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Schweinfurt: 90 Jahre St.-Josef-Krankenhaus: Spagat zwischen Ideal und Wirklichkeit

Schweinfurt

90 Jahre St.-Josef-Krankenhaus: Spagat zwischen Ideal und Wirklichkeit

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    Einst arbeiteten und lebten bis zu 120 Ordensschwestern im Krankenhaus Sankt Josef. Heute ist ihre Zahl auf acht gesunken. Sie sind hochbetagt und zum Teil nur noch in der Seelsorge tätig.
    Einst arbeiteten und lebten bis zu 120 Ordensschwestern im Krankenhaus Sankt Josef. Heute ist ihre Zahl auf acht gesunken. Sie sind hochbetagt und zum Teil nur noch in der Seelsorge tätig. Foto: Anand Anders

    Man erkennt sie an ihrem Namen: christliche Krankenhäuser, wie das Sankt Josef in Schweinfurt, das einzige konfessionelle Krankenhaus in der Region. Die Würzburger Erlöserschwestern haben es vor 90 Jahren in Zeiten großer Not und Armut vorwiegend für die katholische Bevölkerung gegründet. Heute spielen Glaube und Herkunft der Patienten keine Rolle mehr. "Wir sind weltoffen, jeder, der Hilfe braucht, ist willkommen", sagt die Kommunitätsleiterin, Schwester Lydia Wießler. Was geblieben ist, sind die christlichen Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Respekt, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen.

    Schwester Lydia Wießler ist seit 2014 Kommunitätsleiterin im Krankenhaus Sankt Josef. Ihr Ziel ist es, all jenes, was die Schwestern ursprünglich hier gelebt haben, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  weiterzugeben, damit die Vision des christlichen Krankenhauses weiter besteht.
    Schwester Lydia Wießler ist seit 2014 Kommunitätsleiterin im Krankenhaus Sankt Josef. Ihr Ziel ist es, all jenes, was die Schwestern ursprünglich hier gelebt haben, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  weiterzugeben, damit die Vision des christlichen Krankenhauses weiter besteht. Foto: Anand Anders

    Als Schwester Lydia 2014 die Kommunitätsleitung am Josef-Krankenhaus übernahm, arbeiteten hier noch 20 Schwestern. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren es 120. Heute, im Jahr 2021, sind es nur noch acht. Größtenteils hochbetagt. Schwester Lydia ist mit 73 Jahren die Jüngste. Und Ordensnachwuchs gibt es nicht. "Mir ist völlig klar, eine Nachfolgerin werde ich nicht mehr haben", erkennt sie ganz pragmatisch. Solange sie kann, will sie weiter machen. Denn: "Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass im Krankenhaus St. Josef unser Wirken weitergeht."    

    "Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass im Krankenhaus St. Josef unser Wirken weitergeht."

    Schwester Lydia Wießler, Kommunitätsleiterin im Krankenhaus Sankt Josef

    Die Kongregation der Schwestern des Erlösers sieht die Trägerschaft und das Führen ihres Krankenhauses St. Josef als wichtigen Teil ihres Sendungsauftrages, im Geist des Evangeliums an der Erlösung der Welt gestaltend mitzuwirken. So steht es im Leitbild des Krankenhauses. "Erlösung bedeutet für uns Christen, durch Jesus Christus von allem befreit zu werden, was unser Menschsein einengt und behindert", erklärt Schwester Lydia.

    Schwestern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Josef-Krankenhaus "leben als Gemeinschaft christliche Werte in Liebe zu Gott, dem Nächsten und sich selbst", so wie es auf dem großen Plakat an der Tür zum Büro von Schwester Lydia Wießler steht. 
    Schwestern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Josef-Krankenhaus "leben als Gemeinschaft christliche Werte in Liebe zu Gott, dem Nächsten und sich selbst", so wie es auf dem großen Plakat an der Tür zum Büro von Schwester Lydia Wießler steht.  Foto: Anand Anders

