz erinnert sich noch gut daran: "Plötzlich ging das Licht aus und das Notstromaggregat sprang an. Da mussten wir ganz schnell sein." Beide Fehler konnten rasch behoben werden. Draußen war es in diesem Moment minus 30 Grad kalt.
Abgeschiedenheit als große Herausforderung des Winters im ewigen Eis
Eine Herausforderung, vor allem in psychischer Hinsicht, war die völlige Abgeschiedenheit in der Eiswüste. Es habe Höhen und Tiefen gegeben, räumt der Oberschwarzacher ein, meint aber zugleich, dass man ein gutes Team gewesen sei und alle Probleme gut gelöst habe. "Man kann halt nicht weg, und so muss man sich auseinandersetzen."
Damit die Crew sich im Laufe der Zeit nicht auseinanderlebte, gab es tägliche Pflichtveranstaltungen. Darunter ein gemeinsames Essen. Außerdem nahm das Überwinterungsteam an einem höchst außergewöhnlichen Wettbewerb teil: am antarktischen Filmfestival.
Nur Polarstationen dürfen dabei mitmachen und müssen, so die Vorgabe, binnen 48 Stunden einen Kurzfilm drehen. Dass auf Neumayer III zeitgleich ein Filmteam von National Geographic für eine Pinguin-Dokumentation überwinterte, war ein Glücksfall. Jene Doku wird übrigens ab dem 22. April auf deren Kanal zu sehen sein.
Herausgekommen bei dem eigenen Dreh für das "Antarctic Film Festival" ist ein fünfminütiger Beitrag, der zwar nicht gewonnen hat, aber professionell daherkommt und zum Schmunzeln anregt. "Polar Fiction" heißt der Film, in dem eine Tasche mit geheimnisvollem Inhalt die Hauptrolle spielt. Während des Transports durch die weißen Weiten taucht seltsamerweise sogar ein Dino auf.
Das und sein gesamtes Jahr in der Antarktis haben Johannes Schötz begeistert. So sehr, dass er sich einen erneuten Aufenthalt gut vorstellen kann: "Ich würde es wieder machen, wenn ich könnte." Zu seinem Leidwesen ist dies nur einmal auf der deutschen Forschungsstation möglich. Vielleicht aber auf den Stationen anderer Länder. Offen für außergewöhnliche Aufgaben ist er jedenfalls.

Zunächst aber genießt er seinen langen Urlaub und hat sich dabei klimatisch neu orientiert. Seine ersten Reiseziele nach der Rückkehr lauteten Südafrika und Sri Lanka. Warum ausgerechnet dahin? "Ich wollte mal wieder in wärmere Regionen."
Der Film "Polar Fiction", den Johannes Schötz und das Neumayer III-Team für das antarktische Filmfestival gedreht haben, kann im Internet unter folgender Adresse angeschaut werden: https://www.wiffa.aq/en/film/1278