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Oberschwarzach: 413 Jahre Sebastiani-Tag: Warum der Bürgerwehr Oberschwarzach das Pestgelübde auch in der Neuzeit wichtig ist

Oberschwarzach

413 Jahre Sebastiani-Tag: Warum der Bürgerwehr Oberschwarzach das Pestgelübde auch in der Neuzeit wichtig ist

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    Mit dem Sebastiani-Gelübde gedenken die Oberschwarzacher alljährlich der schlimmen Ereignisse im Jahr 1611. Eine bewaffnete Bürgerwehr zieht, gekleidet in Gehrock und mit Zylinder, auf und erneuert ihren Dank an den Heiligen Sebastian. So auch am Sonntag, als nach dem Gottesdienst am Ehrenmal ein Kranz abgelegt wurde, zu Ehren der Opfer der Pest und auch aller Kriege.
    Mit dem Sebastiani-Gelübde gedenken die Oberschwarzacher alljährlich der schlimmen Ereignisse im Jahr 1611. Eine bewaffnete Bürgerwehr zieht, gekleidet in Gehrock und mit Zylinder, auf und erneuert ihren Dank an den Heiligen Sebastian. So auch am Sonntag, als nach dem Gottesdienst am Ehrenmal ein Kranz abgelegt wurde, zu Ehren der Opfer der Pest und auch aller Kriege. Foto: Stefan Pfister

    Kurz vor halb Neun am Sonntag: Es ist knackig kalt, das Thermometer zeigt minus acht Grad. In der Hauptstraße haben sich Dutzende Männer eingefunden. Allesamt sind sie historisch eingekleidet, im schwarzen Gehrock und mit Zylinder.

    Noch wird gelacht und gescherzt, als in einem Hoftor die Waffen ausgegeben werden, darunter Hellebarden und Gewehre, wobei es sich hierbei um hölzerne Attrappen handelt. Wem kalt ist, dem schenkt Jürgen Moller etwas "Wärmendes" aus. Von dem Angebot wird reichlich Gebrauch gemacht.

    Dann wird es ernst, die 47 Herren der Bürgerwehr stellen sich in Reih und Glied auf der abgesperrten Straße auf. Dazu weitere 18 Männer, die Pioniere, Korporale und Fähnrich darstellen. Zahlreiche Interessierte beäugen das Schauspiel.

    Impressionen vom 413. Sebastiani-Pestgelübde in Oberschwarzach.
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    Bürgerwehr erwacht für zwei Stunden zum Leben

    Als Bürgerhauptmann Frank Wagner mit seinen Offizieren die Reihen abschreitet, sind alle in Habachtstellung gegangen, es ist mucksmäuschenstill. Das Sebastiani-Pestgelübde hat zum 413. Mal begonnen.

    Bürgerhauptmann Frank Wagner führte die Bürgerwehr zum zweiten Mal an, nach seiner Premiere im Vorjahr.
    Bürgerhauptmann Frank Wagner führte die Bürgerwehr zum zweiten Mal an, nach seiner Premiere im Vorjahr. Foto: Stefan Pfister

    Alljährlich um den 20. Januar herum feiert die Gemeinde ihren höchsten Festtag: Für etwas mehr als zwei Stunden erwacht dann die Bürgerwehr zum Leben und erneuert auf diese Weise das Pestgelübde zu Ehren des Heiligen Sebastian, dem Schutzpatron von Oberschwarzach.

    Das Spektakel erinnert an das schlimmste Ereignis der Ortsgeschichte, als 1611 der "Schwarze Tod", die Beulenpest, unter der Bevölkerung wütete. Bürgerhauptmann Wagner, der im Vorjahr erstmals dieses Amt ausführte, spricht in seiner Rede von 158 Menschen, die damals mit ihrem Leben bezahlen mussten.

    Auf großes Interesse stießen die Feierlichkeiten zum Sebastiani-Tag in Oberschwarzach.
    Auf großes Interesse stießen die Feierlichkeiten zum Sebastiani-Tag in Oberschwarzach. Foto: Stefan Pfister

    Die Vorfahren hielten zusammen, unterstützten sich, wo sie nur konnten, so Wagner weiter. Als sie Hilfe beim Heiligen Sebastian suchten, seien sie durch ihr Gebet erhört worden.  Aus diesem Grund und als Dank legt die Bürgerwehr jedes Jahr aufs Neue das Pestgelübde ab.

    Ehemalige Oberschwarzacher reisen bis aus München an

    Es findet im Rahmen eines Festgottesdienstes in der Kirche St. Peter und Paul und mit einem Totengedenken am Ehrenmal statt. Vor vier Jahren wurde der "Sebastiani-Tag" in das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

    Stehend im Mittelgang verbringen die Mitglieder der "bewaffneten Mannschaft" fast den gesamten Festgottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul.
    Stehend im Mittelgang verbringen die Mitglieder der "bewaffneten Mannschaft" fast den gesamten Festgottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul. Foto: Stefan Pfister

    Für viele Oberschwarzacher ist es eine Selbstverständlichkeit, Teil der Bürgerwehr zu sein. Manche nehmen dafür weite Wege in Kauf. So die beiden Theß-Brüder Albrecht (65) und Matthias (55), die in dem Winzerort aufgewachsen sind. Der Ältere lebt seit 1980 in München, Matthias im Nürnberger Umland. Doch das Gelübde wollen sie sich nicht entgehen lassen. "Wir kommen jedes Jahr, wenn es irgendwie möglich ist", sagt Albrecht Theß.

