Aus Wunschdenken ist Wirklichkeit geworden. Wer hätte gedacht, dass sich die Städtepartnerschaft zwischen Mamers und Gerolzhofen nach der Unterzeichnung der Urkunden am 2. Juli 1972 bis heute in fast alle gesellschaftlichen Bereiche hinein entwickelt? Und zwar nachhaltig. In den 50 Jahren der Freundschaft gerieten die wechselseitigen Kontakte nie ins Stocken, außer vielleicht notgedrungen in den Corona-Jahren. Auch die Sprachbarriere konnte die zahllosen Begegnungen nicht hemmen.

Tragende Säule der Partnerschaft ist zweifellos
Die Schulleiter der beiden Mamerser Gymnasien St. Paul de Mamers und Lycée College des Mamers sowie der Gerolzhöfer Außenstelle des Franken-Landschulheims Schloss Gaibach mit Heinrich Schipper an der Spitze nahmen damals eine Anregung zum Austausch aus dem Freundeskreis Gerolzhofen/Mamers auf. Ab dem Jahr 1975 besuchten sich gegenseitig junge Deutsche und Franzosen im Jahresturnus. Das Besondere dabei: Sie wohnen während ihres Aufenthalts in Gastfamilien, so dass sie unmittelbaren Einblick ins Alltagsleben in Frankreich und Deutschland bekamen – und bis heute bekommen.Schüler nutzen die Chance zum Erlernen der Sprache
Daneben nehmen die Schüler am Unterricht der gastgebenden Schulen teil. Da sowohl in Mamers Deutsch als auch in Gerolzhofen Französisch gelehrt wird, kommt das natürlich auch der sprachlichen Entwicklung zugute. Die Schüler genießen außerdem gesellige Veranstaltungen und Ausflüge in die nähere Umgebung wie nach Rothenburg, Nürnberg oder Würzburg, oder auf Mamerser Seite zum Mont St. Michel im Atlantik oder nach Paris. Aus diesen Begegnungen entwickelten sich Freundschaften, die oft bis weit über die Schulzeit hinaus anhielten. In den Jahrzehnten des Austauschs haben wohl mehrere Tausend junge Menschen die jeweiligen Partnerstädte kennengelernt.

Nicht so regelmäßig, aber immerhin punktuell verlaufen Begegnungen zwischen Feuerwehren, Landwirten, Sportvereinen (hauptsächlich Fußball und Handball), Handwerkern, Gastwirten, Politikern und Geschäftsleuten sowie Musikkapellen, dem Roten Kreuz und der Katholischen Jungen Gemeinde. Sogar mit dem Fahrrad haben sich Gerolzhöfer und Mamerser seit 1981 mehrmals gegenseitig besucht. Und die Deutsche Post brachte 1986 einen original französischen Briefkasten in ihrer Gerolzhöfer Filiale an. Diese große Bandbreite ist hauptsächlich der Tatsache zu danken, dass beide Städte eine annähernd gleiche Größe und Infrastruktur haben.
Fränkische Art zu feiern war die Franzosen neu
Ein Schwerpunkt der Partnerschaft waren bis weit in die 2000er Jahre die Bayerischen Tage in Mamers. Dabei zogen viele Kapellen aus dem Raum Gerolzhofen, bis hin zur Showband "Winfried Stark und seine original Steigerwälder", die Franzosen weit über Mamers hinaus in ihren Bann. Die fränkische Art zu feiern, mit viel Bier und Musik, war für die Einheimischen etwas völlig Neues. Das gilt auch für die fränkische Weihnachtstradition, die die Gerolzhöfer nach Mamers exportierten. Umgekehrt kamen die Franzosen zum Adventsmarkt nach Gerolzhofen und brachten dabei ihre Spezialitäten wie Misteln, Rillettes (eine Art Schmalzfleisch) und den Pommeau, einen Aperitif aus der Bretagne, mit.