    Im Alltag sei dies ein "Spagat zwischen Ideal und Wirklichkeit". Denn auch ein christliches Krankenhaus muss wirtschaftlich arbeiten. Es gab mal Zeiten, wo mehr Personal im Josefs beschäftigt war, als der Pflegeschlüssel das forderte. Doch das ist Vergangenheit. "Wir müssen uns an die Zahlen halten, um nicht in eine finanzielle Schieflage zu geraten", stellt die Ordensbeauftragte klar. Das heißt auch, dass im Alltag die hohen Ideale nicht immer zu hundert Prozent umgesetzt werden können. "Dem Einzelnen wird geholfen – immer", die wirtschaftliche Betriebsführung aber sei dazu eine entscheidende Grundlage.

    Und doch: Wer ins "Josefs" kommt, ob als Patient, als Besucher oder als Beschäftigter, spürt den Geist des Hauses, die Wärme und Nähe. Eine Beobachtung am Rande: Schwester Ludgera kommt auf dem Weg zum Mittagstisch mit ihrem Rollator den Krankenhausgang entlang. Eine junge Krankenpflegerin kreuzt ihren Weg, bleibt stehen. Es wird gescherzt, gelacht. Es sind zwei, drei Minuten Herzlichkeit, die trotz Alltagsstress nicht verloren gehen.   

    Im "Josefs" fühlen sich vor allem ältere Menschen wohl

    Die Wahl des Krankenhauses ist bei vielen Menschen in der Region eine Traditionssache. Wer im "Sepperle" geboren ist, wird in der Regel auch selbst hier entbinden. Über Generationen wird das so gepflegt. Im "Josefs" fühlen sich vor allem ältere Menschen wohl, weiß Schwester Lydia. Der familiären Atmosphäre wegen. Natürlich gebe es hier wie da Unzufriedenheit oder Frust, gerade wenn es um die Verweildauer gehe. Die Abrechnung nach Fallpauschale ist für die Krankenhäuser ein Balanceakt zwischen Fürsorge und Wirtschaftlichkeit. Verbleibt ein Patient länger als die vorgeschriebene Liegezeit, dann legt das Krankenhaus drauf, weil es keiner bezahlt. "Das führt oft zu schwierigen Situationen und Diskussionen mit Angehörigen."    

    Die familiäre Atmosphäre im "Josefs" wird auch vom Personal geschätzt. "Es gibt viele, die schon 20, 30 Jahre da sind." Zum Beispiel Ramona Riedl, die Leiterin der Entbindungsabteilung. Sie arbeitet seit 28 Jahren im Josef-Krankenhaus. "Das sind die Säulen, die weitertragen, was wir Ordensschwestern nicht mehr vermögen."

    Bis 1996 stemmten die Ordensschwestern die Krankenhausleitung alleine. Die Geschäfte leitete Schwester Sigrid Braun, im Foto zu sehen mit Schwester Konsilia in der Personalabteilung.
    Bis 1996 stemmten die Ordensschwestern die Krankenhausleitung alleine. Die Geschäfte leitete Schwester Sigrid Braun, im Foto zu sehen mit Schwester Konsilia in der Personalabteilung. Foto: St. Josef Krankenhaus

    Bis 1996 war die Geschäftsführung des Krankenhauses in der Hand des Ordens. Ältere in der Belegschaft erinnern sich noch an die "legendäre Schwester Sigrid Braun", die mit einem Stab von Ordensschwestern die Verwaltungsleitung innehatte. "Andere Leitungsfunktionen gab es nicht." Bruno Stumpf war 1996 der erste "weltliche" Verwaltungsleiter.

    Schwester Iwalda beim Füttern eines Babys.
    Schwester Iwalda beim Füttern eines Babys. Foto: St. Josef Krankenhaus

    Ab der Jahrtausendwende änderte sich auch das Bild auf den Stationen. Weil es immer weniger Ordensschwestern gab, rückte weltliches Personal nach. Zuletzt arbeiteten nur noch vier Schwestern im medizinischen Bereich, eine auf der Intensivstation, zwei im Labor und eine in der Endoskopie. Der Aderlass bei den Ordensschwestern stellte die Personalabteilung vor große Probleme. Für eine Schwester mussten drei Pflegerinnen eingestellt werden, um tarifliche Anforderungen erfüllen zu können, die es für die Ordensfrauen ja nicht gab. "Es war schwierig, so viel Personal zu finden und auch eine Kostenfrage", weiß Schwester Lydia.  