    Rückkehr in den Heimatort: Alljährlich zum Sebastiani-Pestgelübde kommen die Brüder Albrecht (links), der in München lebt, und Matthias Theß aus Hersbruck, nach Hause und beteiligen sich an der Bürgerwehr. Das Bild zeigt sie vor ihrem Elternhaus in der Hauptstraße.
    Rückkehr in den Heimatort: Alljährlich zum Sebastiani-Pestgelübde kommen die Brüder Albrecht (links), der in München lebt, und Matthias Theß aus Hersbruck, nach Hause und beteiligen sich an der Bürgerwehr. Das Bild zeigt sie vor ihrem Elternhaus in der Hauptstraße. Foto: Stefan Pfister

    Für seinen Bruder ist Sebastiani ein Stück Heimat. Für sie ist die Bürgerwehr auch ein persönliches Dankeschön an den Heiligen: "Dass unsere Mutter mit 90 Jahren immer noch alleine hier lebt."

    Einige müssen sich richtig warm anziehen

    Beide haben sich bei den eisigen Temperaturen warm angezogen, ebenso zwei andere Bürgerwehrler: Richard Lehmeyer hat sich Skiunterwäsche angezogen. "Und dicke Socken, nachdem ich im Vorjahr kräftig gefroren habe."

    Fast die gesamte Zeit müssen die Herren im Stehen verbringen. Sein Freund Matthias Geiling zeigt bei der Frage nach seinem Wärmetipp dezent unter seinen Gehrock – es deutet sich darunter eine dicke Winterjacke an. Letztes Jahr, berichtet Geiling, habe er "böse gelitten".

    Zugezogene und Auswärtige im Dienst der Bürgerwehr: Richard Leymeyer (links) lebt erst seit einigen Jahren in Oberschwarzach, Matthias Geiling stammt aus Großgressingen.
    Zugezogene und Auswärtige im Dienst der Bürgerwehr: Richard Leymeyer (links) lebt erst seit einigen Jahren in Oberschwarzach, Matthias Geiling stammt aus Großgressingen. Foto: Stefan Pfister

    Beide sind keine gebürtigen Oberschwarzacher, doch auch für sie ist die Bürgerwehr ein Pflichttermin. Geiling stammt aus dem Ebracher Ortsteil Großgressingen. Lehmeyer lebt zwar seit seiner Heirat hier, kommt aber aus Dettelbach.

    Festprediger musste krankheitsbedingt absagen

    Sein Beweggrund: "Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem Traditionen gepflegt wurden", so Lehmeyer. Nur wenn die Bürgerwehr genau am Sebastiani-Tag, also dem 20. Januar reaktiviert wird, dann muss er leider passen. Der Geburtstag seiner Tochter geht in diesem Fall immer vor.

    Mit der Fahne des Heiligen Sebastian, getragen von Fähnrich Peter Jäger, zog die Bürgerwehr in den Morgenstunden zusammen mit der Steigerwaldkapelle und Fahnenabordnungen der Vereine durch den Winzerort.
    Mit der Fahne des Heiligen Sebastian, getragen von Fähnrich Peter Jäger, zog die Bürgerwehr in den Morgenstunden zusammen mit der Steigerwaldkapelle und Fahnenabordnungen der Vereine durch den Winzerort. Foto: Stefan Pfister

    Bereits am Vorabend von Sebastiani beginnen die Feierlichkeiten, mit einem Zapfenstreich beim Bürgerhauptmann. Sonntagmorgens um 6.30 Uhr erschallt der Weckruf der Steigerwaldkapelle, später zieht sie dann mit ihrem "klingenden Spiel" und der "bewaffneten Mannschaft" zur Kirche. 

    Dort wird die Fahne des Heiligen abgeholt, mit der dann die Bürgerwehr ins Gotteshaus einzieht. Den Festgottesdienst zelebriert Pfarrer Stefan Mai. Ursprünglich war dafür Festprediger Monsignore Günter Putz vorgesehen, doch den muss Mai krankheitsbedingt entschuldigen. 

    In Vertretung des erkrankten Monsignore Günter Putz zelebrierte Pfarrer Stefan Mai den Festgottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul.
    In Vertretung des erkrankten Monsignore Günter Putz zelebrierte Pfarrer Stefan Mai den Festgottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul. Foto: Stefan Pfister

    In seiner Rede am Ehrenmal, wo ein Kranz abgelegt wird, mahnt der Bürgerhauptmann zu Frieden, der aufgrund aktueller Krisen "bitter notwendig" sei. Wagner bedauert, dass der Ausnahmezustand zum Dauerzustand geworden sei.

    Gedenken an alle Opfer früherer und aktueller Kriege

    Die Bürgerwehr engagiere sich alljährlich, um die Erinnerung an die Pestzeit und Opfer der Weltkriege wachzuhalten; hierbei schließe man alle Opfer, insbesondere den Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, mit ein.

    Ein letzter Appell: Kurz vor 12 Uhr löste Bürgerhauptmann Wagner die Bürgerwehr auf. Erst in einem Jahr wird sie zurückkehren.
    Ein letzter Appell: Kurz vor 12 Uhr löste Bürgerhauptmann Wagner die Bürgerwehr auf. Erst in einem Jahr wird sie zurückkehren. Foto: Stefan Pfister

    Menschen bräuchten im Leben "Halt, Hoffnung und Zuversicht" und vor allem Liebe. In Bezug auf das Pestgelübde stellt er fest: "Sebastian kann uns auch heutzutage Vorbild sein."

    Mit einem letzten Appell endet die Zeit der Bürgerwehr kurz vor zwölf Uhr. Die Männer geben ihre Waffen zurück. Erst im nächsten Jahr wird sie wieder aufgestellt. Dann am 19. Januar 2025.

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