Immer wieder galt: Die jeweiligen Gäste wurden nicht im Hotel, sondern in Privatquartieren untergebracht. Es war jedes Mal eine große logistische Leistung, manchmal Hunderte von Besuchern zu beherbergen. Dabei stellten oft auch Menschen aus den umgebenden Dörfern von Mamers und Gerolzhofen Betten zur Verfügung.
Mit Sé erweitert sich das Zweierbündnis
Anfang 1987 erweiterte sich die Städtepartnerschaft nach Afrika. In ein Dreierbündnis aufgenommen wurde die Stadt Sé in der Republik Benin. Mit allerlei Aktionen, wie dem Bau von Krankenstation, Schule und Brunnen, sowie der Übernahme von Patenschaften für Kinder haben Deutsche und Franzosen seitdem versucht, die Not in der neuen Partnerstadt zu lindern. Erster Präsident dieser Dreierbeziehung war Dieter Pannewig, der auch die fränkischen Feste in Mamers maßgeblich mit organisierte. Pannewig starb schon 1994.

Die deutsch-französische Partnerschaft trug immer mal wieder auch außergewöhnliche Früchte: So nahm der Mamerser Bürgermeister Michel Corbin im Jahr 2000 an einer Stadtratssitzung in Gerolzhofen teil. Und der in Gerolzhofen tätige Rot-Kreuz-Mann Friedl Tellert übernahm als erster Nicht-Franzose Sanitätsdienst an der Rennstrecke beim berühmten Autorennen "24 Stunden von Le Mans".
Autounfall kostet junger Französin das Leben
Doch wo Freude ist, ist manchmal auch Leid: Ein tödlicher Verkehrsunfall ließ zwei Jahre nach der Besiegelung der Städtepartnerschaft jäh ausgelassene Festfreude in Trauer und Bestürzung umschlagen. In der Nacht zum Sonntag, 26. Mai 1974, kam bei einem Autounfall früh um 4.15 Uhr die 22-jährige Sportlehrerin Dominique Marie Vitour ums Leben. Sie saß im Auto eines Gerolzhöfers, der sie von einer Veranstaltung zu ihrem Quartier in Traustadt bringen wollte.

Dies bedeutete den wohl traurigsten Punkt in der 50-jährigen Freundschaft. Alle noch geplanten Veranstaltungen mit den Mamersern und das Frühlingsfest wurden abgesagt. Es gab einen Trauergottesdienst und in die Kondolenzlisten trugen sich viele Menschen ein. Die rund 60 Gäste aus Mamers brachen schon am Sonntag zur Rückfahrt in die knapp 1000 Kilometer entfernte Heimat auf. "Still rollte der Omnibus dann zur Stadt hinaus, zunächst zur Unfallstelle bei Kleinrheinfeld-Traustadt, wo der Verunglückten ein schlichtes Holzkreuz gesetzt und Blumen niedergelegt wurden", schrieb "Der Steigerwald-Bote" am 27. Mai in einem schwarz umrandeten Beitrag. An die tödlich Verunglückte erinnert auch heute noch ein Gedenkstein im Gerolzhöfer Friedhof.
Jubiläen werden immer doppelt gefeiert
Regelmäßig alle fünf Jahre feierten und feiern die Partner mit großem Programm ihre Verbindung. Den Anfang macht immer Gerolzhofen; ein Jahr später ist dann Mamers mit der Ausrichtung an der Reihe. Das jüngste Jubiläum war 2017, als die Partnerschaftsfeier in das Jubiläum
eingebunden waren.
Immer wieder versuchten die Verantwortlichen, junge Menschen für die Partnerschaft zu begeistern. Das gelang in den vergangenen Jahren durch Praktika bei städtischen Einrichtungen, im Kindergarten und auch in Betrieben. Neu in der jüngeren Vergangenheit war auch, dass Gerolzhöfer und Mamerser gemeinsam in die ungarische Partnerstadt Elek reisten. Für die Franzosen bedeutet das eine Anfahrt von 2000 Kilometern.
Bezirk Unterfranken zeichnet Städtepartnerschaft aus
Eine tolle Auszeichnung für die Aktiven gab es in jüngerer Vergangenheit. Die Städtepartnerschaft Gerolzhofen-Mamers belegte gemeinsam mit dem Partnerschaftskomitee Randersacker den ersten Platz des Partnerschaftspreises 2018 des Bezirks Unterfranken. Die Gerolzhöfer erhielten ein Preisgeld von 2000 Euro.

