Er hat gerade einen Eingriff am Herzen hinter sich. "Keine wirkliche Operation", spielt Dr. Gerhard Pöpperl seinen Krankenhausaufenthalt wegen Herzrhythmusstörungen herab. Medikamente halfen nicht mehr. Deshalb mussten überzählige und krankhafte Leitungsbahnen verödet werden. "Ablation am Herzen nennt man das", erklärt der Mediziner. Und deshalb musste unser Gespräch auch verschoben werden. Gerhard Pöpperl ist Teil der Serie "90 Jahre St.-Josef-Krankenhaus". Er ist einer der Menschen, mit denen wir die Geschichte des Josefs erzählen.
Der heute 88-Jährige war 26 Jahre Arzt am Krankenhaus der Würzburger Erlöserschwestern in Schweinfurt und davon 15 Jahre Chefarzt der Inneren Abteilung. In seiner Ägide wurden für die damalige Zeit revolutionäre Neuerungen eingeführt: der Ultraschall und die Endoskopie.

Eigentlich war das Josefs gar nicht seine erste Wahl. Als Gerhard Pöpperl 1967 hier die Oberarztstelle in der Inneren Abteilung antrat, war das erst einmal ernüchternd. "Kennen Sie das alte Haus von Rocky Docky?" Klar, der 50er-Jahre-Song von Bruce Low war auch noch in den 80ern ein Hit. Und an diesen fühlte sich Pöpperl erinnert, als er nach seiner Facharztausbildung am "nagelneuen" Klinikum Kulmbach ins "alte" St.-Josef-Krankenhaus nach Schweinfurt kam. Die Patienten lagen unter anderem in 8-Bett-Zimmern, moderne Gerätschaften gab es nicht.
"Als ich kam, hat man auf der Inneren nur EKG gemacht und geröntgt."
Dr. Gerhard Pöpperl, von 1978 bis 1993 Chefarzt der Inneren Abteilung
"Als ich kam, hat man auf der Inneren nur EKG gemacht und geröngt." Den damaligen Chefarzt Dr. Kurt Göpfert musste Pöpperl erst überzeugen, dass die Endoskopie ein medizinischer Fortschritt ist. Die Magenspiegelungen seien mit den heutigen aber nicht vergleichbar gewesen. Mit Opiaten habe man die Patienten beim Einführen des dicken Schlauchs mehr recht als schlecht ruhig gestellt. "Die mussten manchmal ganz schön würgen." Als Pöpperl seinem Chefarzt eine Vorführung machte, habe dieser ihm das Versprechen abgerungen, niemals eine Magenspiegelung bei ihm durchzuführen.
Noch heute gibt es Kontakt zu ehemaligen Ordensschwestern
Auch Ultraschall gab's anfänglich noch nicht. Das erste Gerät hatten die Gynäkologen auf der Geburtshilfestation. Pöpperl lieh es sich manchmal aus, damit die Chirurgen bei Bauchschmerzen nicht gleich das Messer ansetzen mussten. Sein Chefarzt war angesichts der schlechten Bildqualität auch hier skeptisch und bezweifelte, dass man "auf dieser Mondlandschaft" was erkennen könne. Pöpperl konnte es und war so erfolgreich, dass er 1978 als Nachfolger Göpferts zum Chefarzt ernannt wurde.

Pöpperl hätte auch in anderen Häusern arbeiten können. "Ich hatte aber nie das Bedürfnis wegzugehen. Mir gefiel es hier." Das lag auch an den Erlöserschwestern. Sie assistierten im OP, betreuten das Labor, pflegten die Kranken und arbeiteten in der Verwaltung. "Es gab nur Nonnen im Haus", und Pöpperl verstand sich "wunderbar" mit ihnen. Noch heute hat er Kontakt zu einigen.

