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Werneck: Abkoch-Gebot: Bürger fordern Nachlass bei der Trinkwassergebühr

Werneck

Abkoch-Gebot: Bürger fordern Nachlass bei der Trinkwassergebühr

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    Suche nach dem Herd der Keime: Im Rohrkeller des Hochwasserbehälters in Hergolshausen wurde eine Wasserprobe entnommen. In einer sterilisierten Flasche kommt sie zur mikrobiologischen Untersuchung ins Labor.
    Suche nach dem Herd der Keime: Im Rohrkeller des Hochwasserbehälters in Hergolshausen wurde eine Wasserprobe entnommen. In einer sterilisierten Flasche kommt sie zur mikrobiologischen Untersuchung ins Labor. Foto: Anand Anders

    "Die Leute sind richtig sauer", sagt eine Hergolshäuserin. Sie ist eine von rund 2000 Kunden der RMG, die seit dem 28. Januar das Trinkwasser abkochen müssen. Neun Ortschaften sind betroffen. Neben Hergolshausen sind es alle Haushalte in Werneck, Ettleben, Zeuzleben, Mühlhausen, Theilheim, Eßleben, Waigolshausen und Garstadt. Es ist bereits das dritte Mal innerhalb von eineinhalb Jahren, dass der Wasserversorger, die Rhön-Maintal-Gruppe (RMG), ein Abkochgebot anordnet. Und dieses Mal gilt es nicht nur für zwei Wochen, wie beim ersten und zweiten Mal, sondern vier bis sechs Wochen lang. Ob Zähne putzen, Salat waschen oder Kaffee kochen, selbst für das Spülen des Geschirrs mit der Hand wird empfohlen, das Wasser abzukochen.

    Am RMG-Firmensitz in Poppenhausen hat man von der Verärgerung in der Bevölkerung bislang nicht viel mitbekommen. In den ersten zehn Tagen seit Erlass des Abkochgebots seien lediglich 20 Anrufe und acht E-Mails aufgeschlagen, sagt RMG-Geschäftsführer Walter Weinig auf Nachfrage. "Wir hatten mit mehr gerechnet." Man hatte sogar erwägt, eine Telefon-Hotline einzurichten, um den befürchteten Ansturm wegen der neuerlichen Abkochverordnung für das Trinkwasser im südwestlichen Landkreis Schweinfurt bewältigen zu können. Das war nun nicht nötig. Weinig hat die geringe Zahl der Anfragen sogar alle zur Chefsache gemacht.

    Abkochgebot seit 28. Januar

    Der Grund für das jetzt erlassene Abkochgebot hat eine lange Vorgeschichte. Seit über einem Jahr sucht die RMG nach der Ursache der coliformen Keime, die im September 2020 erstmals im Wasser des Hochbehälters Hergolshausen aufgetaucht sind. Über 500 Untersuchungen sind seitdem im gesamten Versorgungsgebiet erfolgt. Doch bis zum heutigen Tag konnte die Ursache nicht gefunden werden, weshalb das Wasser aus Sicherheitsgründen seit September 2020 mit der Beigabe von Chlor desinfiziert wird.

    "Unser Ziel ist es, wieder ein natürliches Trinkwasser ohne dauerhaften Einsatz von Chlor anzubieten", sagt Geschäftsführer Weinig. Deshalb will die RMG noch einen letzten Versuch wagen, um den Keimen auf die Spur zu kommen. Das gesamte Leitungsnetz des Hochbehälters Hergolshausen soll abschnittsweise unter die Lupe genommen werden. Dazu muss es chlorfrei gemacht werden. Deshalb wurde am 28. Januar die Chlorung eingestellt und aus Sicherheitsgründen ein Abkochgebot für das Trinkwasser angeordnet.