    Schwester Lydia hat viele Stationen hinter sich

    Vieles war früher anders, auch im Orden. Junge Schwestern blieben in der Regel bis zu ihrem Ruhestand an ihrem einmal ausgewählten Bestimmungsort. "Wir haben eine Schwester, die war 60 Jahre im Josefs tätig." Bei Schwester Lydia war das anders. Sie hat viele Stationen hinter sich. Als sie 25-jährig bei den Erlöserschwestern in Würzburg eintrat, hatte sie schon eine Ausbildung zur Bäckerin und Krankenschwester absolviert. Nach ihrer Ordensausbildung und einem fachpädagogischen Studium wurde sie vielseitig in der Region eingesetzt, unter anderem an der Krankenpflegeschule in Schweinfurt. Sie ließ sich dann zur Fachkrankenschwester im Bereich Onkologie ausbilden und arbeitete 20 Jahre als leitende Krankenschwester in der Würzburger Onkologie.

    In den Anfangsjahren arbeiteten nur Ordensschwestern im Krankenhaus, auch im Servicebereich. Unser Foto zeigt die Schwestern Dankwalda und Rotlinde in der Küche.
    In den Anfangsjahren arbeiteten nur Ordensschwestern im Krankenhaus, auch im Servicebereich. Unser Foto zeigt die Schwestern Dankwalda und Rotlinde in der Küche. Foto: St. Josef Krankenhaus

    2001 kam der Ruf ins Mutterhaus, um die Leitung des Ordens zu übernehmen. Zwölf Jahre war die gebürtige Hetzloserin (Landkreis Bad Kissingen) in dieser Führungsposition, die mit Auslandsaufenthalten in den Niederlassungen in Ostafrika und Nordamerika verbunden war. 2013 nahm sie sich eine aktive Auszeit in Tansania, um "das wirkliche Leben dort" kennenzulernen. Lydia Wießler hat mit den Einheimischen gelebt, im Busch-Krankenhaus gearbeitet und große Armut gesehen. Zum Beispiel Menschen, die tagelang über Land mit dem Fahrrad unterwegs sind, um ihre Ernte auf dem Markt in der Stadt gegen einen Sack Mais einzutauschen, damit die halb verhungerte Frau in der Hütte zuhause einen Brei kochen kann. "Diese Welt bekommen die Touristen nicht zu Gesicht", meint sie nachdenklich. 

    Auch muslimische Ärzte, Pflegekräfte und Servicepersonal arbeitet im Krankenhaus

    Für Lydia Wießler ging es 2014 wieder zurück in die westliche Welt. Sie wurde zur Kommuniätsleiterin und Ordensbeauftragte des Josef-Krankenhauses in Schweinfurt berufen. Hier ist sie nicht nur verantwortlich für ihre noch verbliebenen sieben Mitschwestern, sondern kümmert sich um alle Mitarbeiter des Hauses. Sie entscheidet mit bei Personalfragen, nimmt an den Sitzungen der Geschäftsführung teil und kümmert sich als Gottesdienstbeauftragte um die Seelsorge in der Klinik. Ihr Ziel ist es, das, was die Schwestern ursprünglich hier gelebt haben, an die Mitarbeiter weiterzugeben, damit die Vision des christlichen Krankenhauses weiter besteht.  

    Immer auf Achse: Schwester Lydia Wießler bei einer kurzen Verschnaufpause auf dem Balkon vor dem Konferenzraum im Josef-Krankenhaus.
    Immer auf Achse: Schwester Lydia Wießler bei einer kurzen Verschnaufpause auf dem Balkon vor dem Konferenzraum im Josef-Krankenhaus. Foto: Anand Anders

    "Wir wollen auch einen Integrationsauftrag wahrnehmen. Das ist eine wichtige Aufgabe, die wir als christliche Kirche haben."

