Ulsenheimer – wer in Schweinfurt und Umgebung diesen Namen hört, der hat sofort ein Bild im Kopf und auf dem Bild ist mindestens ein Fahrschulauto. Die Fahrschule Ulsenheimer gibt es gefühlt „schon immer“. Exakt sind dies heuer 70 Jahre. Die dritte Generation Ulsenheimers ist mittlerweile dabei aus Fahrschülern Führerscheinbesitzer zu machen. Die Fahrschule in der Seestraße ist damit die älteste in Schweinfurt.
Eigentlich war Ernst Ulsenheimer, Großvater des jetzigen Fahrschulbetreibers Jörg Ulsenheimer, im Bürstengeschäft. Doch nach dem Krieg wollten die Leute lieber einen Führerschein anstelle einer neuen Bürste, weshalb Ernst Ulsenheimer, ein gelernter Kfz-Mechaniker, 1948 in der Gaststätte „Alte Post“ in der Zehntstraße die Fahrschule aus der Taufe hob. Zwei Jahre später zog man in die Roßbrunnstraße, in die Räume der Tankstelle Wetzel, um. Wieder zwei Jahre später konnte in der Steinstraße der erste größere Fahrschulraum genutzt werden, 1955 schließlich der Umzug in das neugebaute Eigenheim von Anni und Ernst in der Seestraße, in der noch heute die meist jungen Leute auf das Verkehrsleben vorbereitet werden.
Prüfer mit Anzug und Schlips
Ein Opel P4 und ein sogenannter „Buckeltaunus“ (Ford Taunus) waren die ersten Fahrschulautos. Zwar gehört die Geschichte, dass früher die Fahrschüler ihren Sprit für die Fahrstunden mitbringen mussten, zumindest für die Ulsenheimers eher ins Reich der Legenden. Dennoch war Führerschein machen früher etwas ganz anderes als heute, erinnert sich Hans-Jürgen Ulsenheimer, der 1976 die Fahrschule von seinem 1975 verstorbenen Vater Ernst übernahm, bis er 2007 mit seiner Frau Inge in den Ruhestand ging und sie an seinen Sohn Jörg übergab.
So vier bis sechs Übungsstunden reichten, bis man zur Prüfung antrat (heute sind es zusammen mit den Sonderfahrten im Schnitt 35). Es gab ja nicht so viel Verkehr in den ersten Jahren. Die Sonderfahrten, wie sie heute absolviert werden müssen, waren noch nicht bekannt. Die Prüfer, das waren in den 50er und 60er-Jahren die „Herren Bauräte“ oder „Oberbauräte“, die mit Anzug und Schlips die Prüfung abnahmen. Und es war sicher kein Nachteil, wenn auch die Prüflinge hübsch hergerichtet zur Prüfung kamen.
„Baurat“ war tatsächlich die offizielle Bezeichnung der Prüfer, die von den Fahrschülern nicht nur ihre Fahrkünste abverlangten, sondern vor Ort auch wissen wollten, ob sie sich mit der Technik ihres Fahrzeuges auskennen und mal eine einfache Reparatur ausführen können. Frauen, die Führerschein machten, waren in den ersten Jahren übrigens die große Ausnahme. Auch wenn es mit Martha Benz eine Frau war, die 1888 ihre Söhne auf das von ihrem Mann drei Jahre zuvor erfundene Automobil packte und die erste „Überlandfahrt“ machte, mussten Frauen in Deutschland bis 1958 die Genehmigung ihres Gatten einholen, wenn sie Führerscheinbesitzerinnen werden wollten.
Huckepack auf dem Motorrad
Das Fahrlehrer-Pedal auf dem Beifahrer-Platz, das ermöglicht, dass der Fahrlehrer zur Not auch mal bremst und damit einen Unfall verhindert, gab es auch noch nicht. Ganz abenteuerlich waren die Motorrad-Stunden. Der Fahrlehrer fuhr sozusagen als Sozius auf dem „Heinkel-Roller“ hinten mit und hatte einen eigenen Lenker. Mit dem konnte er zwar nicht lenken, aber eine Notbremsung durchführen – auch eine Erklärung dafür, das Führerschein-machen schon immer Vertrauenssache war.
Nur bei der Prüfung fuhren Prüfer und Fahrlehrer im Pkw vorneweg. „Das hatte den Vorteil, dass der Prüfling immer genau wusste was von ihm verlangt wird“, erinnert sich Hans-Jürgen Ulsenheimer.
Führerschein ist Vertrauenssache
Zeiten waren das – man kann es sich heute kaum noch vorstellen – in denen bis zu 1,3 Promille für das „Führen eines Kraftfahrzeuges“ erlaubt waren und so mancher Prüfungskandidat selbst mit Auto oder Traktor zur Prüfung fuhr und sein Gefährt vorher in einer entlegenen Seitenstraße abstellte. Der Prüfer muss ja nicht unbedingt merken, „wie gut man schon fahren kann“. Die Autos, die Anforderungen, die Führerscheinklassen, die Zahl der Fahrstunden – alles hat sich gravierend geändert, nur eines ist gleich geblieben – Führerschein machen ist nach wie vor Vertrauenssache. „Wer Führerschein macht wird für diese Zeit sozusagen Teil der Familie“, weiß Chefin Andrea Ulsenheimer. Da braucht es ganz viel Fingerspitzengefühl, auch mal Trost und ein aufbauendes Wort zur rechten Zeit.
Jörg Ulsenheimer fügt hinzu, dass auch im Computerzeitalter oft bei jungen Leuten eine gewisse Technikscheu, was Autos betrifft, zu bobachten sei „aber das kriegen wir alles hin“, meint er schmunzelnd. Eine Fahrschule zu haben ist für ihn auch in anderer Hinsicht Familiensache, denn „ohne die richtige Frau an der Seite geht das nicht“, ist er sich sicher. An die 20 000 Menschen wurden in sieben Jahrzehnten in der Fahrschule Ulsenheimer zu Führerscheinbesitzern aller Klassen (außer Bus). Auch die Handicap-Ausbildung für Menschen mit Einschränkungen wird angeboten. Jeder Fahrschüler ist anders, aber alle Wege führen zum Führerschein, auch wenn die unterschiedlich lang, mal steinig und mal recht eben sind, weshalb die Familie Ulsenheimer schon immer auf möglichst individuelle Ausbildung setzt. Hans-Jürgen Ulsenheimer erinnert sich nur an einen einzigen Kandidaten, dem es einfach nicht gegeben war, ein Fahrzeug zu führen. „Ein intelligenter Mann, aber das mit dem Schalten hat er einfach nicht kapiert und Automatik gab es noch nicht, der hat irgendwann dann einfach aufgegeben“.
Für die Fahrschule Ulsenheimer, die vor 70 Jahren mit einem Auto und einem Chef/Fahrlehrer in Personalunion startete, ging es seither immer vorwärts. 1985 wurde eine Zweigstelle in Schwebheim eröffnet, 2000 kam die Zweigstelle Niederwerrn dazu und auch die Fahrzeugflotte hat sich entsprechend vergrößert. Sieben Jahrzehnte voller Geschichten liegen hinter den Ulsenheimers „aber glücklicherweise gab es in all den Jahren zwar manchen Blechschaden, aber nie einen schlimmen Unfall“, resümiert Hans-Jürgen Ulsenheimer und auch dies ist eine sehr schöne Bilanz für eine Fahrschule mit Tradition.
In 70 Jahren blieben wir von schweren Unfällen verschont - und das spricht ja auch für Qualität
Hans-Ulrich Ulsenheimer in der Rückschau auf die Fahrschulgeschichte