    Vor der Wasserentnahme wird der Wasserhahn mit einer Flamme sterilisiert.
    Vor der Wasserentnahme wird der Wasserhahn mit einer Flamme sterilisiert. Foto: Anand Anders

    Alle zwei Tage werden nun an festgelegten Stellen Wasserproben gezogen, das Rohrnetz gespült und das Wasser ausgetauscht. Inzwischen liegen Laborbefunde von über 30 Wasserproben vor. Alle würden "vollumfänglich" den Anforderungen der Trinkwasserverordnung genügen, teilt die RMG mit. "Wir sind somit auf einem guten Weg", freut sich Geschäftsführer Weinig. Sobald die Laborergebnisse dreimal hintereinander keine Keime aufweisen, werden die Untersuchungen ausgeweitet und auch die Ortsnetze nach mikrobiologischen Auffälligkeiten überprüft. Läuft alles nach Plan und es werden keine weiteren Keime mehr gefunden, hat sich der Versuch gelohnt. Die Chlorung kann dann dauerhaft eingestellt werden, und die Bürger im südlichen Landkreis können wieder ihr natürliches Trinkwasser genießen.

    Das alles wird vier bis sechs Wochen dauern. Die lange Dauer hängt unter anderem mit den aufwändigen Laboruntersuchungen und mit der Regenerationsphase des Biofilms im Leitungsnetz zusammen, der einige Wochen braucht, bis er sich nach Abschaltung der Chlordosierung wieder aufgebaut hat. Verlässliche Ergebnisse, ob Keime noch vorhanden sind, werden deshalb erst nach diesem Zeitraum vorliegen.

    Bürger schimpfen über Mehraufwand und Mehrbelastung

    "Die Leute schimpfen alle", erzählt die Hergolshäuserin. Denn es sei ja nicht nur der zeitliche Mehraufwand, sondern auch die finanzielle Mehrbelastung, die das Abkochgebot über so einen langen Zeitraum mit sich bringe. So werde mehr Strom für das permanente Abkochen oder auch mehr Stilles Wasser für den Verzehr benötigt. Am meisten aber erbost sie, dass die RMG ihren Kunden keinen Gebührennachlass gewährt, obwohl seit über einem Jahr das Trinkwasser gechlort wird und mehrmals ein Abkochgebot erlassen worden ist. "Wenn ich heute etwas Fehlerhaftes kaufe, bekomme ich doch auch vom Geschäft einen Rabatt."

    Chemielaborant Florian Fiedler lässt die ersten Tropfen nach der Sterilisation des Wasserhahns ab.
    Chemielaborant Florian Fiedler lässt die ersten Tropfen nach der Sterilisation des Wasserhahns ab. Foto: Anand Anders

    Liefert die RMG tatsächlich ein "fehlerhaftes" Lebensmittel? "Ein desinfiziertes Trinkwasser stellt grundsätzlich keinen Mangel dar", sagt Andreas Grunert, Biologe im Fachgebiet Wasseraufbereitung des Umweltbundesamtes (Uba). Wenn die Keimfreiheit hygienischen Anforderungen des Trinkwassers nicht anders sichergestellt werden könne, dann dürfe der Wasserversorger das Trinkwasser unter Beteiligung der zuständigen Behörden desinfizieren. Der Wasserversorger müsse sogar handeln, wenn eine "gesundheitliche Besorgnis" bestehe.

    Doch wie wirkt sich die Chemikalie auf den Menschen aus? Kann Chlor gesundheitliche Probleme verursachen, wie ein Betroffener in der Wernecker Facebookgruppe schildert? Auch das verneint der Fachmann. Die Konzentration sei so niedrig, dass diese Gefahr nicht bestehe. Die Trinkwasserverordnung erlaubt den Zusatz von 1,2 Milligramm Chlor pro Liter Wasser. Davon kommen beim Verbraucher tatsächlich aber nur maximal 0,3 mg/l freies Chlor an. "Dabei bestehen selbst bei lebenslanger Aufnahme keine unannehmbaren  gesundheitlichen Risiken." Auch eine dauerhafte Chlorung müsse keinen Mangel darstellen. Allerdings sollte das Trinkwasser immer nur so viel desinfiziert werden wie nötig und so wenig wie möglich. "Dieses Vorgehen entspricht dem Minimierungsgebot der Trinkwasserverordnung."