Zu danken ist diese Städtefreundschaft, die nun über ein halbes Jahrhundert währt, Menschen hüben und drüben, die die Partnerschaft unermüdlich ankurbelten. Sie alle zu nennen, würde den Rahmen sprengen; viele sind auch schon gestorben. Erinnert sei aber an die Präsidenten der Partnerschaftskomitees: Maurice Viard (1972 bis 1982), Jacques Moriceau (1984 bis 1994), Pierre Gautier (1994 bis 2014), Michel Corbin (2014 bis 2019), der auch Bürgermeister von Mamers war, sowie seit 2019 Jacky Vrammout auf Mamerser Seite.
In Gerolzhofen war Dr. Elmar Weissenseel von 1971 bis 1976 Komiteepräsident. Eine lange Zeit, von 1976 bis 1987, stand Wolfgang Lutz an der Spitze, dann folgte von 1987 bis 1995 Dr. Simon Schicker. 21 Jahre lang machte sich danach Hannelore Hippeli als Präsidentin um die Partnerschaft verdient, die den Stab schließlich 2016 an Anja Hümpfner übergab.
Bürgermeister machen Partnerschaft zur Chefsache
Sowohl in Mamers als auch in Gerolzhofen gibt es seit 50 Jahren keinen einzigen Bürgermeister, der die Partnerschaft nicht nach Kräften unterstützte. In Mamers waren dies Henri Courant (1971 bis 1989), Philippe Chevreul (1989 bis 1995), Michel Corbin (1995 bis 2014) und seit 2014 Frédéric Beauchef, in Gerolzhofen Franz Kreppel (1952 bis 1977), Franz Stephan (1977 bis 1989), Hartmut Bräuer (1989 bis 2007), Irmgard Krammer (2007 bis 2013) und seit 2013 Thorsten Wozniak.
Die Partnerschaft ist übrigens von Beginn an in einer peinlich genauen Chronik des Freundeskreises dokumentiert, die mittlerweile drei Aktenordner füllt. Enthalten sind darin Zeitungsausschnitte (auch aus der französischen Presse), Festprogramme und Festreden bis hin zu Menükarten anlässlich von Festereignissen.
Der Autor des Textes, Norbert Finster, ist Partnerschaftsbeauftragter des Gerolzhöfer Stadtrats.
Programm am Festwochenende Die Gruppe aus Mamers trifft am Freitagabend, 1. Juli, zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft in Gerolzhofen ein und fährt am Montag, 4. Juli, wieder zurück. Am Wochenende erwartet die Gäste folgendes Programm: Samstag, 2. Juli: Stadtrundgang mit Besuch des Theaterhauses; 10 Uhr: Gemeinschaftliches Konzert deutscher und französischer Musiker auf dem Marktplatz; 14 Uhr: Festakt im Spitalgarten; 18 Uhr ökumenischer Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche, mitgestaltet vom Projektchor aus deutschen und französischen Sängern; 19 Uhr: Bürgerabend mit Tanzvorführung und Unterhaltung im Pfarrer-Hersam-Haus. Sonntag, 3. Juli: 10 Uhr: Besuch im Steigerwald-Zentrum in Handthal; 13 Uhr: Fahrt nach Iphofen mit Besuch des dortigen Mittelwaldzentrums; 15 Uhr: Fahrt zum Geschichtsweinberg mit Führungen, später Weinprobe und Brotzeit. Begleitprogramm: - Ausstellung "Was erwarten wir Jugendlichen von Europa" im Alten Rathaus -Ausstellung "50 Jahre Partnerschaft Gerolzhofen-Mamers" im Alten Rathaus ast