Beeinträchtigungen der Energieversorgung durch Stürme und Überschwemmungen nehmen durch den Klimawandel zu. Und auch die Zahl der Cyberangriffe steigt. Etwa 130 Cyberangriffe verzeichnet die ÜZ Mainfranken auf ihre Stromversorgung pro Tag, sagt Stefan Stühler, Leiter des Krisenmanagements der Energie-Genossenschaft in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt).
In Gerolzhofen wurde in den vergangenen Jahren ein Blackout-Konzept erarbeitet, das nun getestet wurde. Am Samstag wurde ein mehrstündiger Stromausfall im Stadtgebiet simuliert. Im Szenario fiel von 8:30 Uhr bis 17 Uhr die Stromversorgung aus. In der Übung wurde eine Großschadenslage ausgerufen. Der Krisenstab der Führungsgruppe Katastrophenschutz des Landkreises Schweinfurt richtete eine Koordinationsstelle für die Kräfte der Feuerwehr, des THW und des Roten Kreuzes ein. Dort erkundigte sich auch die Polizei immer wieder nach der Lage, sie käme im Katastrophenfall bei Plünderungen oder Massenpaniken zum Einsatz.
Sechs Beispiele, welche Konsequenzen ein Blackout hätte und welche Erkenntnisse die Übung in Gerolzhofen gebracht haben:
1. Telefonie und Internet sind nicht mehr verfügbar
Ohne Strom fallen auch Telefonie und Internet aus. Im Szenario wurde in der Verwaltungsgemeinschaft eine Bürgeranlaufstelle eingerichtet, in der Bürger Notfälle melden konnten. Über Funk wurden diese an die Einsatzzentrale übermittelt und Rettungskräfte alarmiert. Statt die 112 zu wählen, muss bei einem Stromausfall erst jemand persönlich zu solchen Anlaufstellen kommen. Das kostet wertvolle Zeit.

In der Übung nutzen die Statisten die Bürgeranlaufstelle, um sich dort nach der aktuellen Lage zu erkundigen und persönliche Probleme vorzubringen. Normalerweise probt die Verwaltung solche Szenarien nicht, daher war die Übung auch für sie lehrreich, sagt der Gerolzhöfer Bürgermeister Thorsten Wozniak.
2. Chaos durch ausfallende Ampeln, Aufzüge und Beleuchtung
Ohne Strom funktionieren auch die Ampeln nicht. Die unübersichtliche Verkehrslage führte im Szenario zu einem schweren Unfall. Mehrere Menschen mussten aus steckengebliebenen Aufzügen gerettet werden. Ein Kind verlief sich aufgrund der ausgefallenen Beleuchtung im Gerolzhöfer Eiskeller und musste geborgen werden.

Auch Heizungen, egal ob Öl, Gas oder Fernwärme, fallen wegen der strombetriebenen Pumpen aus. Die falsche Nutzung von Gas- oder Holzöfen führte im Szenario zu Bränden. Wenn nötig, hätten Wärmestuben etwa im Geomaris eingerichtet werden können, sagt Übungsleiter Martin Zink.
Probleme hätte bei Stromausfall auch die Landwirtschaft, etwa das Melken von Kühen oder die Belüftung der Ställe müsste mit Notstromaggregaten erfolgen.
3. Medizinische Versorgung mit Notstrom
Im Notfall wird das Krankenhaus mit Notstromaggregaten versorgt. Das funktionierte bei einem Stromausfall vor einigen Wochen reibungslos und war auch in der Übung am Samstag unproblematisch.

In der Turnhalle der Mittelschule wurde mit Aggregaten ein Notfall-Betreuungsplatz eingerichtet. Menschen, die zu Hause auf strombetriebene medizinische Geräten angewiesen sind, und Verletzte, die im überlasteten Krankenhaus keinen Platz mehr fanden, wurden hier nach Gesundheitszustand kategorisiert. Ein Hubschrauberlandeplatz hätte im Ernstfall auf dem Sportplatz der Realschule eingerichtet werden können.
4. Extreme Belastung für die Einsatzkräfte
Problematisch sei die Ballung von Einsätzen im Katastrophenfall, sagt Michael Mößlein, Einsatzleiter der Feuerwehr Gerolzhofen. Einsätze müssten priorisiert werden und Hilfsfristen könnten bei weniger dringlichen Einsätzen nicht immer eingehalten werden. Die Abarbeitung der 17 simulierten Einsätze habe gut funktioniert, so Daniel Scheller vom Führungsstab.
Je nach Situation, würden in der Realität weitere Einsatzkräfte aus umliegenden Orten angefordert werden, bei größeren Katastrophen stünden Kräfte aus ganz Bayern oder die Bundeswehr zur Verfügung, erklärt Kreisbrandrat Holger Strunk.
Das Rote Kreuz sorgte für die Verpflegung der Einsatzkräfte. Um diese auch im Katastrophenfall sicherzustellen, gebe es Lebensmittelvorräte sowie Vereinbarungen mit dem Großhandel, sagt Übungsleiter Martin Zink.

Die Feuerwehr stellte vor allem Schwierigkeiten bei der Kommunikation der Einsatzkräfte und der Koordination der einzelnen Fachdienste durch den Führungsstab fest. Anfangs sei laut Daniel Scheller eine Chaos-Phase nicht zu vermeiden gewesen. Im Ernstfall könne man die in der Übung allmählich etablierten Strukturen dann nutzen und die Abläufe beschleunigen, so Einsatzleiter Mößlein.
5. Lebensmittelversorgung eingeschränkt
Die Wasserversorgung funktioniert in Gerolzhofen durch einen Höhenbehälter auch ohne Strom. Im Katastrophenfall würden wohl Lebensmittelläden geschlossen bleiben. Wenn nötig, würde der Katastrophenstab die Lebensmittelversorgung organisieren, so der örtliche Einsatzleiter Thomas Stengel.
Daniel Scheller vom Führungsstab sowie Bürgermeister Wozniak appellierten an die Bevölkerung, sich auf Katastrophen vorzubereiten und dadurch Einsatzkräfte zu entlasten. Sie empfehlen, sich auf der Internetseite des Bundesamts für Bevölkerungsschutz, im Landratsamt oder bei der Verwaltungsgemeinschaft zu informieren.
6. Deckung des Kraftstoffbedarfs
Der Bedarf an Kraftstoff ist bei einem Stromausfall immens: Die Einsatzzentrale, das Krankenhaus, die Notbetreuung und die Bürgeranlaufstelle - alles wird mit Dieselgeneratoren betrieben. Auch die Kläranlage muss mit Notstrom betrieben werden. Dazu kommt der Kraftstoffbedarf der Einsatzfahrzeuge. Die Pumpen der Tankstellen fielen im Szenario aus. Daher mussten Feuerwehr und THW, nachdem die eigenen Kraftstoffreserven aufgebraucht waren, von umliegenden Tankstellen Kraftstoff abpumpen und mobile Tankstellen einrichten. Auch das wurde geprobt. Für den realen Katastrophenfall ist mit den Tankstellenbetreibern vereinbart, dass primär Einsatzkräfte Kraftstoff erhalten.
Bürgermeister Wozniak bezeichnete den Stresstest für das Blackout-Konzept als "bestanden", große Investitionen etwa in Notstromaggregate hätten sich gelohnt.
Über 200 Einsatzkräfte, davon 155 Ehrenamtliche, waren bei der Großübung beteiligt. In Gerolzhofen reiche die Zahl der Rettungskräfte aus, um Einsätze wie diesen zu bewältigen, so Einsatzleiter Thomas Stengel. Dennoch sei man immer auf der Suche nach Engagierten.