Zum Beispiel zu Schwester Alberadis. Die 95-Jährige verbringt ihren Lebensabend im Mutterhaus in Würzburg. Auch Schwester Sieghelma, sie war die Chefin im Labor, ist eine gute Freundin der Familie. Ebenso Schwester Isolde, seine langjährige Sekretärin. Und mit Schwester Ansgard, jetzt Oberin in Heidenfeld, hat Pöpperl die Endoskopie aufgebaut.
"Ich hatte aber nie das Bedürfnis wegzugehen. Mir gefiel es hier."
Dr. Gerhard Pöpperl, von 1978 bis 1993 Chefarzt der Inneren Abteilung
Das Josef-Krankenhaus hat Pöpperl übrigens auch mit seiner zweiten Ehefrau Ursula zusammengebracht. Das Schicksal ihrer beider Ehepartner, die kurz nacheinander jung an Krebs starben, hat sie im Josefs zusammengeführt. Und das wiederum war ein Segen für die Palliativstation des Josef-Krankenhauses. Denn Ursula Pöpperl war die Verbesserung der Lebensqualität von unheilbar Kranken aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus ein großes Herzensanliegen. So gehörte sie 2001 nicht nur zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins, sondern leitet diesen inzwischen seit 18 Jahren mit großem Engagement.

Auf dem Wohnzimmertisch liegt ein Stapel Fotoalben. Fein säuberlich sortiert, nach Jahrzehnten geordnet. Ein Foto zeigt ein Fußballspiel. Auf den Zuschauerrängen sitzen Ordensschwestern in ihrer Tracht. Das war 1969. Pöpperl war damals noch Oberarzt und führte nicht nur medizinische Neuerungen ein, sondern auch Fußballspiele zur Teamstärkung. Ärzte der Inneren und der Chirurgie bildeten eine Mannschaft. Das war revolutionär, arbeitete man doch im Krankenhaus eher nebeneinander als miteinander. Gegner war damals ein Ärzteteam der Uniklinik Erlangen. Gespielt wurde im Sachs-Stadion. Wie es ausging, weiß Pöpperl nicht mehr. "Ich glaube, wir haben gewonnen." Im Tor stand schließlich Otto Reichert, der spätere ärztliche Direktor des Krankenhauses St. Josef.
Gemeinsam Freizeit verbringen, gemeinsam arbeiten
Pöpperl selbst kickte als passionierter Tennisspieler nie mit, sondern unterstützte lieber am Spielfeldrand gemeinsam mit den Ordensschwestern das Josefs-Team. Auch Kegelabende organisierte er zur Stärkung der Gemeinschaft. Und am Josefstag, dem 19. März, tischten die Erlöserschwestern im Ärztekasino zur Feier des Tages ein Festessen auf. Apropos Feste und Feiern: Pöpperl lebte mit Frau und fünf Kindern in einem großen Haus. "Hier haben wir mit den Nonnen schöne Feste gefeiert." Das ganze Jahr über, vom Spargelessen bis zum Federweißenabend.

Das ärztliche Leben indes war von harter Arbeit bestimmt. Anfänglich bestand die Innere Abteilung ja nur aus dem Chefarzt und dem Oberarzt. "Wir wechselten uns mit Bereitschaftsdienst und Nachtschicht ab", verweist Pöpperl auf 14- bis 15-Stunden-Tage. Neben dem Dienst im Krankenhaus musste zudem die im Kloster Heidenfeld ausgelagerte 80-Betten-Station für Ordensfrauen betreut werden. Zusätzlich gab es noch ambulante Sprechstunden im Krankenhaus. Und als Chefarzt unterrichtete Pöpperl auch an der Krankenpflegeschule den pflegerischen Nachwuchs, war von 1978 bis 1993 ärztlicher Schulleiter. Stolz zeigt er auf Gruppenfotos mit den erfolgreichen Absolventinnen.

1992 dann ein weiterer Schicksalsschlag: Gerhard Pöpperl bekam die Diagnose Darmkrebs. Sein Leben stand auf der Kippe und er musste seinen Beruf als 60-Jähriger aufgeben. Die Chefarztstelle der Inneren Medizin wurde danach mit einer Doppelspitze besetzt. Die Leitung übernahmen Christof Bretscher und Bruno Treutlein, "meine Buben", wie Pöpperl seine ehemaligen Oberärzte heute noch gerne nennt.
In der 90-jährigen Geschichte des St.-Josef-Krankenhauses hat sich vieles verändert. "Aber der Geist des Hauses ist geblieben", sagt Gerhard Pöpperl, auch wenn heute aufgrund der äußeren Bedingungen die hohen Ideale nicht immer zu hundert Prozent umgesetzt werden könnten.
