Als der Fußball nach Deutschland kam, wurde er zumeist als „Fußlümmelei“ abgewertet und abgelehnt. Turnen und der eher militärische Drill waren damals in Deutschland angesagt. Fußball galt als durch und durch „undeutsch“. Da in einigen deutschen Turnvereinen bereits um die Jahrhundertwende Juden nicht erwünscht waren, waren aber gerade Fußballvereine für jüdische Mitbürger besonders attraktiv.
Zwar gab es auch zionistisch ausgerichtete Makkabi-Vereine und die deutsch-jüdischen Schild-Vereine. Sie hatten aber kaum Mitglieder, denn die meisten sportbegeisterten, jüdischen Mitbürger, waren Mitglieder von „normalen“ bürgerlichen Vereinen. Wenig verwunderlich, denn sie waren ja auch normale, vollkommen integrierte deutsche Bürger. Viele Juden waren daher am unaufhaltsamen Aufschwung des Fußballs in Deutschland beteiligt. Bayern, der Club oder die Eintracht aus Frankfurt wurden von Juden mit gegründet. Auch an der Entstehung des DFB waren Juden entscheidend beteiligt.
Am bedeutsamsten wurde Walther Bensemann. Er war in Karlsruhe zur Schule gegangen und an der Gründung zahlreicher Fußballvereine in Süddeutschland beteiligt. Er organisierte die ersten internationalen Begegnungen deutscher Mannschaften und hatte sich den Namen Deutscher Fußball-Bund ausgedacht. 1920 gründete er außerdem den „Kicker“.
Nur wenige Wochen nach dem Machtantritt von Adolf Hitler als Reichskanzler am 30. Januar 1933 begann der Terror in Deutschland und Juden wurden nun aus den bürgerlichen Vereinen ausgeschlossen. Sie wurden zu Sündenböcken eines gnadenlosen Regimes, dem ein großer Teil der aufgehetzten Bevölkerung willig folgte. Auch Bensemann wurde fortgejagt. Er starb – wahrscheinlich verbittert – schon 1934, kurz nach der geglückten Emigration in die Schweiz.
Bereits zwei Monate nach der Machtübernahme der Nazis unterstrichen 14 – teilweise von Juden mitgegründete – Vereine aus dem Süden der Republik in einer gemeinsamen Erklärung, „insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen“ mit den neuen Machthabern „freudig und entschieden“ zusammenzuarbeiten. Die wichtigsten Vereine hatten unterschrieben, die Eintracht aus Frankfurt, der „Club“ und Fürth, aus München die Bayern und die „60er“.
Dies alles geschah laut Historikern im vorauseilenden Gehorsam „ohne dass die nationalsozialistische Regierung darauf gedrängt hatte“. In Bayern durfte nur jeweils ein jüdischer „Einheitssportverein“ pro Gemeinde gegründet werden. Diese jüdischen Vereine hatten nun einen extremen Zulauf und viele neue Vereine wurden gegründet, wohl auch der Jüdische Turn- und Sportverein, ITUS Schweinfurt.
Im Vorfeld der Olympischen Spiele wollte man die internationale Sportöffentlichkeit nicht brüskieren, aber schon ab 1937 ist wieder ein zunehmender Niedergang der jüdischen Sportvereine erkennbar. Es gab einfach nicht mehr genügend Mitglieder. Jüdische Mitbürger, die flüchten konnten, taten dies. Der Rest hatte mit den alltäglichen Schikanen und der Furcht ums eigene Leben andere Sorgen. Nichtsdestotrotz wurde noch im Januar 1937 erstmals eine eigene bayerische Fußballmeisterschaft ausgespielt. Erster Meister wurde der ITUS Nürnberg. Die zweite Meisterschaftsrunde ein Jahr später konnte allerdings schon nicht mehr zu Ende gespielt werden.
Inzwischen ist eine vom DFB unterstützte Recherche mit dem Titel „Jüdische Fußballvereine im nationalsozialistischen Deutschland. Eine Spurensuche“ erschienen. Die Studie hat einen Umfang von fast 600 Seiten. Über die Fußballaktivitäten von ITUS Schweinfurt findet sich dort nur wenig. Magere Ergebnisse aus dem Israelitischen Familienblatt künden von seinem Bestehen.
Allerdings war er nicht sonderlich erfolgreich. In Pokalspielen wurde gegen ITUS Würzburg 0:7 verloren und gegen ITUS Nürnberg sogar 1:10. Knapper war es bei Freundschaftsspielen gegen Nürnberg, Frankfurt, Heilbronn und Meiningen, wo ihnen mit einem 5:1 der einzige überlieferte Sieg gelang. Die Namen der Schweinfurter Spieler und die Fußballplätze, wo sie spielen durften, sind nicht bekannt.
„Vielleicht gibt es ja noch Schweinfurter Bürger, die sich daran erinnern können oder denen etwas erzählt wurde, um möglicherweise etwas Licht ins Dunkel zu bringen“.
Der Autor
Der aus Bergrheinfeld stammende und in Berlin lebende Journalist und Autor Ernst Reuß recherchiert über die Gründung jüdischer Sportvereine in den 1930er-Jahren. Damals wurde auch in Schweinfurt noch ein Jüdischer Turn- und Sportverein, abgekürzt ITUS Schweinfurt, gegründet. Reuß erhofft sich durch die Veröffentlichung Hinweise auf den weitgehend unbekannten Verein.
Der 54-Jährige machte am Humboldt-Gymnasium das Abitur, studierte nach der Bundeswehr Jura in Erlangen. Das Referendariat verbrachte Reuß am OLG Nürnberg, dann der Wechsel an die Freie Universität Berlin als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promotion zur Berliner Justizgeschichte. Davon zeugt auch die 2012 erschienene Publikation „Millionäre fahren nicht auf Fahrrädern“.
Politisch engagierte sich Reuß bei der Gründung der WASG in Berlin, traf dabei auf Klaus Ernst, dessen Büro er einige Zeit leitete. Er war danach einige Zeit Seminarleiter für die Betriebsräte-Schulung, konzentriert sich heute auf das Schreiben von Büchern und Zeitungsartikeln. Diese Zeitung veröffentlichte 2013 seine Recherchen zu einem am 12. April 1945 in Schweinfurt geschossenen Foto der 1971 im Alter von 67 Jahren verstorbenen Life-Fotografin und Korrespondentin Margaret Bourke-White.
Das Thema seines Buches „Mord? Totschlag? Oder was?“ will er fortsetzen. Und eben mehr über den Verein ITUS Schweinfurt wissen. hh