    In anderen Ländern werde viel häufiger desinfiziert. So werde in den USA standardmäßig gechlort, sagt Grunert. Hierzulande jedoch werde Chlor nur eingesetzt, wenn tatsächlich eine Desinfektion erforderlich sei. Zum Beispiel bei der Verwendung von Oberflächen- oder Flusswässer. So wie in Südostdeutschland, wo viele Regionen mit Wasser aus den Talsperren versorgt werden. Auch beim Fernwassertransport, wie in der Bodensee-Wasserversorgung, sei Chlorung üblich, weil sich das Wasser lange in der Rohrleitung befindet.

    Kein Qualitätsmangel

    "Millionen Bundesbürger bekommen gechlortes Wasser", weiß auch RMG-Geschäftsführer Weinig. Sogar im eigenen Verbandsgebiet gibt es Regionen, die mit desinfiziertem Wasser beliefert werden. Burkardtroth und Oerlenbach im Nachbarlandkreis Bad Kissingen zum Beispiel. Insofern sei auch bei einer dauerhaften Chlorung kein Mangel an Qualität gegeben.

    Vor der Wasserentnahme wird die Temperatur des Trinkwassers gemessen.
    Vor der Wasserentnahme wird die Temperatur des Trinkwassers gemessen. Foto: Anand Anders

    Tatsächlich aber hatte die RMG-Geschäftsführung im Vorfeld des neuerlichen Abkochgebots für den südwestlichen Landkreis Schweinfurt wegen des Mehraufwands über einen Gebührennachlass für die betroffenen Haushalte diskutiert. Aus Gründen der Gleichbehandlung habe man diese Idee aber verworfen, sagt Geschäftsführer Weinig.

    Die RMG betreibe sieben Wassergewinnungen in ihrem Versorgungsgebiet, das von der Rhön bis ins Maintal reicht. Gebühren und Beiträge seien für alle über 22 000 RMG-Wasserkunden einheitlich, unabhängig von den jeweiligen Wassergewinnungskosten und ob das Wasser mit oder ohne Chlordioxidanlage bereitgestellt werde. "Da wollen wir hier keine Ausnahme machen", meint Weinig auch mit Blick auf den "riesigen Verwaltungsaufwand", der in keinem Verhältnis zur Höhe des Gebührennachlasses stehen würde. "Da kommen allenfalls ein paar Cent zusammen."

    Die drei Bürgermeister der betroffenen Ortschaften können die Verärgerung ihrer Bürger verstehen und hoffen, dass die Quelle der Keime möglichst schnell gefunden wird. Waigolshausens Rathauschef Christian Zeißner ist als Theilheimer selbst vom Abkochgebot betroffen, sieht es aber ganz pragmatisch: "Es ist etwas umständlich, für mich aber handelbar."

    Sein Wernecker Kollege Sebastian Hauck hofft, dass sich der Aufwand rentiert und den Bürgern am Ende wieder ein einwandfreies Trinkwasser zur Verfügung steht. Bergrheinfelds Bürgermeister Ulrich Werner kann den Unmut seiner in Garstadt betroffenen Bürger nachvollziehen. Die ganzen Unannehmlichkeiten haben ihm aber auch bewusst gemacht, "welches hochwertige Lebensmittel wir zum Autowaschen haben".

    In einer frühere Version des Artikels war eine zu niedrige Angabe bezüglich der erlaubten Chlorzugabe gemacht worden. Die Trinkwasserverordnung erlaubt den Zusatz von 1,2 Milligramm Chlor pro Liter Wasser. Davon kommen beim Verbraucher tatsächlich aber nur maximal 0,3 mg/l freies Chlor an.

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