    Schwester Lydia Wießler zur Beschäftigung von muslimischen Ärzten, Pflege- und Servicepersonal

    Das heißt nicht, dass im Josef-Krankenhaus nur Menschen mit katholischer oder evangelischer Konfession arbeiten. "Wir haben eine ganze Reihe muslimischer Ärzte, Pflegekräfte oder Servicemitarbeiter." Das sei gerade in Schweinfurt mit seinem hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund wichtig. "Wir wollen auch einen Integrationsauftrag wahrnehmen", sagt Schwester Lydia und verweist zudem auf die medizinische Versorgung der Asylsuchenden im Ankerzentrum durch das Josef-Krankenhaus. "Das ist eine wichtige Aufgabe, die wir als christliche Kirche haben." 

    Doch wie geht es weiter, wenn die letzten acht Ordensschwestern das "Josefs" einmal verlassen haben? Das Generalkapitel hat für die nächsten sechs Jahre beschlossen, dass das Krankenhaus weiterhin in der Trägerschaft der Kongregation bleibt. Deshalb ist es Kommunitätsleiterin Lydia Wießler ein wichtiges Anliegen, dass die christliche Unternehmensphilosophie in den Mitarbeitern weiterlebt. "Wir stehen auf den Schultern von denen, die vor uns waren. Und die, die nach uns kommen, stehen auf unseren Schultern." 

    Kongregation der Schwestern des ErlösersIn der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die beginnende Industrialisierung für viele Menschen bedrängende soziale Nöte und Probleme mit sich brachte, fühlte sich Elisabeth Eppinger in Bad Niederbronn im Elsass von Gott gerufen, mit gleichgesinnten jungen Frauen den Armen, Kranken und Kindern in den Familien zu helfen. Mutter Alfons Maria Eppinger (so lautete ihr Ordensname) wollte durch ihre Gründung des Ordens Werke der Barmherzigkeit verwirklichen. Für die ab Oktober 1854 in Würzburg wirkenden Niederbronner Schwestern ergaben sich bald große Schwierigkeiten durch die Abhängigkeit vom weit entfernten Mutterhaus im französischen Elsass. In Würzburg waren sie Ausländerinnen und konnten jederzeit ausgewiesen werden. Um die Rechtsunsicherheit zu beenden und der Diözese Würzburg das Wirken der Schwestern zu erhalten, gründete der damalige Bischof Georg Anton von Stahl am 15. Juni 1866 eine eigenständige Kongregation für den Bereich seiner Diözese.Trotz Not und schwieriger Kriegszeiten wuchs die Zahl der Schwestern von Jahr zu Jahr. 1938 waren es nahezu 3000 Schwestern, die in 443 Niederlassungen ihre caritativen Dienste leisteten. 1924 gingen die ersten Schwestern nach Pennsylvania, wo sie sich bis heute besonders alten, kranken, bedürftigen Menschen und obdachlosen jungen Frauen mit Kindern zuwenden. 1958 wurde die erste Niederlassungen in Tansania eröffnet. Das Verbot im Dritten Reich, neue Mitglieder aufzunehmen, leitete den personellen Rückgang ein.Aus der Gründung von Mutter Alfons Maria Eppinger sind mehrere Kongregationen entstanden. Verbunden sind alle durch das Charisma und die Erlöserspiritualität, die sie dem Orden zugrunde gelegt hat. Sie wurde am 9. September 2018 in der Kathedrale von Straßburg selig gesprochen.Quelle: Kongregation Schwestern des Erlösers

    90 Jahre St. Josef:  Wir erzählen die Geschichte der neun Jahrzehnte mit besonderen Ereignissen und besonderen Menschen. Im nächsten Teil der Serie geht es um die Palliativstation. In "Erinnerungen an Laszlo" berichtet unser Reporter Hannes Helferich über die Begleitung unseres Kollegen, Tagblatt-Fotograf Laszlo Ruppert.

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